Headline: Der Vorteilsausgleich und das gemeinsame Erbe der Menschheit: Policy Brief gibt Empfehlungen zur Regulierung von Bergbauaktivitäten in der Tiefsee

Worin könnte ein Vorteil für die Menschheit aus dem Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee bestehen? Mit welchen Gefahren für die Meeresumwelt ist zu rechnen und wie ließe sich eine gerechte Entwicklung für die Menschheit insgesamt erreichen?  Ein aktuelles IASS Policy Brief untersucht, welchen Beitrag die Internationale Meeresbodenbehörde leisten kann, um die Nutzung des "Gemeinsamen Erbes der Menschheit" mit den globalen Nachhaltigkeitszielen, wie in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen verankert, in Übereinstimmung zu bringen.

Tiefseekrabbe
Lässt sich der Schutz der Arten und Lebensräume der Tiefsee mit Tiefseebergbau vereinbaren? Das Foto zeigt eine Tiefseegarnele, vermutlich Pandalus borealis.
Jan Steffen, GEOMAR (CC BY 4.0)

Der küstenferne Meeresboden außerhalb nationaler Rechtsprechung und die dort vorhandenen Bodenschätze gehören der Menschheit als Ganzes, sie dürfen nur zum gemeinsamen Nutzen abgebaut werden. So steht es im UN-Seerechtsübereinkommen, das dieses sogenannte „Gebiet“ als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ (Common Heritage of Mankind) beschreibt. Seit 1994 gibt es die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA). Sie beschließt die global gültigen Zugangsvoraussetzungen und Abbauregeln und schließt Verträge mit staatlichen oder privaten Nutzern zur Erkundung und später zum kommerziellen Abbau der Rohstoffe. Eine besondere Aufgabe der ISA ist es, darüber zu wachen, dass ein Nutzen für die Menschheit entsteht und dass dieser Nutzen gerecht geteilt wird.

In den 36 Jahren seit Beschluss des Seerechtsübereinkommens hat sich das internationale Bewusstsein für die Schutzbedürftigkeit der Meere und Ozeane deutlich gewandelt. Ursprünglich nährte die Entdeckung neuer mineralischer Ressourcen in den Meeren die Hoffnung auf eine unabhängige Versorgung der Industriestaaten sowie auf einen Entwicklungsschub für die Dritte Welt über den Vorteilsausgleich. Heute wissen wir nicht nur um die technischen Schwierigkeiten, sondern auch um die Gefahr der Zerstörung von bislang weitgehend unbekannten Tiefseeökosystemen. Auch gibt es neue Technologien und Konzepte im Recycling und der Kreislaufwirtschaft, die Alternativen zum Abbau aufzeigen. Angesichts der immer höheren Belastungen für die Meere, die sichtbar zu Verlusten an Arten und Lebensräumen führen, stehen heute der Schutz und eine nachhaltige Nutzung der Ozeane im Vordergrund der neueren internationalen Abkommen und Verträge.

Im Juli kommt die ISA auf Jamaika zu ihrer 24. Jahreskonferenz zusammen – Anlass für das IASS, in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und weiteren Ko-Autoren ein Policy Brief mit Empfehlungen herauszugeben, die dazu anregen sollen, im laufenden Verfahren für die Erarbeitung neuer, verbindlicher und international anerkannter Regularien für den Abbau von Meeresbodenschätzen Umwelt- und Klimaschutz ebenso zu berücksichtigen wie auch die gerechte Verteilung möglicher finanzieller Erträge.

Die Handlungsempfehlungen verweisen dabei vor allem auf die Selbstverpflichtung der UN-Mitgliedsstaaten, die Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen, wie sie in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und dem darin enthaltenen Nachhaltigkeitsziel für den Ozean (SDG 14) formuliert sind. Daraus leitet sich der Anspruch ab, auch das 1982 im UN-Seerechtsübereinkommen definierte „Gemeinsame Erbe der Menschheit“ im Sinne der globalen Nachhaltigkeitsziele mit einer Orientierung auf zukünftige Generationen auszulegen. 

Vier zentrale Botschaften geben die Autorinnen und Autoren den Delegierten, internationalen Beobachtern und Teilnehmern der ISA-Konferenz mit auf den Weg:

Botschaft 1: Das Prinzip des Erbes der Menschheit im Lichte neuer Erkenntnisse interpretieren

Die ISA muss sicherstellen, dass alle Aktivitäten im Gebiet jenseits nationaler Rechtsprechung (kurz das „Gebiet“) sich dem Prinzip des Erbes der Menschheit unterordnen. Das bedeutet, dass alle Entscheidungen über den Rohstoffabbau in Übereinstimmung mit dem heutigen Forschungswissen, aktuellen Informationen und im Geiste der Agenda 2030 zur Nachhaltigkeit, wie von der UN-Vollversammlung im Jahr 2015 angenommen, getroffen werden sollten. 

Botschaft 2: Sicherstellen, dass alle Aktivitäten einen positiven Gesamtnutzen für die Menschheit erzeugen

Notwendig ist eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse, die die Auswirkungen jeglicher Abbauaktivitäten auf das Naturkapital des „Gebiets“ und auf andere potenzielle Nutzungen der Tiefsee abschätzt. Der Begriff Naturkapital beschreibt die Ökonomie der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt. Tiefseebergbau wird unweigerlich die Ökosysteme am Meeresgrund und der Wassersäule schädigen, so dass alle potenziellen Alternativen, inklusive eines Verzichts auf den Abbau, in die Überlegungen einzubeziehen sind. Diese Analysen und umfassende Verhandlungen mit der ISA sollten stattfinden, bevor kommerzielle Abbauaktivitäten beginnen.

Botschaft 3: Anwendung eines Vorsorgeansatzes, um das gemeinsame Erbe der Menschheit zu schützen

Angesichts der potenziellen Gefährdung durch Bergbauaktivitäten sowie unseres geringen Verständnisses der Ökosysteme der Tiefsee und der offenen Ozeane ist die Anwendung eines Vorsorgeansatzes entscheidend, um die Risiken zu minimieren. Die Regelwerke müssen auf den höchsten bekannten wissenschaftlichen und technischen Standards und Kenntnissen basieren und starke Kontrollmechanismen enthalten. Dazu gehören auch regionale Umweltmanagementpläne, schrittweises Vorgehen unter strikter Kontrolle, verstärkte Vernetzung mit der Wissenschaft und starke Rechtsdurchsetzung.

Botschaft 4: Die Sorgen der Zivilgesellschaft und Interessen künftiger Generationen berücksichtigen

Eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit, Transparenz, und die Einbeziehung der sozialen und kulturellen Auswirkungen aller Aktivitäten sind notwendig, um die Interessen der Zivilgesellschaft angemessen zu berücksichtigen, besonders in Hinblick auf Entwicklungsländer und künftige Generationen.

More information

Christiansen, S., Ginzky, H., Singh, P. and Thiele, T. (2018): The International Seabed – the Common Heritage of Mankind. Recommendations for future Governance by the International Seabed Authority, IASS Policy Brief, July 2018