Headline: Synergien schaffen für die nachhaltige Entwicklung der Arktis

Vor ein paar Wochen hatte ich das Privileg, an der Arctic Science Summit Week (ASSW) 2015 in Toyama (Japan) teilzunehmen, die vom International Arctic Science Committee (IASC) and dem Science Council of Japan organisiert wurde. Die Veranstaltung brachte fast 700 internationale Wissenschaftler, Studenten, Politiker, Wissenschaftsmanager, indigene Völker und andere wichtige Akteure zusammen. Das Ziel war, „die Pläne für die künftige Forschung zur Arktis weiterzuentwickeln, zu koordinieren und Prioritäten zu setzen“. In anderen Worten, ein riesiges Treffen der arktischen Familie, bei dem man denselben bekannten Gesichtern begegnen konnte, die bei jeder Veranstaltung zur Arktis dabei sind. Als Highlight hielt Ihre Kaiserliche Hoheit Prinzessin Takamado (ein prominentes Mitglied der kaiserlichen Familie) bei der Eröffnung eine sehr inspirierende Keynote, in der sie ihr Interesse und ihre Hoffnungen für die Arktis zum Ausdruck brachte. Im Rahmen der ASSW hielten wir auch die dritte International Conference on Arctic Research Planning (ICARP III) ab, die alle zehn Jahre stattfindet und zum Ziel hat, „Forschungsprioritäten in Bezug auf die Arktis für das nächste Jahrzehnt zu identifizieren und konstruktive Beziehungen zwischen Produzenten und Nutzern von Wissen aufzubauen“. Dabei geht es um die wichtigsten Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung der Arktis, etwa die Wasser-, Energie- und Ernährungssicherheit, die menschliche Gesundheit und den Schutz der terrestrischen und marinen Ökosysteme.

Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie andere Regionen der Welt. Unser Bild zeigt die Autorin in Island. © Juan A. Fernandez
Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie andere Regionen der Welt. Unser Bild zeigt die Autorin in Island. © Juan A. Fernandez

Ich hatte auch Gelegenheit, gemeinsam mit Gail Fondahl von der University of Northern British Columbia und Maribeth Murray vom Arctic Institute of North America die Veranstaltung „Advances in Transdisciplinary Arctic Research: Progress on Building Collaborative Agendas for Research Supporting Solutions for Sustainability” mitzuorganisieren und zu moderieren. Wir kombinierten unser Programm mit Vorträgen und einer Debatte eines Experten-Panels, dem ein indigener Wissenschaftler, ein indigener Politiker, politische und physische Geographen und der derzeitige Exekutivsekretär des IASC (ein früherer Glaziologe) angehörten. Sie sprachen über ihre Beobachtungen, wie man kooperative Forschungsagenden und –strategien in der Arktis voranbringen kann, besonders solche Forschung, die auf sozio-ökologische Prozesse bezogen ist. Weitere Themen waren der Austausch zwischen Forschern und Praxis-Vertretern sowie verschiedene Möglichkeiten, Forschung durchzuführen und Erkenntnisse zu verbreiten.

Hier würde ich gerne einige relevante Beobachtungen und Empfehlungen teilen, die ich aus unserer Session mitgenommen habe. Sie basieren auf einem ganzheitlichen Ansatz, diese Herausforderungen anzugehen, der (so hoffen wir) ICARP III und seine Prioritäten voranbringen wird:

  • Arktische Ökosysteme (Vegetation, Land, Meer, soziokulturelle Systeme, Wirtschaft) werden von einem sich erwärmenden Klima beeinflusst, welches seinerseits einen Einfluss auf die indigene Kultur und traditionelle Tätigkeiten (wie das Hüten von Rentieren) ausübt. Die Kooperation verschiedener Akteure ist daher notwendig, um die Umwelt zu erhalten und ökologische und sozioökonomische Notwendigkeiten zu harmonisieren.
  • Aus der Vergangenheit und von anderen Weltregionen sollten wir lernen, wie sich kreative Lösungen und neue Möglichkeiten auftun lassen, die dann zu einer wichtigen neuen Plattform für eine widerstandsfähigere Arktis werden können.
  • Erkenntnisse (nicht nur wissenschaftliche, sondern auch traditionelle) sollten offener geteilt/weitergegeben/ausgetauscht werden.
  • Wir müssen gemeinsam Forschungsansätze gestalten, in denen Fragen gemeinsam definiert werden, Ergebnisse gemeinsam produziert werden und Empfehlungen gemeinsam umgesetzt werden.
  • Es ist wichtig, einen Dialog zu initiieren und die lokale Bevölkerung frühzeitig in die Mitarbeit und das Feedback einzubeziehen, um Nachhaltigkeit, Resilienz und Anpassung bei den interessierten Parteien zu fördern und zu Ergebnissen von gemeinsamem Nutzen zu gelangen.
  • Ein erstrebenswertes und vernünftiges soziales und ökologisches Management ist ein soziopolitischer Prozess, keine wissenschaftliche Entscheidung. Zudem ist die Umsetzung von Entscheidungen, die im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung getroffen wurden, am effektivsten, wenn lokale Verwaltungs- und Koordinationseinheiten einbezogen werden.
  • Für die Förderung der Nachhaltigkeit von Gemeinschaften ist es notwendig, mehr Daten über soziale Bedingungen zu sammeln, damit Faktoren wie Gesundheit, Wohnen und Ernährungssicherheit verbessert werden können. Solche Themen sind zentral für die Nachhaltigkeit der Arktis (leider habe ich keine Konferenzteilnehmer aus Bereichen wie Medizin und Architektur getroffen, obwohl diese Aspekte während dieser Session und der Konferenz im Allgemeinen häufiger angesprochen wurden).
  • Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Notwendigkeit, die Stimmen und Ideen von jungen Arktis-Forschern zu hören. Ein Vertreter der Association of Polar Early Career Scientists (APECS) hob in seinem Vortrag hervor, dass mehr Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen, um die Motivation unter künftigen Generationen von Arktis-Forschern aufrechtzuerhalten. Wichtig seien auch Möglichkeiten zum Netzwerken, um die künftige Zusammenarbeit in internationalen Forschungsgemeinschaften zu fördern. Junge Arktis-Forscher müssten über die wachsende Vielfalt von Karriere-Möglichkeiten informiert werden.

Letzten Endes laufen diese Punkte (wie Sie wahrscheinlich schon bemerkt haben) auf einen gemeinsamen Ansatz hinaus: Die Notwendigkeit, Synergien zu schaffen zwischen allen Parteien, die betroffen sind oder „Rechte“ an den arktischen Ökosystemen haben, seien dies Gemeinschaften, Wissenschaftler, Regierungen oder die Industrie. Die am häufigsten gebrauchten englischen Schlagwörter zu dem Thema fangen mit dem Präfix co- an (also „zusammen“) und kamen bei der Konferenz in Bezug auf transdisziplinäre Forschung immer wieder vor.

CO-graphic

Um es nochmals zu betonen: eine nachhaltige Entwicklung, die die Resilienz arktischer Gemeinschaften fördert, braucht ganzheitliche Strategien für die Arktis-Forschung. Ein wichtiger Teil davon ist eine gemeinsame Sprache, so dass jeder seine Botschaften vermitteln kann (ich selbst erinnere mich daran, wie ich von einer Session zu einer anderen ging und erstmal mein Hirn „umschalten“ musste, um die dort benutzte Terminologie zu verstehen).

Von den wichtigsten Botschaften, die sich während der ASSW/ICARP herauskristallisierten, beeindruckte mich letztlich die folgende am stärksten:

„Es muss bei den Entscheidungsträgern ein größerer Handlungsdruck entstehen, bei der Bevölkerung ein stärkeres Bewusstsein bezüglich der globalen Bedeutung der Veränderungen, die in der Arktis stattfinden.“ Diese Veränderungen (ökologische, soziale, politische) „sind eine Herausforderung für unser Verständnis ihrer Folgen und unserer Fähigkeit, für Entscheidungsträger Wissen zur Verfügung zu stellen“, angesichts der Tatsache, dass die neuen Märkte sowie die Möglichkeiten, die arktischen Ressourcen und damit verbundene Tätigkeiten (z.B. Handel, Tourismus, Verkehr) zu nutzen, wahrscheinlich schneller wachsen werden als die notwendigen Infrastrukturen an Land und auf See.

Ich kam – ganz im Sinne der Hauptbotschaft der ASSW - zu der Erkenntnis, dass wir, wenn wir in der allgemeinen Bevölkerung ein Bewusstsein für die Bedeutung der Veränderungen schaffen wollen, die nicht nur in der Arktis, sondern weltweit stattfinden, dieses Bewusstsein zunächst als Individuen schärfen müssen, um diese Herausforderungen besser zu verstehen und anzugehen, damit wir (ob als Natur- oder Sozialwissenschaftler) einen besseren Beitrag für die Gesellschaft leisten können. Für mich war die Gelegenheit, während der Veranstaltung mit Sozialwissenschaftlern in Kontakt zu kommen – wie es auch am IASS geschieht, und hier ganz besonders im SMART-Projekt (Sustainable Modes of Arctic Resource-driven Transformations) – , eine sehr inspirierende Lernerfahrung. Der nächste Schritt wäre, eine gemeinsame Sprache zu finden, so dass wir einander verstehen, unser Wissen austauschen, zusammenarbeiten – und diese Welt verbessern können.

Header-Photo: Karsten Häcker

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