Headline: Unübliche Verdächtige

Vom 14. bis 18. September 2015 fand in Berlin unser erstes urbanes LAB statt – fünf Tage intensiver Aktion und Diskussion mit rund 15 kritischen Stadtexperten aus aller Welt. Das Thema, das wir anpackten, war „Unterschiedliche Urbanisierungen“, es ging also um die Möglichkeiten und Grenzen des Imports und Exports von urbanen Strukturen, Technologien und Kenntnissen zwischen verschiedenen Weltregionen. Das LAB gehört zur Critical Dialogue Series: the New Urban Agenda „on the ground“; sie beschäftigt sich mit zentralen Fragen, die durch Habitat III entweder übersehen wurden oder ganz anders angepackt werden müssten, als es derzeit geschieht. Habitat III ist die 3. UN-Konferenz zu Wohnen und nachhaltiger Stadtentwicklung, die von 17. bis 20. Oktober 2016 in Quito, Ecuador, stattfinden wird.

Wichtige Taktiken, die für anregende Diskussionen im LAB sorgten, waren gutes Essen und kreative Betätigung. Die Aktivitäten reichten vom Import fremder urbaner Strukturen in Beispielstädte über das Hacken simulierter urbaner Wassersysteme bis zur Produktion einer Neuausgabe von „Die drei kleinen Schweinchen“, angesiedelt im Jahr 2050 (wobei Baumaterial, Ressourcenknappheit, „moderne“ versus traditionelle Architektur, Naturkatastrophen und Klimawandel ins Spiel kommen). Für alle, die in den letzten Jahren zahlreiche „Workshops“ miterlebt und überlebt haben, in denen Blöcke mit Input-Präsentationen und kurze akademische Debatten einander ablösten, waren die unkonventionellen Aktivitäten in diesem LAB sehr ergiebig und wirkten sich auf das Gesprächsniveau und die individuelle und Gruppenerfahrung aus.

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Bei der Diskussion um Habitat III hatten wir damit zu kämpfen, dass die schönen Ziele und Rezepte, die hier formuliert werden, schwer zu kritisieren und ziemlich allumfassend sind. Vor dem Hintergrund unserer sehr unterschiedlichen urbanen Kontexte waren wir uns jedoch einig, dass diese Ziele und Rezepte in der Realität sehr geringen Einfluss haben werden oder, schlimmer noch, sich oft sogar als Fehlschläge erweisen könnten. Die gängige Reaktion auf solche Kritik ist, die Kritiker sollten sich am politischen Prozess beteiligen. In einer letzten Übung stellten wir uns also die Aufgabe, einen Vorbereitungstext für die New Urban Agenda umzuschreiben. Die Beschäftigung mit Begriffen wie umfassen, integrieren, fördern, anpassen ließ erst einmal unsere Kreativität verpuffen und setzte uns der Sogwirkung dieses Denkens aus. Letztlich brachte uns die Übung aber zum Kern unseres Themas „unterschiedliche Urbanisierungen“. Hier stehen Kontextualisierung, kulturelle Anerkennung (auch der Gebrauch der Sprache) und lokal orientierte Versuch-und-Irrtum-Lösungen im Mittelpunkt und sind Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung dessen, was die globale „Neue Urbane Agenda“ anstreben wird. Also könnten wir, nicht gerade die üblichen urbanen Verdächtigen aus Mexiko, Togo, Kolumbien, Deutschland, Indien, Brasilien, Südafrika, Australien, Großbritannien und Belgien, vielleicht doch mehr Einfluss ausüben, als wir denken?

Wir arbeiten jetzt an den Ergebnissen des LAB, die auf www.criticalurbanagenda.com veröffentlicht werden.

Photos: Jana Gumprecht

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