Headline: Die UN-Klimakonferenz in Paris: Interview mit Rómulo Acurio Traverso

Rómulo Fernando Acurio Traverso ist der stellvertretende Beauftragte für Klimawandel von Peru. In dieser Funktion spielte er eine maßgebliche Rolle bei den früheren Konferenzen zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen und bereitet derzeit die 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP21) dieses Jahr in Paris vor. Dort kommen 96 Länder zusammen und handeln einen Vertrag aus mit dem Ziel, Emissionen zu reduzieren und die Klimaerwärmung auf 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Unlängst bot sich mir die Gelegenheit, mit ihm über die Chancen eines erfolgreichen Abkommens zu sprechen.

Rómulo Acurio Traverso
Rómulo Acurio Traverso

Was erwarten Sie von der COP in Paris?

Ich erwarte, dass wir auf der Pariser Klimakonferenz ein umfassendes Abkommen erreichen, das zugleich Fairness, Wandel und Inklusion verkörpert. Diese drei Aspekte zu verwirklichen ist noch möglich. Fairness ist möglich, wenn wir ein gesundes Gleichgewicht zwischen Selbstbestimmung bei den nationalen Zielen, Flexibilität für Entwicklungsländer und einheitlichen Regeln für die Umsetzung finden; damit würde das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung erneut angewendet. Wandel ist möglich durch ein gemeinsames, langfristiges Ziel der Kohlendioxidreduzierung; hinzu kommt die Verpflichtung, die nationalen Klimaschutz- und Anpassungsbemühungen regelmäßig zu aktualisieren und zu verbessern, sowie die Einrichtung erleichternder Mechanismen, um Ambitionen, Zusammenarbeit und Unterstützung zu steigern und über längere Zeiträume zu stützen. Daraus ergibt sich, dass eine neue Ära kohlenstoffarmen Wachstum für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen kann. Inklusion ist als dritter Aspekt ebenfalls möglich und nötig und wird durch eine neue Partnerschaft zwischen allen Beteiligten erreicht: Staaten, subnationale Einrichtungen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen. Ich glaube wirklich, dass die Ergebnisse von Paris ein inklusives weltumspannendes Aktionsbündnis ins Leben rufen können.

Dennoch müssen wir unsere Erwartungen dieses Jahr herunterschrauben. Höchstwahrscheinlich kann die Summe der nationalen Emissionsreduktionen, die in Paris verkündet werden, nicht gewährleisten, dass wir unterhalb der 2-Grad-Grenze bleiben. Deshalb sollten wir Paris nicht als Selbstzweck betrachten, sondern als Ausgangspunkt für internationales Handeln. Wir dürfen Paris nicht als abschließendes Abkommen sehen, sondern als Rahmenwerk für weitere Verpflichtungen. Dem Abkommen von Paris kommt die Rolle eines beispiellosen Wegbereiters zu, der die Organisation umfassender Klimaschutzmaßnahmen ermöglicht.

Welche entscheidenden Fragen stellen sich beim Ringen um ein Abkommen?

Die entscheidenden Fragen sind wohlbekannt. Zu ihnen zählen: Welchen rechtlichen Status hat das Abkommen? Können neue langfristige Ziele für Treibhausgasreduktion und globale Resilienz festgelegt werden? Wie ist es um Inhalt und Allgemeingültigkeit von Klimaschutzverpflichtungen bestellt? Wie können Anpassungsmaßnahmen in die Entwicklungspolitik eingebunden werden? Wie geht man mit Verlusten und Schäden um? Wie kann ein effektiver Transfer von Klimaschutztechnologien in Schlüsselbereichen wie Energie, Verkehr und Industrie gesichert werden?

In diesem Zusammenhang darf die überragende Bedeutung der Transparenz nicht unterschätzt werden. Ein System selbst festgelegter nationaler Beiträge wird ja nur funktionieren, wenn es von zuverlässigen, gemeinsamen Regeln für Buchführung, Berichterstattung und Überprüfung begleitet ist. Damit diese Regeln glaubwürdig und wirksam sind, müssen sie mit großer Sorgfalt ausgehandelt werden; dabei sind die vorhandenen differenzierten Überprüfungskonzepte zu berücksichtigen; auch dürfen hinreichende Flexibilität und Anreize für Entwicklungsländer nicht fehlen, damit sie sich umfassend beteiligen. Im gegenwärtigen Stadium ist dies gewiss eine der mühseligsten Aufgaben bei den Verhandlungen.

Eine weitere zentrale Herausforderung sind natürlich die Klimafinanzen. Hier sind noch vor Paris mehrere starke Signale und Kompromisse nötig. Industrieländer und internationale Finanzinstitutionen müssen einen glaubwürdigen Kurs aufzeigen, wie sie bis zum Jahr 2020 100 Milliarden Dollar jährlich mobilisieren wollen. Der UN-Klimafonds (Green Climate Fund) muss bald beweisen, dass er Mittel an bestimmte Projekte in den Entwicklungsländern tatsächlich auszahlen kann. Und der private Sektor muss seinen Übergang zu klimafreundlichen Investitionen und Divestment, also das Abziehen von Geldern aus den fossilen Brennstoffen, weiter vorantreiben. Darüber hinaus müssen sich die Vertragsparteien bei den Verhandlungen auf Art und Häufigkeit künftigen finanziellen Engagements einigen; auch die Rolle ergänzender Süd-Süd-Unterstützung ist zu bedenken; und unter anderem sind zudem Vorkehrungen zur Stärkung des gegenwärtigen Rahmenwerks zu treffen, mit dem die finanziellen Zusagen der Industrieländer kontrolliert und überprüft werden.

Das klingt wie ein extrem komplexes klimapolitisches Gefüge, aber was leistet es in der Praxis, zum Beispiel in Peru?

Wir beobachten einen breiten, kraftvollen Wandel in der Klimapolitik, auf Länderebene ebenso wie global. Noch bevor er beschlossen ist, fördert der Vertrag von Paris bereits den Wandel. Schon die Vorbereitung der „Intended Nationally Determined Contributions" (INDC) – der Klimaschutzverpflichtungen, zu denen sich die Vertragsstaaten bereit erklären – hat zu einem gesunden Wettbewerb unter Industrieländern geführt. Zum ersten Mal ist damit auch in vielen Entwicklungsländern eine politische Verpflichtung entstanden, spezifische Ziele zur Emissionsminderung und für Anpassungsmaßnahmen zu beraten und festzulegen. Der Prozess an sich schafft bereits in aller Welt institutionelle, makroökonomische und gesellschaftliche Anreize für die staatliche Klimapolitik. Ein erfolgreiches Pariser Klimaschutzabkommen kann diese Entwicklung nur festigen, denn es liefert Rechtsverbindlichkeit für Staaten, ökonomische Vorhersagbarkeit für Inlandsmärkte und eine Struktur für verbesserte internationale Zusammenarbeit und Unterstützung.

Zum Beispiel Peru. Unser Energiesektor benötigt politische Maßnahmen und Anreize, um den allmählichen Übergang zu sauberen und gewinnträchtigeren Modellen zu schaffen. Unsere Städte brauchen dringend Investitionen in eine nachhaltige Infrastruktur und nachhaltigen Verkehr. Unsere Landwirtschaft steht vor der komplexen Herausforderung, unsere gewaltigen natürlichen Ressourcen, insbesondere im Amazonas, verantwortlich zu nutzen. Damit wir in jedem Fall die richtige Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit finden, brauchen wir eine starke Politik und zuversichtliche Märkte. Peru baut darauf, dass sich ein starkes Pariser Abkommen transformativ auf die juristischen und materiellen Möglichkeiten der Regierung auswirkt und ein günstiges Umfeld für nachhaltige Privatinvestitionen und Geschäftsmodelle in wichtigen Sektoren ermöglicht.

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