Headline: Was braucht es für eine Partnerschaft mit Afrika?

Eine neue Partnerschaft mit Afrika anzustoßen war ein zentrales Anliegen der deutschen G20-Präsidentschaft und eines der Themen beim G20-Gipfel, der am letzten Wochenende in Hamburg stattfand. In ihrer Abschlusserklärung bestärkten die Staats- und Regierungschefs der 19  wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und der EU ihr gemeinsames Ziel: Sie wollen „als Reaktion auf die Bedürfnisse und Bestrebungen der afrikanischen Länder (…) nachhaltiges, inklusives Wirtschaftswachstum sowie nachhaltige, inklusive Entwicklung fördern sowie dazu beitragen, vor allem für Frauen und Jugendliche menschenwürdige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, und so helfen, Armut und Ungleichheit als Ursachen von Migration anzugehen“. Dies ist eine ambitionierte Ankündigung. Was aber waren die konkreten Ergebnisse des Gipfels für die Beziehungen mit Afrika? Werfen wir einen genaueren Blick auf die vier Säulen der neuen G20-Afrika-Partnerschaft:

Säule 1: Verbesserte Teilhabe an Wirtschaftswachstum und Beschäftigung

Die erste Säule der G20-Partnerschaft mit Afrika beschäftigt sich mit dem Nexus aus ländlicher Entwicklung, Beschäftigung, Stärkung der Rolle der Frau und Wirtschaftswachstum. Ein Schlüsselelement ist die G20 Initiative for Rural Youth Employment („G20-Initiative für Beschäftigung junger Menschen in ländlichen Regionen“). Die Initiative unterstreicht die zentrale Rolle der Landwirtschaft und ländlicher Betriebe für die Beschäftigung im ländlichen Raum. Konkret verpflichten sich die G20 zur Schaffung von 1,1 Millionen Arbeitsplätzen für junge Männer und Frauen bis 2022. Zudem streben die G20 an, berufsorientierte Qualifizierungsprogramme stärker zu unterstützen. Von ihnen sollen in den nächsten fünf Jahren mindestens 5 Millionen junge Frauen und Männer profitieren. Im Zusammenhang damit liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Qualifikation von Frauen und Mädchen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und auf der Förderung ihrer Beteiligung an der digitalen Wirtschaft. Zu diesem Zweck wurde die #eSkills4Girls Initiative für Schwellen- und Entwicklungsländer begründet, die das zweite Schlüsselelement dieser Säule darstellt.

Der Fokus der G20 auf die Entwicklung von Beschäftigungschancen im ländlichen Raum und die besonderen Bemühungen zur Stärkung von Mädchen und Frauen sind lobenswert. Zwar sagen Prognosen für die meisten afrikanischen Länder eine Zunahme der Migration vom Land in die Städte vorher. Allerdings leben laut aktueller Schätzungen über 60 Prozent der Bevölkerung in den Ländern südlich der Sahara im ländlichen Raum. Angesichts der Belastungen, die mit dem starken Zuzug in städtische Gebiete verbunden sind, ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man junge Menschen dabei unterstützt, im ländlichen Raum ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bedenkt man allerdings das Ausmaß des Problems der Jugendbeschäftigung – 10-12 Millionen junge Menschen strömen in Afrika alljährlich auf den Arbeitsmarkt – ist die konkrete Zusagen der G20, in den nächsten fünf Jahren 1,1 Millionen neue Stellen zu schaffen, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Erklärung der G20-Staats- und Regierungschefs verweist auf eine Fülle von Herausforderungen in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen, von der Gestaltung förderlicher Regularien und geeigneter Finanzierungsinstrumente für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auf dem Land über die Verbesserung von Aus- und Weiterbildung bis hin zur Bereitstellung grundlegender Infrastrukturen, um den Zugang zu sauberem Wasser, nachhaltiger Energie und zum Internet zu gewährleisten. Allerdings fehlt ein deutlicher Hinweis auf die Investitionsinitiative, die die dritte Säule der G20-Afrika-Partnerschaft darstellt, den sogenannten Compact with Africa. Damit besteht die Gefahr einer Fragmentierung der Anstrengungen der G20 und es stellt sich die Frage, ob die derzeit von den G20 vorgeschlagenen Initiativen, Maßnahmen und Partnerschaften sich gegenseitig ergänzen und unterstützen, um die bestehenden Herausforderungen anzugehen.

Die G20-Initiative für ländliche Jugendbeschäftigung und die #eSkills4Girls-Initiative unterstreichen zu Recht die Chancen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Allerdings braucht es einen umfassenderen Ansatz zur digitalen Entwicklung in Afrika. Dieser sollte über die Diskussion von Infrastrukturmaßnahmen und neuen Geschäftsmodellen hinausgehen und sich auch mit den Herausforderungen des digitalen Wandels auseinandersetzen, wie etwa mit Fragen der Datensicherheit und des Datenschutzes, Cybersicherheit, gesellschaftlichem Wandel in Zusammenhang mit der Allgegenwart der Digitalisierung sowie möglichen Veränderungen in den globalen Wertschöpfungsketten und der Frage, was diese für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung in afrikanischen Ländern bedeuten könnten.

Säule 2: Entwicklung hochwertiger Infrastruktur insbesondere im Energiesektor

In der zweiten Säule würdigt die G20-Afrika-Partnerschaft die Bedeutung von Infrastrukturen und des Managements natürlicher Ressourcen als wichtige Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung und für das Wohlergehen der Menschen in Afrika. Im Mittelpunkt stehen hier der Zugang zu Energie und nachhaltige Energiesysteme. Die G20-Mitglieder haben bekräftigt, ihren Aktionsplan für Zugang zu Energie, der ein Ergebnis des Gipfels in Brisbane 2014 war, weiter umzusetzen. Die G20 bieten zudem eine freiwillige Unterstützung für die bereits laufenden Bemühungen der Initiative Erneuerbare Energie für Afrika (AREI) und für das Projekt Zugang zu Erneuerbaren Energien (REAP) der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) an. Diese Bemühungen sollen den Zugang zu erneuerbaren Energien beschleunigen und die Wende zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft erleichtern.

Die Erklärung der G20-Staats- und Regierungschefs liefert eine umfassende Analyse der Komplexität der Energiefrage. Sie geht darin auch auf die gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Belastungen und Risiken ein, die mit dem Einsatz von Biomassebrennstoffen und -techniken zum Kochen und zur Beleuchtung verbunden sind. Leider wird in der zweiten Säule der G20-Afrika-Partnerschaft nicht erwähnt, wie diese Belastungen vermindert werden könnten. Diese Auslassung ist bedauerlich, bedenkt man den hohen Prozentsatz der Menschen auf dem afrikanischen Kontinent, die auf Biomassebrennstoffe und -techniken angewiesen sind.

In einem kürzlich erschienen Artikel stellt Rebekah Shirley fest, dass bei den G20-Bemühungen um Zugang zu erneuerbaren Energien auf Worte nicht immer Taten folgen. Insbesondere weist sie darauf hin, dass die führenden Mitglieder finanzielle Verpflichtungen bisher nur unzureichend erfüllt haben. Viele Maßnahmen im Bereich der Entwicklung und Implementierung erneuerbarer Energieoptionen werden laut Shirley nach wie vor „nicht ausreichend unterstützt und finanziert“, sodass sie entlegene, ländliche Gebiete mit extrem unterversorgten Kommunen nur schwer erreichen. Es bleibt abzuwarten, ob der Verweis der G20 auf den Aktionsplan für Zugang zu Energie in der zweiten Säule der G20-Afrika-Partnerschaft die finanziellen Beiträge durch die G20-Mitglieder revitalisieren wird. Der Zugang zu sauberer und nachhaltiger Energie kann zudem schwerlich realisiert werden, wenn nicht klare Umsetzungs- und Governance-Mechanismen sowie nachhaltige Energietechnologien eingeführt werden. Gerechte und nachhaltige Energie für alle kann jedoch nicht ohne Kapital und entsprechende Investitionen in die Entwicklung von Infrastruktur, Kapazitäten und Institutionen ermöglicht werden. Überdies werden weitere Anstrengungen benötigt, damit Endabnehmer Energie so nutzen können, dass sie damit ihren sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen tatsächlich gerecht werden.

Säule 3: Compact with Africa – Stärkung der Rahmenbedingungen für private Finanzierung

Die Initiative „Compact with Africa” bildet die dritte Säule der G20-Afrika-Partnerschaft. Sie zielt darauf, durch Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen und des Geschäftsumfelds in afrikanischen Ländern private Investitionen, vor allem in Infrastrukturprojekte, zu fördern und auszuweiten. Die G20 heben hervor, der Compact with Africa sei „nachfragegesteuert und konzentriert sich auf die jeweiligen Gegebenheiten und Prioritäten in den einzelnen Ländern”. In einem ersten Schritt führt ein Land mit den beteiligten internationalen Organisationen, d.h. dem Internationalen Währungsfonds, der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Weltbank, Gespräche über mögliche Ziele des Investitionsabkommens und nationale Prioritäten und Beiträge. Das Land erklärt zudem  offiziell sein Bestreben, an einem Abkommen zu arbeiten. Anschließend werden konkrete Reformen und Maßnahmen festgelegt. Diese Maßnahmen werden in einem dritten Schritt in die Praxis umgesetzt. G20-Mitglieder, aber auch andere Partnerländer und -institutionen sind eingeladen, das Abkommen mit ihren eigenen Instrumenten und Maßnahmen zu unterstützen. Auf dem G20-Gipfel in Hamburg haben sieben Länder, nämlich die Elfenbeinküste, Äthiopien, Ghana, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien, ihre Bereitschaft und Vorstellungen für Investitionsabkommen präsentiert. Weitere Länder haben ihr Interesse bekundet.

Die Initiative hatte bereits im Vorfeld des Gipfels viel Kritik auf sich gezogen, mit der Begründung, sie gehe von der vereinfachenden Annahme aus, dass ausländische Direktinvestitionen dank Trickle-down-Effekt automatisch von oben nach unten zu den Ärmsten durchsickern würden (ein Entwicklungsmodell, das häufig die Erwartungen enttäuscht hat). Überdies werden die Investitionsabkommen zuerst mit Ländern geschlossen, die bereits im Begriff sind, die Herausforderungen von Struktur- und Wirtschaftsreformen zu meistern. Der an Bedingungen geknüpfte und ziemlich exklusive Charakter des Compact with Africa lässt daher befürchten, dass nur die Länder davon profitieren werden, die bereits jetzt attraktive Investitionsmöglichkeiten bieten, während andere Länder, die vor größere Herausforderungen gestellt sind, benachteiligt werden.

Auch lässt der Compact with Africa die Chance ungenutzt, Investoren dazu anzuhalten, die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) als Referenzrahmen für ihr Engagement in afrikanischen Ländern zu beachten. Dies könnte zum Beispiel erreicht werden, indem man Investoren Richtlinien und Anreize an die Hand gibt, damit sie einen Schwerpunkt auf die ökologischen und sozialen Erträge ihrer Investitionen legen. Nach dem Stand der Dinge bleibt es zudem, wie erwähnt, unklar, wie der Compact die anderen Säulen der G20-Partnerschaft mit Afrika stützen soll, und zwar insbesondere die Förderung der Jugendbeschäftigung und der inklusiven Entwicklung.

Säule 4: Konferenz zur G20-Afrika-Partnerschaft

Diese letzte Säule der Partnerschaft bezieht sich auf die Konferenz zur G20-Afrika-Partnerschaft, die im Juni 2017 in Berlin stattgefunden hat. Allerdings liefert sie keine Perspektive, ob und in welcher Form die Konferenz zur G20-Afrika-Partnerschaft weiterhin als Forum existieren wird, um die Debatte um die Ziele und Instrumente der Partnerschaft fortzuführen. Ein regelmäßiges Forum für den Austausch zwischen den G20 und afrikanischen Ländern könnte Engagement und Eigenverantwortung auf beiden Seiten stärken und die Weiterentwicklung und Justierung von Maßnahmen und Strategien zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung auf dem Kontinent voranbringen. Ein solches Forum sollte auch Jugendliche und Akteure aus der Zivilgesellschaft einbinden und sie ermutigen, aktiv zur Gestaltung dieser Partnerschaft beizutragen und zu einer Welt, in der sie leben wollen.

Was braucht es also für eine Partnerschaft mit Afrika? Die obige Analyse ist keineswegs erschöpfend, allerdings kristallisieren sich einige Punkte heraus, die zentral sind, um eine starke Partnerschaft aufzubauen und einen Wandel in den Beziehungen der G20 mit Afrika herbeizuführen. Diese sind: ein gemeinsames und umfassendes Verständnis von den derzeitigen und künftigen Herausforderungen und Chancen, gemeinsame Ziele und die klare Verpflichtung sowohl seitens der G20-Mitglieder als auch der afrikanischen Ländern, bestehende Probleme für die heutige Bevölkerung anzupacken und gleichzeitig die Bedürfnisse künftiger Generationen und den Schutz der Umwelt im Blick zu behalten. Ob die G20-Afrika-Partnerschaft ihrem Anspruch gerecht wird und einen bedeutsamen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in Afrika leisten kann, bleibt abzuwarten. Ihr Erfolg wird an den positiven Folgen für das Gemeinwohl und für die Lebensgrundlagen der einfachen Menschen in Afrika zu messen sein.

Foto oben: istock/czekma13

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