Headline: Koordinierte Weltinnenpolitik: Zusammendenken im atlantischen Raum

Von R. Andreas Kraemer und Camilla Bausch (Ecologic Institut)

Integration, das Zauberwort der EU, hat an Kraft verloren. Dennoch bleibt Integration noble Aufgabe aller progressiven Kräfte. Aber wie? Und mit wem? Die Zeit drängt, wegen Überhitzung der Erde, Verlust von Heimat und Migration und der Bedrohung westlicher Werte durch Kleptokratie, Illiberalität und Autokratie.

Neuseeland ist kulturell näher als geografisch

Integration hat zwei Dimensionen: erstens die Schaffung eines gemeinsamen Rechtsraumes und Marktes in einer quasi föderalen EU. Nächster Schritt wäre folgerichtig ein politischer Raum europäischer Identität, die Gemeinschaft der Europäer als Träger des Staatenverbundes. Wo aber endet Europa? CETA stärkt die Nachbarschaft zu Kanada, Neuseeland ist kulturell näher als geografisch, Frankreich grenzt zu Land an Brasilien. Die EU ist ein zivilisatorisches Projekt mit universellen Werten, globalen Interessen und nur vorübergehenden Grenzen.

Zweitens gibt es die Integration von Politikbereichen mit dem Ziel, Widersprüche aufzulösen, um mehr Kohärenz, Konsistenz und Kontinuität zu schaffen – knifflig, vor allem wenn es um Innen- und Außenpolitiken zugleich geht. Seit dem Vertrag von Maastricht ist die Einbeziehung der Belange des Umweltschutzes bei der Formulierung und Durchführung aller EU-Politiken, um so eine Entwicklung zur Nachhaltigkeit sicherzustellen, Aufgabe der EU. Seit 1992 hat sich dieses Gebot weit über den Umwelt- und Klimaschutz hinaus entfaltet; heute umspannt es alle Ressorts.

Die Energiewende liefert eine Blaupause

Nebenbei hat sich die Trennung von Innen-, Europa- und Außenpolitik überlebt, die Grenzen zwischen Ressorts und Geografien der Außenpolitik lösen sich auf. Das Zusammendenken von lokal und global öffnet den Blick auf die Erde und Menschheit im Ganzen und auf die planetaren Grenzen, ohne deren Beachtung nichts nachhaltig sein kann. Neue Gestaltungsräume zum Korrigieren von Fehlern und Koordinieren notwendiger Transformationen werden erkennbar.

Die Energiewende liefert eine Blaupause: Sie wurde global gedacht, lokal erprobt und dann regional, national und europäisch entwickelt, bis sie globale Wirkung entfalten und schließlich aus wirtschaftlichen Gründen ein Selbstläufer mit außen- und sicherheitspolitischen Nutzen werden konnte. Solche Transformationen braucht es auch bei Mobilität, Ernährung, Ressourcennutzung, Stadtentwicklung und anderen Bereichen; sie können nicht mehr von einzelnen Staaten gestaltet werden, sondern bedürfen internationaler Abstimmung, etwa in der G20.

Ähnlich ist es mit den Millionen Menschen, die unfreiwillig nach einer neuen Heimat suchen. Als Fluchtursachen haben die Überhitzung der Erde mit Anstieg des Meeresspiegels und Wüstenbildung, die Versauerung der Meere und der Verlust der Nahrungsgrundlage ihren Anteil. Diese Menschen haben schlicht keine Aussicht auf Rückkehr, und dem muss ein neuer Politik- und Rechtsrahmen für Migration, Flucht und Asyl Rechnung tragen.

Gerade jetzt, da die Beziehungen zu den USA überdacht werden müssen, bietet sich der größere atlantische Raum an. Der Süd- und Nordatlantik mit vier Kontinenten ist erstaunlich kohärent, von vier oder fünf eng verwandten Sprachen dominiert, von relativ ähnlichen Rechtssystemen geprägt und schon jetzt durch Familienbande, Reisen, Kommunikation, Handel und Investitionen stark integriert. Werte und Idealvorstellungen über Struktur und Funktionieren der Staatswesen und Rolle und Rechte von Bürgern sind homogen. Dazu ist der Atlantik vergleichsweise konfliktarm, ja sogar friedlich.

Wo, wenn nicht um den Atlantik, sollten eine bessere Integration von Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik für Nachhaltigkeit und die erforderlichen Transformationen gelingen.

Foto oben: istock/catsanddotcom

Dieser Artikel ist in dem Buch “Deutschlands neue Verantwortung” erschienen.

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