Headline: Ausschreibungen für erneuerbare Energien?

Wie toll sind Ausschreibungen für erneuerbare Energien? Schwer zu sagen ...

Das IASS hat die wohl umfassendste Übersicht zu den Ergebnissen von in jüngster Zeit durchgeführten Ausschreibungen für Erneuerbare-Energien erstellt. Die Studie, die hier abrufbar ist, füllt also eine entscheidende Lücke. Politiker werden sich für die Ergebnisse interessieren, damit sie ihre Politik künftig besser gestalten können – und die Studie wirft Licht auf einige überraschende Aspekte. Auch stellt sich die Frage: Wenn die Resultate von Ausschreibungen kaum analysiert wurden, warum glauben dann so viele Politiker, sie seien großartig?

Jeder – das heißt jeder politisch Interessierte –, der die Entwicklung der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren verfolgt hat, wird bemerkt haben, wie rapide die Preise gesunken sind. Im August hat Chile Dubais Rekord für Strom aus Photovoltaik geschlagen, beide liegen nun erstmals unter 3 US-Cent pro Kilowattstunde. Aber nur wenige Wochen später ergab eine Ausschreibung in Abu Dhabi 2,4 US-Cent – und unterbot damit den vorherigen Rekord um 20 Prozent. Dasselbe erleben wir bei anderen erneuerbaren Energiequellen; diesen Sommer lieferte eine Ausschreibung in den Niederlanden einen Preis von 8 US-Cent für Offshore-Windkraft, der um rund 30 Prozent unter dem vorherigen Rekord liegt.

Analysten behaupten schnell, die Einführung von Ausschreibungen sei der Hauptgrund für die sinkenden Preise. Ein bekannter Vertreter dieser These ist Michael Liebreich von BNEF (beginnend bei Minute 5:30 in diesem Vortrag zum Beispiel). Aber während Liebreich zeigt, dass sich Ausschreibungen als politisches Instrument global ausbreiten (Ren21 zufolge in rund 60 Ländern), sind die Förderregelungen in Ländern mit bedeutenden Installationsraten immer noch recht unterschiedlich. Zum Beispiel installierten 22 Länder 2013/2014 200 MW oder mehr an Windleistung, aber nur 6 von ihnen nutzten in diesen Jahren Ausschreibungen als nationales Fördersystem. Bei Photovoltaik sieht es ähnlich aus.

Den Autoren (Benjamin Bayer, Dominik Schäuble und Michele Ferrari) ging es nicht darum, eine vollständige Analyse und einen Vergleich aller Länder mit Ausschreibungen für Erneuerbare zu liefern. Stattdessen haben sie vier Länder ausgewählt, die in diesen beiden Jahren in erheblichem Umfang Windenergie oder Photovoltaik mit Hilfe von Ausschreibungen ausbauten: Brasilien, Frankreich, Italien und Südafrika.

Die beiden bedeutendsten Länder hinsichtlich des Ausbaus erneuerbarer Energien sind jedoch China und die Vereinigten Staaten. China verwendet immer noch vorwiegend Einspeisevergütungen (FITs), während die Vereinigten Staaten auf der Ebene der Bundesstaaten unterschiedliche Maßnahmen ergreifen – Ausschreibungen für Stromabnahmeverträge (power purchase agreements, PPA), aber auch Steueranreize vor allem für Wind, die mit Einspeisevergütungen mehr gemeinsam haben als mit Ausschreibungen, wie Simon Müller von der IEA in seinen Präsentationen gerne betont. (Die IASS-Studie lässt Ausschreibungen in den Vereinigten Staaten außen vor, weil diese nicht Bestandteil der Bundespolitik sind, sondern von den Bundesstaaten oder sogar von den Energieversorgern organisiert werden.)

Die Autoren haben vier Indikatoren betrachtet:

  1. Realisierungsraten (wurden die Projekte [termingerecht] fertiggestellt?)
  2. Marktkonzentration (wie viele Gewinner gab es und wie hoch ist ihr Marktanteil?)
  3. Marktteilnahme kleiner Akteure und
  4. Auktionspreise.

Der dritte Punkt mag Menschen außerhalb Deutschlands ungewöhnlich erscheinen. In Deutschland herrscht Sorge wegen der Auswirkungen des Wechsels von Einspeisevergütungen zu Ausschreibungen auf kleinere Bieter. Kleine und mittelständische Unternehmen, Neulinge und Bürgerenergiegenossenschaften waren die treibenden Kräfte der Energiewende, aber Deutschland bildet hier die Ausnahme. Die Studie stellte fest, dass es zum Beispiel in Brasilien und Südafrika vor und nach der Einführung von Ausschreibungen nur wenige kleine Marktteilnehmer (< 50 MW) gab. Und außerdem? Die Daten aus Italien lassen eine solche Analyse gar nicht erst zu.

Projektrealisierungsraten

Die Autoren stießen in allen Kategorien auf Hindernisse bei der Datenverfügbarkeit. Für die Realisierungsraten gab es nur für Brasilien eine gute Datenlage. Dort lag die termingerechte Fertigstellung mit 14 Prozent am niedrigsten. Andererseits rechnet man bei 89 Prozent der Projekte mit ihrer Realisierung (nur nicht termingerecht). Die Gründe lagen aber nicht immer in einer unzulänglichen Auktionsgestaltung. Verzögerungen beim Netzausbau, Auflagen zum Anteil inländischer Wertschöpfung und die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen sorgten in Brasilien für Verspätungen. Politiker können solche Probleme mit gutem Auktionsdesign und begleitenden Regelungen lösen; allerdings sorgten auch individuelle Gegebenheiten (wie etwa Insolvenzen oder schlechtes Projektmanagement) für Verzögerungen, und dagegen kann die Politik nicht viel ausrichten.

Im Gegensatz dazu war schwer zu beurteilen, warum es in Frankreich zu Verspätungen/Abbrüchen kam, wo nur 44 Prozent der Projekte bei Abschluss der Studie fertiggestellt waren. Hier werden leider nur die bezuschlagten Volumina angegeben, nicht aber die Firmen, die hinter den Zahlen stehen. Die Forscher konnten also nicht wirklich abschließende Ergebnisse vorlegen. Bemerkenswert ist, dass alle Projekte in Südafrika fristgerecht realisiert wurden.

Marktkonzentration

Ferner besteht die Sorge, dass Ausschreibungen zu einem Preiskampf und scharfem Verdrängungswettbewerb führen, das heißt, die Preise sinken so stark, dass (kleine) Wettbewerber den Markt verlassen, woraufhin das überlebende Oligopol die Preise anhebt. Die extrem niedrigen Gebote in Brasilien, die 2013 für Aufsehen sorgten, haben jedoch die Marktkonzentration nicht vorangetrieben; die Forscher stellten fest, dass der Anteil der großen Fünf in Brasilien und Italien von 59 Prozent auf 37 bzw. 33 Prozent fiel. Südafrika begann mit einer höheren Konzentration von 80 Prozent, die jedoch auf 65 Prozent zurückging.

Hier stellt sich die Frage, wie was gezählt wird. Der deutsche Bundesverband WindEnergie (BWE) zählte acht Gewinner in der ersten Auktionsrunde in Südafrika und nur vier in der zweiten, was nach einer Verringerung von 50 Prozent aussieht. Aber unsere Forscher heben hervor, dass alle vier erfolgreichen Bieter der zweiten Runde neue Gewinner waren, die in der ersten Runde leer ausgegangen waren, insgesamt gingen also zwölf Gewinner aus den beiden Runden hervor – und die Zahl der Gewinner stieg in der zweiten Runde um 50 Prozent. Überdies stellen die Autoren fest, dass der Wettbewerb hoch blieb; die vierte Runde war immer noch fünffach überzeichnet. Auch hier werden aus Frankreich keine Daten zu einzelnen Firmen geliefert. In jedem Fall erklären die Autoren, dass sie derzeit keine Anzeichen für eine wachsende Marktkonzentration durch Auktionen feststellen.

Sind wenigstens die Preise gesunken?

Ja – und zwar erheblich. Inflationsbereinigt sanken sie in Frankreich um 35 Prozent, in Italien um 27 Prozent und in Südafrika um 55 Prozent (Wind) sowie um 87 Prozent (PV). In Brasilien aber stiegen sie und kehrten annähernd auf das Preisniveau von 2009 zurück. Andererseits stellten die Forscher fest, ob die Preise nun stiegen oder fielen, wichtige Gründe dafür sind außerhalb des politischen Instruments zu finden.

Die höheren Preise in Brasilien sind teilweise darauf zurückzuführen, dass der Brasilianische Real gegenüber Euro/Dollar an Wert verlor und die Kosten für den Netzausbau auf die Anlagenbetreiber übertragen wurden. Unterdessen sanken in diesen Jahren die Kosten für PV und Wind weltweit unabhängig davon, welches politische Instrument jeweils eingesetzt wurde.

Andere Faktoren, die ebenfalls nichts mit dem Auktionsdesign zu tun haben, spielten ebenfalls eine große Rolle. Zum Beispiel sorgte die Marktreife im jeweiligen Land, etwa Südafrika, für sinkende Preise. Dasselbe gilt für die Zinssätze; der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz (weighted average cost of capital, WACC) spielt insbesondere für Wind und Solar, die keine Brennstoffkosten haben, eine ganz erhebliche Rolle, denn fast die gesamten Kosten fallen beim Bau an. Schlicht gesagt, Länder mit niedrigeren Zinsen kommen bei Wind und Sonne billiger weg – ob mit oder ohne Ausschreibungen.

Und auf den wichtigsten Faktor für den Preis hat die Politik natürlich auch keinen Einfluss: die Ressourcenqualität. Ein Standort mit hervorragender Windhöffigkeit oder vielen Sonnenstunden dürfte zu geringeren Stromerzeugungskosten führen. Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Chile, Brasilien usw. haben mit die besten klimatischen Voraussetzungen der Welt, und sie sind weitgehend unerschlossen. Länder mit mäßigen Voraussetzungen – oder Länder deren beste Standorte bereits genutzt werden – dürfen nicht erwarten, ein ähnlich niedriges Preisniveau zu erzielen, nur indem sie Ausschreibungen einführen.

Wer wie Liebreich Ausschreibungen als Hauptgrund hochstilisiert, warum Wind- und PV-Preise fallen, sollte sich klarmachen, dass er der Sache einen Bärendienst erweist. Die Stromgestehungskosten (Levelized Costs of Electricity, LCOE) eines Projekts allein sind nicht sehr aussagekräftig – oder, wie es in der Studie heißt: „Niedrige Preise sind für sich kein sinnvoller Maßstab, um zu beurteilen, ob Ausschreibungen ein geeignetes Instrument zur Förderung der Erneuerbaren darstellen.“

Zu welchem Schluss kommt die Studie letztlich?

Wie toll sind denn nun Auktionen? Die Ergebnisse waren breit gefächert: fristgerechte Realisierung in Brasilien nur bei mageren 14 Prozent, in Südafrika hingegen bei 100 Prozent; sinkende Preise in Südafrika und Italien, hingegen steigende Preise in Brasilien usw. Die Ergebnisse fielen je nach Land und Kontext unterschiedlich aus. Die Autoren stehen vor einer unübersichtlichen Situation, aus der sich nur schwer ein Fazit ziehen lässt. „Das Bundesministerium für Wirtschaft möchte wissen, wie Auktionen gestaltet werden sollen“, erklärte mir Koautor Dominik Schäuble für diesen Bericht. „Unsere Studie rät dem Ministerium, nicht nur die Auktionsgestaltung zu beachten, wenn man gute Ergebnisse erzielen will. Sehr viele ‚externe’ Faktoren spielen eine wichtige Rolle.“

Die Bundesregierung führte Auktionen ein, nachdem Politiker jahrelang Mühe hatten, dem Abwärtstrend der Solarpreise durch Anpassung der Einspeisevergütung hinterher zu jagen. Über Jahre hinweg erzielten die Solarvergütungen in Deutschland hohe Gewinnspannen. „Aber Ausschreibungen können nur dann engere Gewinnspannen garantieren, wenn es genügend Bieter gibt“, erklärt Koautor Benjamin Bayer. Im Lichte aller externen Faktoren „zeigt sich der Erfolg von Ausschreibungen am besten in den Gewinnen der Entwickler, nicht im Endpreis.“

Und nun wird es knifflig: Zu den Gewinnspannen liegen keine Angaben vor. Solange solche Vergleiche nicht möglich sind, so die Autoren, dürfen die Auktionspreise allein nicht als Zeichen für den Erfolg einer Maßnahme gewertet werden.

Foto oben: Der Preis für Solarenergie ist in den letzten Jahren gesunken. Sind Ausschreibungen der Grund dafür? © Wayne National Forest/CC BY 2.0

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