Headline: Düstere Aussichten für die Kohle

König Kohle – wie der meistgenutzte und billigste fossile Brennstoff gern genannt wird – tritt in ein wichtiges, vielleicht entscheidendes Stadium ein. Der Kohleverbrauch ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, weil die Stromerzeugung mit klimaschädlicher Kohle zunehmend auf Ablehnung stößt. Die globale Opposition speist sich aus verschiedenen Quellen: politische, ethische und ökonomische Kampagnen zielen auf ein künftiges Energieszenario, in dem aus Kohle gewonnene Energie keine Rolle mehr spielt.

Am 24. September erklärte der chinesische Präsident Xi Jinping in Washington – zur Vorbereitung auf die Pariser Klimakonferenz –, China werde 2017 ein nationales Programm einführen, das Treibhausgasemissionen mit einem Preis versieht. Die Ankündigung erfolgte auf einem Gipfeltreffen mit Präsident Obama und ist Teil des ehrgeizigen Plans der USA und Chinas, im Kampf gegen den Klimawandel ihren internationalen Einfluss geltend zu machen und andere Staaten entsprechend unter Druck zu setzen. Die chinesische Wirtschaft ist nach wie vor auf billigen Kohlestrom angewiesen. Dennoch ist der Kohleverbrauch seit 2014 stark zurückgegangen, und im ersten Halbjahr 2015 hat China weniger als 100 Millionen Tonnen Kohle importiert (Braun- und Steinkohle), ein Rückgang von mehr als 38 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr.

Papst Franziskus sieht die dringende Notwendigkeit, Kohle zu ersetzen

Das Epizentrum der Kohlekrise befindet sich in den Vereinigten Staaten. Dazu hat die rapide Entwicklung der Schiefergasförderung, die für die USA den Weg zur Energieautarkie ebnet und das Land zum Kohleexporteur macht, ganz erheblich beigetragen. Der Kohlepreis liegt derzeit bei rund 40 Dollar pro Tonne und damit um 70 Prozent niedriger als 2008. In nur vier Jahren haben die wichtigsten Kohlekonzerne der Welt 125 Milliarden Dollar eingebüßt.

In jüngster Zeit erregte die unerwartete Kritik durch eine hochangesehene Persönlichkeit – Papst Franziskus – größtes Aufsehen: In seiner Enzyklika Laudato Si’ stellt der Papst fest, „[w]ir wissen, dass die Technologie, die auf der sehr umweltschädlichen Verbrennung von fossilem Kraftstoff – vor allem von Kohle, aber auch von Erdöl und, in geringerem Maße, Gas – beruht, fortschreitend und unverzüglich ersetzt werden muss“. Da haben wir’s – vor allem Kohle! Franziskus, der sich nach Franz von Assisi benannt hat, einem Heiligen, der für seine Naturverehrung berühmt ist – tritt in aller Welt für seine Positionen in Umweltfragen ein. Auf seinen Reisen, unlängst nach Südamerika, Kuba und in die Vereinigten Staaten, betont der Papst in seinen Predigten und im persönlichen Gespräch mit Staatsführern stets, wie wichtig es ist, „Mutter“ Erde und „Schwester“ Natur zu respektieren.

Norwegen wendet sich von der Kohle ab

In Deutschland hat der Energiekonzern Vattenfall die vorgesehene Ausweitung des Braunkohletagebaus Nochten in Sachsen und die damit verbundene Umsiedlung der betroffenen Bürger auf Eis gelegt. Der Plan sah vor, den Tagebau Nochten durch Nochten II zu ergänzen und zu diesem Zweck rund 1700 Menschen umzusiedeln, die in Gemeinden auf dem vorgesehenen Gebiet leben. Der Hauptgrund für den Umsiedlungsstopp seien „die unsicheren energiepolitischen Rahmenbedingungen um die Braunkohle in Deutschland“, erklärte Vattenfall im vergangenen Juni. Für die Umweltorganisation Greenpeace ist diese Entscheidung längst überfällig und die Tage der Braunkohle in Deutschland sind gezählt.

Aber der vielleicht härteste Schlag kommt aus Norwegen. Im Mai beschloss das norwegische Parlament, sämtliche kohlebezogenen Investitionen im 900 Milliarden Dollar (825 Milliarden Euro) schweren staatlichen Pensionsfonds zu veräußern, der als größter Staatsfonds der Welt gilt. Schätzungen zufolge wird Norwegen damit mehr als 8 Milliarden Dollar aus der Kohlebranche abziehen. Der größte zu veräußernde Einzelposten ist dabei der britische Stromversorger SSE, von dem der Fonds Aktien im Wert von 956 Millionen Dollar hält. Zudem wird der Fonds seine Beteiligung an Drax, dem Betreiber der größten Kohlekraftwerke Großbritanniens, im Wert von 49 Millionen Dollar verkaufen. Betroffen sind ferner die deutschen Energieriesen E.ON (685 Millionen Dollar) und RWE (320 Millionen Dollar) sowie das dänische Unternehmen Dong (30 Millionen Dollar), das oft mit Windenergie in Verbindung gebracht wird, aber auch ein umfangreiches Kohlegeschäft betreibt.

Kann Kohlendioxidabscheidung die Kohle retten?

Angesichts der geschilderten Entwicklung sucht die Kohlebranche nach neuen Märkten wie Thailand, Indonesien, Vietnam, Südafrika, Dubai und vor allem Indien, wo der Kohleverbrauch im vergangenen Jahr um 11 Prozent anstieg. Die wichtigsten Prognosen und Ausblicke sagen jedoch vorher, dass diese neuen Märkte nicht genügen werden, um die weltweite Marktschrumpfung auszugleichen. Überdies ist abzusehen, dass wenigstens in OECD-Ländern auch der Zubau hocheffizienter Kohlekraftwerke der jüngsten Generation – die weniger NOx und SOx und um 20 Prozent weniger Kohlendioxid freisetzen – zurückgehen wird. Das liegt daran, dass selbst bei diesen Anlagen die CO2-Emissionen pro erzeugte Kilowattstunde als zu hoch gelten.

Im Energiemix der Zukunft wird die Kohle nur dann eine Rolle spielen, wenn sie mit geschlossenen Kohlenstoffkreisläufen kompatibel gemacht werden kann, die den Anforderungen einer künftigen Energieversorgung durch 100 Prozent Erneuerbare gerecht werden. In dieser Hinsicht ist die Kohlendioxidabscheidung, und insbesondere das Oxyfuel-Verfahren, hinlänglich ausgereift, um Kohlestrom fast ohne CO2-Emissionen zu ermöglichen („grüne Kohle“). Die künftige Herausforderung besteht darin, Wege zu finden, wie die riesigen Mengen an abgeschiedenem CO2 wiederverwendet werden können, um in der nachhaltigen ökologischen Ökonomie der Zukunft Materialien und Brennstoffe zu erzeugen.

Header-Photo: Martin Schmid/CC BY-ND 2.0

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