"Wir sind alle Teil der Lösung"
07.07.2025
Das Programm "Kunst und Medien" des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), die Stadt Potsdam und das Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am GFZ haben das neue Stipendium "Planetary Transitions: Potsdam Artist Residency" vergeben. Die Jury hat die Bewerbung der Architektenteams Sam Spurr und Eduardo Kairuz ausgewählt. Während ihres Stipendiums wird das australische Duo an dem Projekt "Lithium Unearthed: Navigating the Hope and Hazards for a Green Future" arbeiten. In diesem Interview sprechen die beiden über ihr Projekt, ihren Ansatz und was sie erreichen wollen.

Das Thema Ihres Stipendiums heißt "Lithium unearthed - Navigating the Hope & Hazards for a Green Future" - was bedeutet das?
Eduardo Kairuz: Lithium ist für die Energiewende unerlässlich, weil wir dekarbonisieren müssen. Es ist mit das wichtigste Material in diesem Übergang, denn nach derzeitigem technischem Stand sind Lithiumbatterien die beste Möglichkeit, Energie aus erneuerbaren Quellen zu speichern. Lithium steckt in so ziemlich allem, was wir mit einer Batterie aufladen können: Elektrofahrzeuge, Alltagsgeräte, unsere Telefone, Laptops, Smartwatches, Aufzuggebläse, elektrische Rollstühle und wo weiter – Lithium steht für eine grüne Zukunft, eine dekarbonisierte Zukunft. Das ist die eine Seite des Bildes.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass dieses Metall irgendwo abgebaut werden muss. Derzeit liegen die größten Vorkommen in Chile, Argentinien und Bolivien, dem sogenannte Lithium-Dreieck. Es gibt auch riesige Reserven im Südwesten Australiens, in den USA und in China. Aber die Gewinnung ist nicht ungefährlich und verursacht eine Menge Schaden, vor allem für lokale Gemeinschaften, die in der Nähe dieser Minen leben. Diese Schäden sind unökologisch und umweltschädlich. Es wird eine Menge Wasser benötigt und in Chile heiliges Land indigener Völker entweiht. Das ist die Gefahr. Für uns stellt sich nun die Frage, wie wir dieses Problem visualisieren.
Sam Spurr: Wir versuchen nicht, Lösungen für diesen Konflikt oder diese Komplexität zu finden. Aber es muss eine kritische Diskussion darüber geführt werden, woher Lithium kommt, wie die Lieferketten aussehen und was es bewirkt. Die Art und Weise, wie wir uns mit einigen dieser Fragen auseinandersetzen, dreht sich um seine Unbeständigkeit. Unser Vortrag zum Thema heißt daher "Volatilität" (Anm.: Flüchtigkeit, Unbeständigkeit), weil das Material selbst flüchtig ist. Jeder hat schon von den Explosionen bei Elektrofahrzeugen, E-Bikes und anderen Gadgets gehört.
Mit der Idee der Volatilität erfassen wir viele der Themen und der Kontroversen, die mit Lithium verbunden sind. Es gibt eine ökonomische Volatilität, die in schwankenden Aktienkursen und Präferenzen der Investoren enthalten ist. Soziale und politische Volatilität verkörpern prominente Persönlichkeiten, von denen Elon Musk der berühmteste ist. Er ist ein großer Befürworter von Lithium, der es - ich glaube, ich weiß nicht, ob er der erste war - als "weißes Gold" bezeichnete oder Lithium als das neue Öl.
Wie gehen Sie an das Thema heran?
Eduardo Kairuz: Wir gehen gerne in Archive und beginnen zu verstehen, was der Ursprung dieser Materialien ist. In diesem Fall war es interessant, all diese Parallelgeschichten zu entdecken.
Das Material ist nicht nur jetzt wichtig, sondern war es früher schon, weil es im Wellnessbereich für Lithium-Wasserbäder verwendet wurde, in denen sich die Menschen wohl fühlten. Später wurde es für die Behandlung bipolarer Störungen genutzt und wird es immer noch. Es ist faszinierend für uns, diese weniger offensichtlichen Zusammenhänge zu finden. Mit dem Erforschen der Geschichte von Lithium beginnt unser Ansatz. Der nächste Schritt besteht darin, diese Hintergrundinformationen zu verarbeiten und Bilder zu produzieren.
Andererseits kann unsere Arbeit sehr technisch sein - wie bei der Ausstellung Fossil Fables, die wir im Jahr 2023 gezeigt haben. Für dieses Projekt haben wir 3D-Modelle von Tagebauen erstellt. Dazu mussten wir Satellitenbilder sammeln, digitale Höhenmodelle verarbeiten und diese Daten in detaillierte dreidimensionale Visualisierungen umwandeln. Es gibt keinen einheitlichen, festen Prozess - wir passen unsere Methode je nach Kontext, Material und Geschichte an.
Sie sind beide Architekten - inwiefern spielt dieser Beruf bei dem Projekt eine Rolle?
Sam Spurr: Das ist der entscheidende Punkt. Wir haben beide Architektur studiert und lehren Architektur, bringen also eine architektonische Sichtweise auf das Problem mit. Wir haben das Global Extraction Observatory (GEO) gegründet, weil wir der Meinung waren, dass wir als Architekten besondere Fähigkeiten für die Klimakrise mitbringen. Wir alle kennen die Fakten des Klimawandels schon seit langem. Warum kümmern sich die Menschen nicht darum? Wie können wir unsere Fähigkeiten, die wir als Architekten erlernt und entwickelt haben, in diese Diskussion einbringen?
Sie sind die Gründer des Global Extraction Observatory - wie kam es dazu? Wie haben Sie beide sich kennengelernt?
Eduardo Kairuz: Ich bin 2009 aus Venezuela nach Australien ausgewandert. ich fing an, mit einer Gruppe von unglaublichen Leuten zu arbeiten, Sam war eine davon. Wir haben sehr gut zusammen kooperiert, was zu unserer ersten Zusammenarbeit in der Lehre führte. Wir blieben in Kontakt und sind uns Jahre später in Melbourne bei einer Veranstaltung über den Weg gelaufen...
Sam Spurr: ...zu dieser Zeit diskutierten wir über die Adani-Mine, eine sehr große Mine im Norden Australiens in Queensland, einem Ort namens Galilee Basin. Es sollte eine der größten Kohleminen der Welt werden, die über 60 Jahre hinweg mehr Kohle fördern sollte als alle Kohleminen der Welt zusammen. Wir teilten die Frustration darüber und waren erstaunt, dass es nicht genügend Protest oder Aktionen dagegen gab. Wir fragten uns: Was können wir dagegen tun - wir sind nur Architekten, können wir wirklich nichts tun? Wie können wir mit unseren Fähigkeiten beitragen? Wir behaupten nicht, dass Architektur das Problem lösen wird. Wir versuchen nur, einen Beitrag zu leisten. Aber unsere Abscheu über die Kohlemine war die Geburtsstunde von GEO und einer engeren Zusammenarbeit.
Was kann eine Ausstellung oder Performance, wie Sie sie konzipieren, in Ihren Augen erreichen?
Eduardo Kairuz: Es geht darum, das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen. Wir alle glauben, dass die Menschen über diese Dinge Bescheid wissen, aber das ist oft nicht der Fall. Daher wollen wir das Bewusstsein schärfen und den Menschen ein Verständnis der Zusammenhänge vermitteln. Das ist, was wir erreichen können.
Sam Spurr: Diese Performance-Vorlesungen enthalten provokative Elemente, wir versuchen, das Publikum herauszufordern. Manchmal verwenden wir konfrontierende Bilder, wir werfen Fragen auf. Nach diesen Vorträgen scheinen die Leute in der Fragerunde oft frustriert zu sein, weil wir keinen Ausweg oder eine Lösung anbieten. Denn die Lösungen gibt es bereits: Die Wissenschaft sagt uns, was wir tun müssen. Und wir sind alle ein Teil der Lösung!
Nächster Termin:
Global Extraction Observatory - Vortrag am Dienstag, 8. Juli 2025 um 18 Uhr im Brandenburg Museum
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