Forschungsinstitut für
Nachhaltigkeit | am GFZ

Das Unsichtbare sichtbar machen

01.10.2025

Fellow Angela Lee ist Architektin und Professorin in Frankreich. Mit ihrer Arbeit verbindet sie Design, Ökologie, Materialien und partizipative Praxis miteinander. Sie leitet das Studio HAAU – was auf Kantonesisch „Fermentation” bedeutet –, ein interdisziplinäres Design- und Forschungsbüro, das an der Schnittstelle von Architektur, Urbanismus, Landschaftsgestaltung und systemischem Design tätig ist. In diesem Interview spricht sie über ihre Forschung, ihr Projekt am RIFS und ihre bevorstehende Veranstaltung auf der Berlin Science Week am 9. November 2025.

Angela Ka Ki Lee Fellow
Fellow am RIFS: Architektin Angela Lee.

Was ist Ihr Hintergrund und Ihr Forschungsinteresse?
Angela Lee: Ich bin Architektin in Frankreich und Professorin für Architektur. In den vergangenen Jahren habe ich mich in meiner Forschung auf die Biodiversität in der bebauten Umwelt konzentriert. Mein Hauptaugenmerk liegt darauf, eine Brücke zwischen akademischer Forschung und praktischer Anwendung zu schlagen. Eine wichtige Erkenntnis aus dem Aufbau eines experimentellen Systems ist, welches Bestäuber, Pflanzen und Tiere in die Architektur integriert, dass es viele Missverständnisse darüber gibt, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet.

An welchem Projekt arbeiten Sie während Ihrer Zeit als Fellow bei uns?
Angela Lee: Meine akademische Arbeit hat sich zunehmend auf Dinge konzentriert, die wir nicht sehen können – Energieflüsse und andere Formen des „Stoffwechsels”, die der bebauten Umwelt zugrunde liegen. Das Projekt, das ich am RIFS entwickeln werde, heißt „Tracing Invisible Infrastructure” (Unsichtbare Infrastruktur aufspüren) und wird verborgene Energienetzwerke als sozioökologische Infrastrukturen mit politischen und kulturellen Konsequenzen analysieren.

Wie gehen Sie an das Thema heran? 
Angela Lee: Ich beginne damit, das Unsichtbare „aufzuspüren” – ich kartiere Energieflüsse, Förderprozesse, Geo-Ressourcen und soziopolitische Akteure, die sie aufrechterhalten. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der geowissenschaftlichen Forschung, die am GFZ durchgeführt wird. Als Architekten hören wir, wie viele andere auch, viel über nachhaltige Energie, aber oft auf eine etwas abstrakte Weise. Ich versuche, diese Abstraktion in eine greifbare Erfahrung zu verwandeln – etwas, das wir in der realen Welt sehen, berühren und fühlen können. Die Herausforderung besteht darin, Erkenntnisse verschiedener Experten zusammenzufassen. Dazu übersetze ich Interviews in Schnittzeichnungen – Visualisierungen, die sowohl in der Architektur als auch in der Geologie üblich sind. Wenn wir beispielsweise betrachten, was unter unseren Füßen liegt, sieht ein Geochemiker Verfall und Wechselwirkungen über einen langen Zeitraum hinweg, während ein Soziologe abstrakte geopolitische Beziehungen feststellt.

Sie sehen ein Gebäude also nicht nur als Struktur, sondern als lebenden Organismus?
Angela Lee: Genau. Ich betrachte Gebäude als Netzwerke metabolischer Prozesse. Gebaute Umgebungen sind Repräsentationen abstrakter Kräfte – Politik, Kultur, Wirtschaft und Technologien. Die Frage ist also: Wie manifestiert sich die Bewegung zur Nachhaltigkeit in der realen Welt und wie erleben wir sie auf persönlicher Ebene?

Sie haben ein experimentelles Bauprojekt in Paris erwähnt. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Angela Lee: Es handelte sich um ein Bürogebäude mit einer Fassade, die Vögeln, Insekten und sogar einem Dachwald Lebensraum bot. Das Gebäude selbst ist zwar interessant, aber der eigentliche Wert lag im Entstehungsprozess – einem wirklich transdisziplinären Design, an dem Ökologen, Bodenspezialistinnen, Ingenieure und andere beteiligt waren. Dieses Projekt veranlasste mich später zu Überlegungen wie: Was ist die Ästhetik des sogenannten „nachhaltigen Designs” und seines damit verbundenen Ressourcenverbrauchs? Wie navigieren wir zwischen globalen und lokalen Ressourcen für die Energiewende in einer sich verändernden Welt?

Was kann das Publikum von Ihrem Beitrag zur diesjährigen Berlin Science Week erwarten?
Angela Lee: Bei unserer Veranstaltung „Tracing the Invisible” im Rahmen der Berlin Science Week möchten wir Menschen außerhalb der Expertengemeinschaft ansprechen. Wir konzentrieren uns darauf, eine verständliche Sprache zu finden und einen Dialog zwischen verschiedenen Perspektiven zu schaffen. Ich werde mit einfachen, nachvollziehbaren Fragen beginnen, um alle mit dem Thema vertraut zu machen. Fragen wie: „Fühlen Sie sich in diesem Raum warm oder kalt?” Der Workshop zielt darauf ab, zu verstehen, wie Menschen Energie in einem materiellen Sinne wahrnehmen, und geht dabei über Daten und Grafiken hinaus.

Was bietet Ihnen das RIFS, was andere Institutionen nicht bieten können?
Angela Lee: Das RIFS vereint eine außergewöhnliche Mischung von Disziplinen – Menschen, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit Energie befassen, darunter auch aus einer wichtigen soziologischen Perspektive. Meine Arbeit hat sich schon immer mit partizipativem Design und gesellschaftlichem Engagement befasst, worauf auch am RIFS Wert gelegt wird. Zweitens ist die Verbindung zum GFZ von unschätzbarem Wert. Ich schätze diese Brücke zwischen Sozialwissenschaften und Geowissenschaften, weil meine architektonische Arbeit genau dazwischen liegt – sie verbindet philosophische Ideen, sozialräumliche Organisation, Geomaterialien und Energiesysteme.

Mehr über die Veranstaltung im Rahmen der Berlin Science Week (Anmeldung erforderlich): Tracing the Invisible


 

 

Kontakt

M. A. Sabine Letz

Referentin Presse
sabine [dot] letz [at] rifs-potsdam [dot] de

Angela Lee

Fellow
ka [dot] ki [dot] lee [at] rifs-potsdam [dot] de
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