Wege für ambitionierte Nachhaltigkeitspolitik in schwierigen Zeiten
08.12.2025
Mehr als 300 Teilnehmende, 52 Sessions, transdisziplinärer Austausch, künstlerische Interventionen: Bei der RIFS-Konferenz „Tough Conversations in Tough Times” („Schwierige Gespräche in schwierigen Zeiten“) vom 3. bis 5. Dezember diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung, Politik, Zivilgesellschaft und Praxis Wege, um mit dem Widerstand gegen eine ambitionierte Nachhaltigkeitspolitik umzugehen, der in der öffentlichen Debatte immer lauter wird. Die Themen reichten von demokratischen Innovationen und nachhaltigem Konsum bis hin zu den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Nachhaltigkeitstransformation.
RIFS-Direktorin Doris Fuchs erläuterte die Motivation für die Konferenz: Über Themen wie Konsumgrenzen und Machtasymmetrien zu sprechen, sei schon immer schwierig gewesen. Aber aktuell hätten Themen wie Krieg und geopolitischer Wettbewerb die Nachhaltigkeitstransformation in den Hintergrund gedrängt: „Wir sprechen nicht mehr so sehr über das ‚Wie‘ der Transformation, sondern über das ‚Ob‘.“ Diese Situation besser zu verstehen und Auswege zu finden, sei das Ziel der Konferenz.
RIFS-Direktor Mark Lawrence gab drei Leitfragen für die Diskussionen vor: „Was sind die Ursachen für die derzeitige Gegenbewegung gegen nachhaltigkeitsorientierte Transformationen? Welche Strategien brauchen wir, um dieser Gegenbewegung entgegenzuwirken? Und schließlich: Welche Kenntnisse und Forschungsergebnisse benötigen wir, um angesichts dieser herausfordernden Zeiten gerechte, nachhaltigkeitsorientierte Transformationen zu fördern?“.
Dass diese Fragen viele Forschende umtreiben, habe die positive Resonanz auf die Konferenz-Ausschreibung gezeigt, so Doris Fuchs.
Gesundheit als gemeinsamer Nenner
Der Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen sprach in einer Videobotschaft über Kommunikationsstrategien für den Klimaschutz. Seine Erkenntnis: Was Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugungen eint, ist ihr Interesse an guter körperlicher und geistiger Gesundheit. Das sollten sich Wissenschaftskommunikatoren zunutze machen, indem sie die gesundheitlichen Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen in den Vordergrund stellen.
Medien
Eckart von Hirschhausen at the RIFS Conference
Wir-Gefühl in einer verwundeten Welt
Manisha Anantharaman (Sciences Po Paris) setzte sich in ihrer Keynote „Building ‚We‘ in a Wounded World“ („In einer verwundeten Welt ein ‚Wir‘ aufbauen“) mit der Herausforderung auseinander, klassenübergreifende Allianzen für Nachhaltigkeitsherausforderungen zu schmieden. Eine kritische Rolle spiele dabei die Ungleichheit, die kapitalistische Volkswirtschaften erzeugen. Diese habe ihre Wurzeln in kolonialen Erfahrungen sowie in geschlechtsspezifischen und rassistischen Machtverhältnissen. Das Problem: „Wie Wohlfahrtsstaaten historisch auf imperialen Ressourcen aufgebaut wurden, ist im Alltag selten sichtbar. Stattdessen interpretieren die Menschen die enormen Unterschiede auf der Grundlage von Narrativen individueller Leistung.“ Diese Fehlinterpretation erschwere die Bildung breiter Koalitionen.
Wenn es marginalisierten Gruppen jedoch gelinge, ihre Standpunkte in den Nachhaltigkeitsdiskurs einzubringen, würden Umweltprobleme neu definiert und Fehleinschätzungen der Eliten in Frage gestellt. Dies sei in den Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen zu beobachten, die im August 2025 vorerst scheiterten. „Dass wir nicht einen schlechten Kompromissvertrag haben, der den Status quo der Kunststoffproduktion und die politische Macht der petrochemischen und fossilen Brennstoffindustrie grundlegend zementiert hätte, ist den Koalitionen zu verdanken, die zwischen Müllarbeitern, indigenen Völkern, Wissenschaftlern und anderen Gruppen gebildet wurden, die in der Umweltpolitik historisch marginalisiert wurden.“
Vom Konsens zur Polarisierung
Der ehemalige Bundesumweltminister und langjähriges Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen Jürgen Trittin eröffnete seine Keynote mit der Frage: „Gibt es ein Ende der Vernunft? Wie konnte der Klimaschutz vom Konsens zur Polarisierung gelangen?“ Er skizzierte, wie Lobbyarbeit und mediale Verzerrung den gesellschaftlichen Konsens zum Klimaschutz untergraben und zu einer tiefen Polarisierung geführt hätten. Die „Fossil Lobby“ nutze ihre Macht, um Debatten zu beeinflussen und trage dazu bei, dass die öffentliche Wahrnehmung häufig von vereinfachenden, Angst schürenden Narrativen angetrieben wird.
Ein zentraler Gedanke Trittins betraf die Bedeutung von Emotionen im politischen Diskurs. „Wenn man die Angst vor einer Dystopie nutzt, werden die Menschen resigniert“, daher mache Angst die Menschen handlungsunfähig. Es sei wichtig, alternative Gefühle wie Hoffnung und Liebe zu fördern, denn nur durch eine konstruktive und emotional intelligente Kommunikation könne eine positive Transformation der Gesellschaft erreicht werden.
Zudem sagte er, dass öffentlich rechtliche Sender „die einzige Garantie für unabhängige Information“ seien. Die zunehmende Konzentration von Kommunikationskanälen in den Händen weniger gefährde die demokratische Meinungsbildung. Trittin warnte davor, naiv zu sein, wenn es um die Demokratisierung der Kommunikation durch das Internet geht: „Die Minderheit der Polarisierer darf nicht den Diskurs bestimmen, und es ist wichtig, die Verbreitung von Falschinformationen zu bekämpfen.“
Sonderausgabe der Zeitschrift „Sustainability Science, Practice and Policy” geplant
Die Themen der Keynotes und viele weitere wurden in 52 Sessions vertieft und diskutiert, es wurden Fragen beantwortet und neue Fragen aufgeworfen. Beim abschließenden Treffen im Plenum zeigten sich die Teilnehmenden tief bewegt von den vielen wichtigen, aufschlussreichen, aber auch emotionalen Gesprächen und Begegnungen.
Doris Fuchs zog Bilanz: „In diesen drei Tagen ist so viel passiert. Es gab viele spannende Ideen, aber auch viele weitere Fragen. Wir werden diese Fragen im kommenden Monat in verschiedenen Formaten weiterverfolgen.“ Geplant ist eine Sonderausgabe der Zeitschrift „Sustainability Science, Practice and Policy”. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen möchten RIFS-Forschende ein Strategiepapier entwickeln. Ein Stakeholderdialog soll im kommenden Jahr die Diskussionen der Konferenz weiter in die Gesellschaft tragen. Zudem werden im RIFS-Blog in den nächsten Wochen eine Reihe von Blogbeiträgen zum Thema der Konferenz veröffentlicht.
Mark Lawrence bedankte sich bei allen Teilnehmenden und zeigte sich erfreut, dass die Konferenz einen Rahmen für sehr vielfältige Formate bot: Rollenspiele, künstlerische Interventionen, viele interaktive Workshops. „Durch all diese Formate konnten wir intensiv in den akademischen Austausch gehen. Wir haben eine Tür geöffnet, nun müssen wir den Weg schwieriger Gespräche in schwierigen Zeiten weiter beschreiten.”
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