Overline: LOSLAND-Projekt
Headline: Mit Bürgerbeteiligung Zukunft vor Ort gestalten

Das LOSLAND-Projekt hat zehn Kommunen in ganz Deutschland dabei unterstützt, Beteiligungsprozesse zu Zukunftsfragen umzusetzen. Zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger spielten dabei die Hauptrolle. Bei der Veranstaltung „Zukunftsfähige Demokratie durch kommunale Bürger*innenbeteiligung“ am 20. April zogen Mitwirkende Bilanz. Deutlich wurde: Beteiligungsprozesse beleben die Demokratie, sie müssen aber an Fragestellungen und Zielgruppen angepasst werden.

Fishbowl Diskussion
Bei einer Diskussion im Fishbowl-Format konnten Gäste ihre Fragen mit Fachleuten besprechen. RIFS/Bianca Schröder

„Bürgerräte schaffen einen Raum, der ganz normalen Menschen den Zugang zu demokratischen Prozessen ermöglicht. Das ist nicht nur für die Leute toll, die durch das Los dafür ausgewählt werden, sondern auch für diejenigen, die Bürgerräte einberufen. Denn Bürgerräte können durch ihre Empfehlungen helfen, den Überblick für Politikerinnen und Politiker zu erweitern, um so bessere Entscheidungen treffen zu können“, erläutert RIFS-Wissenschaftler Daniel Oppold den Impuls für LOSLAND. Das Projekt wurde von dem Verein Mehr Demokratie und dem RIFS Potsdam getragen und von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.

Viel zu bedenken

Wie das gesamte Projekt forderte auch die Veranstaltung im Berliner Futurium aktive Beteiligung: An mehreren Thementischen diskutierten die Besucherinnen und Besucher mit Beteiligungsexpertinnen und -experten zu unterschiedlichen Aspekten von Bürgerbeteiligungsprozessen. Thematisch standen dabei die Planung und Gestaltung solcher Prozesse, ihre Inklusivität, die Ergebnisse und deren Wirksamkeit sowie die Etablierung einer lebendigen und nachhaltigen Beteiligungskultur im Fokus. Die Veranstaltung bot Einblicke in unterschiedliche Beteiligungsprojekte und machte gemeinsame Herausforderungen und Chancen deutlich.

Wie weit sind wir eigentlich?

An den ersten Teil der Veranstaltung schloss sich eine Fishbowl-Diskussion zum Thema „Demokratie von unten im Praxischeck“ an, die von der Journalistin Nadine Hadad moderiert wurde.

Unter den Diskutierenden war die ehemalige Direktorin des IASS (heute RIFS) und Mitinitiatorin des LOSLAND-Projektes, Patrizia Nanz, die derzeit das „Laboratorium Beteiligende Verwaltung“ im Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) leitet. Sie betonte die Bedeutung von Vertrauen: „Das geht in beide Richtungen. Politiker, die Beteiligungsverfahren erleben, entwickeln ein größeres Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger und sind meistens total geflasht, zu welchen Ergebnissen diese kommen. Dieses Vertrauen ist dringend notwendig, um die Demokratie voranzutreiben.“ Außerdem spiele eine gelungene Anbindung von Beteiligungsprozessen an die repräsentative Demokratie eine entscheidende Rolle. Besonders der Umgang mit den Beteiligungsergebnissen erfordere eine sorgfältige Planung.

Linus Strothmann von der Initiative „Es geht LOS“ berichtete über seine Erfahrungen mit der „aufsuchenden Beteiligung“. Dabei werden geloste Bürgerinnen und Bürger nicht nur schriftlich zur Teilnahme an Bürgerräten eingeladen, sondern persönlich angesprochen. In Falkensee/Brandenburg machte Strothmann damit positive Erfahrungen: „Die Leute wollen durchaus mitmachen, aber viele trauen es sich nicht zu und viele haben das Gefühl, sie gehören nicht zur Politik, zur Demokratie. Das kann man den Menschen nehmen, wenn man ihnen deutlich macht, dass ihre Perspektive wichtig ist.“

Tim Willy Weber, Bürgermeister der LOSLAND-Kommune Ottersberg in Niedersachsen, ging auf die Rolle der Verwaltung beim Beteiligungsprozess ein: „Das Gelingen hängt stark von der Freiwilligkeit der Verwaltung ab, denn für sie ist so ein Verfahren sehr arbeitsaufwendig.“ Eine frühe Einbindung helfe, aber die Organisatoren müssten auch dafür sorgen, dass die Bürgerratsmitglieder keine unrealistischen Erwartungen an Politik und Verwaltung entwickelten.

Die meisten Bürgerräte fanden bislang auf kommunaler Ebene statt, doch auch die Bundespolitik hat ihre Bedeutung erkannt. „Der politische Wille im Bundestag ist da“, versicherte Silke Albin, Leiterin der Abteilung Wissenschaft und Außenbeziehungen im Deutschen Bundestag. Sie leitet den Aufbaustab, der in der laufenden Legislaturperiode noch drei bundesweite Bürgerräte ermöglichen soll. Im Mai werden die Fraktionen über das Thema abstimmen, das der erste vom Bundestag initiierte Bürgerrat bearbeiten soll. Unmittelbar danach beginnt die Zufallsauswahl der 160 Teilnehmenden aus ganz Deutschland, die noch in diesem Jahr zusammentreten werden, um Empfehlungen zu erarbeiten.

Gebündelte Partizipationserfahrungen in der LOSLAND-Publikation

Einblicke in die LOSLAND-Prozesse vor Ort und Berichte zur Umsetzung der Empfehlungen aus den Bürgerräten und zu neuen Wegen der Zusammenarbeit hat das LOSLAND-Projektteam in einer Broschüre zusammengestellt. Sie enthält auch praktische Tipps für eine gelungene Beteiligungspraxis. Außerdem werden häufig gestellte Fragen beantwortet und die Chancen und Herausforderungen von Bürgerräten verdeutlicht.

Link:

Hoppe, R., Graf, L., Uhrmeister, P., Oppold, D., Korn, J., Bernstorff, C., Klahn, M. K., Ravizza, A., Wieczorek, F., Altenried, B., Mix, S. (2023): LOSLAND Zukunft vor Ort gestalten. Ein deutschlandweites Modellprojekt zu kommunaler Bürgerbeteiligung, Kreßberg : Mehr Demokratie e.V., 112 p. https://publications.iass-potsdam.de/pubman/item/item_6002846

 

LOSLAND - Zukunftsräte in zehn Kommunen. Ein Update für die Demokratie