Kooperatives Wirtschaften ohne Selbstausbeutung
22.05.2025
Sie organisieren Reparatur- und Leih-Läden, helfen bei der Abfallreduktion und gärtnern in der Stadt: Lokale Initiativen für kooperatives Wirtschaften haben eine zentrale Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung. Welche Strukturen und Finanzierungsmodelle haben sich bewährt? Was können deutsche und französische Projekte voneinander lernen? Während eines einjährigen Forschungsaufenthalts macht sich RIFS-Fellow Cléo Mieulet auf die Suche nach Best-Practice-Beispielen.

Die Liste der Nachhaltigkeitsinitiativen, in denen sich Mieulet engagiert, ist lang und eindrucksvoll: Der Aufbau des Kreisler.Berlin, eines gemeinschaftsgetragenen Repair- und Share-Shops, die Kampagne „Shoppingmalls zu Sorgezentren“ und die Umwandlung von Parkplätzen in Grünflächen im Berliner Graefekiez sind nur einige der jüngeren Beispiele. Sie ist überzeugt, dass solche kooperativen Aktivitäten in mehrfacher Hinsicht positive Auswirkungen haben: indem sie nicht nur Nachhaltigkeit fördern und Arbeitsplätze schaffen, sondern auch ein Selbstverständnis der gegenseitigen Unterstützung und gemeinsamen Verantwortung entstehen lassen.
Aber wie schaffen es die Initiativen, Pilotprojekte in langfristige Angebote zu verwandeln? Diese Frage will Mieulet im Dialog mit erfahrenen Praktikerinnen und Forschenden in Frankreich und Deutschland beantworten. Während ihres Fellowships besucht sie Einrichtungen, die sich für Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Ernährung einsetzen. Dazu gehören das Berliner Start-up Concular, das gebrauchtes Baumaterial in den Kreislauf zurückführt und so eine „Bauwende“ vorantreiben will, und der Urban-Farming-Pionier „La Cité Maraîchère“ in Romainville bei Paris.
Kooperatives Unternehmertum in Frankreich weiter entwickelt
„Mir war bei der Auswahl wichtig, dass die Fallbeispiele nicht von ehrenamtlichem Engagement und Selbstausbeutung abhängig sind, sondern für die Beteiligten wirtschaftlich vorteilhaft sind. Interessanterweise ist es in Frankreich einfacher als in Deutschland, größere und stabilere Einrichtungen zu finden. Ich denke, dass die französische Mentalität das kooperative Wirtschaften begünstigt. Das Kollektive, aber auch das Widerständige sind dort stärker verankert“, sagt Mieulet. Demgegenüber stehe in Deutschland das Appellieren an den Staat oft im Vordergrund. „Das ist auch wichtig, aber im konkreten Umsetzen von Lösungsansätzen on the ground ist Frankreich weiter.“
Ein Beitrag zur Demokratie
So haben etwa die Initiatorinnen und Initiatoren von „La Cité Maraîchère“ bei der Errichtung ihres Urban-Farming-Campus mit der Stadtverwaltung und der Bank BNP Paribas zusammengearbeitet. In der wenige Kilometer nordöstlich von Paris gelegenen Gemeinde leben überwiegend armutsbetroffene Einwohnerinnen und Einwohner. Hier entstand ein modernes Gewächshaus mit einer Kantine. 22 neue Jobs sowie vielfältige Bildungsmöglichkeiten wurden geschaffen.
In Deutschland, sag Mieulet, hätte ein solches Projekt wohl mehr Probleme bei der Finanzakquise gehabt: „Hierzulande gibt es weniger Erfahrung der Banken und Kommunen, zusammen mit der Zivilgesellschaft Projekte des ökologisch-sozialen Wirtschaftens zu verwirklichen. Somit gibt es auch weniger Vertrauen unter den Akteuren.“ Zu dem französischen Erfolgsgeheimnis, so Mieulets Hypothese nach ersten Ortsbesuchen, gehöre die selbstverständliche Bildung von breiten Koalitionen aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft.
Ein Leitfaden für die Praxis
Für ihr RIFS-Projekt will Mieulet nicht nur Ortsbesuche machen, sondern auch einen Austausch zwischen den beteiligten Initiativen schaffen. Sie plant ihre Erkenntnisse in einem wissenschaftlichem Aufsatz und einem praktischen Leitfaden für gemeinschaftsgetragenes Wirtschaften zu veröffentlichen.
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