Overline: Corona-Pandemie
Headline: IASS Discussion Paper: Regeln der Realität neu denken

Das Coronavirus muss viele Konsequenzen haben: Kurzfristig müssen wir die Kurve abflachen, damit unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Wir müssen uns um die Kranken kümmern und verhindern, dass sich Angehörige von Risikogruppen infizieren. Längerfristig aber müssen wir die unsere Realität einer eingehenden Prüfung unterziehen. Klaus Töpfer Sustainability Fellow Nicole de Paula beschreibt in einem neuen IASS Discussion Paper, wie die Pandemie trotz aller Traurigkeit, Angst, Verzweiflung und Frustration, die sie hervorruft, paradoxerweise die planetare Gesundheit fördern könnte.

Trotz aller Traurigkeit, Angst, Verzweiflung und Frustration, die sie hervorruft, könnte die Pandemie paradoxerweise die planetare Gesundheit fördern.
Trotz aller Traurigkeit, Angst, Verzweiflung und Frustration, die sie hervorruft, könnte die Pandemie paradoxerweise die planetare Gesundheit fördern. Shutterstock/Lightspring

Könnte das Virus uns die Augen für die Bedeutung einer globalen Transformation hin zu nachhaltigen und widerstandsfähigen Gesellschaften öffnen? Präziser formuliert: Werden wir endlich erkennen, dass die menschliche Gesundheit von gesunden Ökosystemen abhängt?

Das Coronavirus ist das greifbarste Beispiel für die existenziellen Bedrohungen, denen wir in einer globalisierten Welt und im Zeitalter des Anthropozäns – der Epoche, in der der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor in der Natur geworden ist  – ausgesetzt sind.

Die ersten Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, das zu der Atemwegserkrankung Covid-19 führt, traten auf einem Wildtiermarkt in der chinesischen Stadt Wuhan auf. In der derzeitigen Nachrichtenflut über die Pandemie wird nur sehr wenig über die Zusammenhänge  zwischen Umweltzerstörung, veränderter Landnutzung, unkontrollierter Urbanisierung, Ungleichheiten und den wachsenden Risiken von Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, so genannten Zoonosen, berichtet.

Wie bei vielen anderen Krankheiten ist die Erstübertragung des Virus eine Folge des menschlichen Umgangs mit Tieren und dessen Einfluss auf die natürlichen Lebensräume. Die Übertragung erfolgt nicht unbedingt durch „natürliche“ Interaktion, sondern vielmehr im Zusammenhang mit dem Einfangen, Schlachten, Transportieren, Handeln und Konsumieren von Wildtieren.

Die Pandemie 2020 wird die Aufmerksamkeit auf diese Zusammenhänge lenken und das Thema des illegalen Handels mit Wildtieren auf die Tagesordnung der Entscheidungsträger in China setzen. Denn China kann als führender Konsument von gefährdeten Tierarten die Nachfrage nach Wildtierprodukten reduzieren und damit etwas bewirken. Die Frage ist: Werden die Entscheidungsträger in der Post-Corona-Welt die notwendigen Maßnahmen ergreifen?

Über die Grenzen der gegenwärtigen Gesundheitssysteme hinaus zeigt diese Pandemie auch die Risiken eines politischen Führungsvakuums in vielen Demokratien auf. Wir reagieren auf Krisen, anstatt sie zu verhindern. Diese Pandemie erteilt uns eine bittere Lektion über die entscheidende Bedeutung von Nachhaltigkeit. Unsere derzeitige Definition von „Fortschritt“ ist irreführend und lädt uns ein, die grundlegendsten natürlichen Ressourcen zu zerstören, die das Leben auf diesem Planeten erhalten. Angesichts der akuten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Störungen sind wir kurz davor, die in den letzten Jahrzehnten durch die Entwicklungspolitik erzielten Gewinne zu verlieren.

Link zum Discussion Paper: https://www.iass-potsdam.de/sites/default/files/2020-04/Corona%20Discus…