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Headline: Fallstricke eines Umstiegs auf kohlenstoffarme Technologien

Die Energiewende kann sich zur Chance oder zum geopolitischen Risiko für ein Land entwickeln. Aber von welchen Faktoren hängt dies ab? Prof. Andreas Goldthau nimmt im Artikel „The tricky geoeconomics of going low carbon“ auf Untersuchungen mehrerer Forscherteams Bezug und argumentiert, dass strukturelle Faktoren und die Marktmacht darüber bestimmen werden, wer am Ende auf der Gewinner- oder Verliererseite der Dekarbonisierung steht.

Globaler Süden Solarpanele
Die Energiewende kann Chance oder Risiko für ein Land sein. Shutterstock/ photolike

Ob der Globale Süden den Anschluss an die Dekarbonisierung finde, liegt laut Goldthaus Analyse an den spezifischen nationalen politischen Ökonomien. Diese gäben den Ausschlag, ob Entwicklungsländer Zugang zu sauberen Technologien bekommen oder nicht. Denn in der Regel erfolge ein Technologietransfer durch ausländische Direktinvestitionen (ADI) in saubere Energien. Finde dieser Transfer nicht statt, könnte die Welt auf einen „ungleichen“ kohlenstoffarmen Übergang zusteuern. Länder, die erst spät dekarbonisieren, können in einem Teufelskreis aus anhaltend hohen Emissionen und sinkender wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit landen.

Länder mit dem besten Rating – primär im Globalen Norden – setzten bereits jetzt über Konjunkturpakete öffentliche Ausgaben für die Ökologisierung ihrer Volkswirtschaften ein. Dies sei etwa der Fall gewesen in der Covid-19-Krise, in der die armen Länder solche Mitten nicht zur Verfügung hatten, um ihre Volkswirtschaften in Gang zu halten. Oder es könnten große Märkte wie etwa der EU-Binnenmarkt als Hebel dafür genutzt werden, eine grüne Industriepolitik im eigenen Land voranzutreiben – was ihnen den Vorwurf des sprichwörtlichen „grünen Protektionismus“ einbringt.


Es seien nicht unbedingt der fehlende politische Wille, mangelnde wirtschaftliche Anreize oder ungünstige Investitionsbedingungen, sondern ebenso strukturelle Faktoren und die Marktmacht etablierter Wirtschaftsblöcke, welche über die geoökonomischen Auswirkungen der Dekarbonisierung bestimmen würden, so die Schlussfolgerung des Autoren Goldthau.

Publikation:

Andreas Goldthau: The tricky geoeconomics of going low carbon, Joule Volume 5, Issue 12. https://doi.org/10.1016/j.joule.2021.11.012