Die afrikanische Perspektive
16.06.2025
Die nigerianische Klimaaktivistin Adenike Oladosu hat Fridays for Future in ihrem Heimatland gegründet und gilt als eine der wichtigsten Stimmen des afrikanischen Kontinents beim Kampf um Klimagerechtigkeit. Nun ist sie für ein Jahr als Fellow am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) in Potsdam, um sich dem Thema Hochwasser und Überschwemmungen ausgelöst durch die Veränderungen des Klimas in ihrem Heimatland Nigeria und in Deutschland zu widmen. Im Gespräch erläutert sie, was sie vorhat und was ihr Thema mit Ernährungssicherheit zu tun hat.
Sie sind in der Gruppe der Systemischen Risiken - was ist Ihr Thema?
Adenike Oladosu: Ich erforsche den Umgang mit Hochwasser im Zusammenhang mit Ernährungsunsicherheit. Mein Fokus liegt zunächst dabei darauf zu verstehen, welche Lektionen in Bezug auf Klimaanpassung und -resilienz beim Vergleich von Nigeria und Deutschland gelernt werden können und was auf die Situation von Nigeria passen würde. Denn mein Heimatland hat ein Problem mit Hochwasser: Von 36 Bundesstaaten, die wir in Nigeria haben, sind 30 davon betroffen. Die jüngsten Überschwemmungen in Mokwa im Bundesstaat Niger in Nigeria sind ein typisches Beispiel für die verschiedenen systemischen Auswirkungen von Überschwemmungen. Dies beeinflusst soziale, wirtschaftliche und infrastrukturelle Aspekte der Gesellschaft, denn alles hängt systemisch zusammen. Die Verwendung verschiedener Ansätze könnte für eine stabilere Situation sorgen. Ich möchte zugleich die nigerianische und afrikanische Perspektive in den Diskurs einbringen. Wir können voneinander lernen, um diese Krise zu lösen, denn Deutschland hat in manchen Regionen genauso ein Hochwasserproblem. Was macht Deutschland anders, was Nigeria in seinen Prozess einbeziehen könnte?
Wie gehen Sie dabei vor? Wo werden Sie zum Beispiel Ihre Fragen stellen?
A.O.: Mein Forschungsfeld liegt im Grunde genommen in Gebieten, die von Überschwemmungen in Deutschland betroffen waren oder es öfter sind. Und natürlich die Region des Jahrhunderthochwassers 2021, von dem vor allem Ahrweiler betroffen war. Was dort in Bezug auf Klimaanpassung oder -resilienz anders gemacht wurde, das schaue ich mir beispielsweise an. Welche Ansätze können in Bezug auf die Governance-Frage angewendet werden? Wie sieht die Governance und wie sehen die Strukturen der verschiedenen Gemeinschaften aus? Was muss geschehen, um eine Gemeinde oder Stadt klimaresilient aufzustellen? Im Grunde möchte ich in die betroffenen Gebiete reisen, um mit politischen Entscheidungstragenden in Kontakt zu treten. Was müssen wir überprüfen, um sicherzustellen, dass wir in der Lage sind, diese Krise zu überwinden? Ich möchte lernen, wie wir in einem Land wie Nigeria klimaresistent werden können. Und was ich gelernt habe, möchte ich im Nachgang nutzen, um es in die nigerianische Gesellschaft einzubringen, vielleicht bei den politischen Entscheidungstragenden, der Zivilgesellschaft und sogar der Regierungsarbeit.
Ich stelle Fragen wie: Wer sind diese Menschen, die Entscheidungen für andere Menschen treffen? Entspricht es den Interessen der Menschen? Wie gehen sie bewusst mit ihrer Umwelt um? Was haben sie anders gemacht? Haben sie zu den Menschen gesprochen? Oder haben sie einfach die Entscheidung getroffen? Wie gut kannten sie die Community? Vielleicht sind es die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, vielleicht sind es diejenigen, die im Stadtrat sitzen – mal schauen.
Sie haben ‘I Lead Climate Action’ gegründet - wie passt dies mit Ihrem Forschungsprojekt zu Überschwemmungen und Ernährungssicherheit zusammen?
A.O.: Es geht bei ´I lead Climate Action` darum, die Frauen zu stärken und ein Bewusstsein für die Klimakrise in der Gesellschaft zu schaffen. Wenn eine Dürre kommt und sich auf ihre Nahrungsversorgung oder Produktivität auswirkt, ist ihnen nicht klar, dass eine Umweltproblematik dahintersteckt. Eines der Dinge, die wir tun, ist, sie klimabewusst zu machen. Wir machen ihnen klar, dass sich eine Überschwemmung ebenso auf die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln auswirkt und ihre landwirtschaftliche Ernte wegnimmt. Und deshalb kombiniere ich mein Thema mit Ernährungsunsicherheit, weil es Hand in Hand geht. Wenn eine Überschwemmung passiert, ist es ein systemisches Risiko, das zu anderen Krisen und zur Krise des Systems führt. Ernährungsunsicherheit ist einer dieser Aspekte, der Verlust von Lebensgrundlagen und auch die Vertreibung von Menschen sind andere. Denn wenn es zu einer Überschwemmung kommt, folgen weitere Risiken, die aus dem System hervorgehen. ´I lead Climate Action` versucht nun klimafreundliche Maßnahmen einzuführen.
Was ist das Ziel von ´I lead Climate Action`?
A.O.: Wir wollen indigenes Wissen nutzen oder das indigene Wissen zurückbringen, das in der Vergangenheit verwendet wurde, um unsere aktuellen Probleme zu lösen. Bisher hat es funktioniert, weil die Leute früher Bäume gefällt haben, um sie als Brennholz zum Kochen zu verwenden. Inzwischen beginnen aber die Menschen sich der Tatsache bewusst zu werden, dass das Fällen von Bäumen auch die Klimakrise beeinflusst oder dazu beiträgt. Mehr und mehr wird deutlich, Bäume stehen zu lassen ist ein besserer Weg, um Ackerland vor Überschwemmungen oder auch vor Dürrezeiten zu schützen.
Was möchten Sie während Ihres Jahres als Fellow am RIFS erreichen?
A.O.: Eine Idee ist, verschiedene Interessengruppen in Deutschland zusammenzubringen, die an diesen Problemen arbeiten, vielleicht über eine Konferenz, um zu sehen, was realisiert wurde oder was am Ende des Tages realisierbar ist. Zweitens, dass ich diese Orte besuche und eine lebendige Vorstellung davon habe, wie Lösungsformen aussehen oder wie sie funktionieren. Drittens möchte ich am RIFS mit meiner Gruppe zu „Systemischen Risiken“ zusammenarbeiten. Vor allem bei den bestehenden Projekten, an denen sie an diesem Aspekt arbeiten, und meine nigerianische oder afrikanische Perspektive einbringen, denn ich sehe, dass wir auch andere Perspektiven brauchen - und außerdem ist Afrika der Kontinent, der sich aufgrund des Klimawandels viel schneller erwärmt als der Rest der Welt.