Forschungsinstitut für
Nachhaltigkeit | am GFZ

RESTART: Wie Architekt*innen und Unternehmen gemeinsam unsere Zukunft neu definieren können

09.07.2025

adina

Adina-Iuliana Deacu

adina-iuliana [dot] deacu [at] rifs-potsdam [dot] de
Matúš Vallo, Bürgermeister von Bratislava, spricht über Städte und Gemeinden.
Matúš Vallo, Bürgermeister von Bratislava, spricht über Städte und Gemeinden.

Eine Reflexion über das Festival Pulse Ostrava 2025 und was es für die Neudefinition von Unternehmen bedeutet

Das Thema des PULSE Ostrava Festivals 2025, RESTART, hätte nicht passender sein können. Angesichts des Klimawandels, der Wohnungsnot und der sozialen Ungleichheit in den Städten stellte die Konferenz die Frage: Wie können sich Architektur und Design nicht nur anpassen, sondern bei der Transformation eine Führungsrolle einnehmen?

Als Stadtplanerin, Umweltpsychologin und Sozialunternehmerin ist mir aufgefallen, dass viele der Herausforderungen, mit denen Architekt*innen konfrontiert sind, denen in der Geschäftswelt gleichen - vor allem, wenn Profit und Zweck miteinander kollidieren.

Zusammenarbeit vs. Wettbewerb: Eine kaputte Schallplatte?

Der Stadtplaner und Landschaftsarchitekt Winy Maas (Gründungspartner des niederländischen Architekturbüros MVRDV) brachte auf der Pulse Ostrava 2025 ein überzeugendes Argument vor "Zusammenarbeit sollte wie eine Band sein - wenn sie die Töne nicht trifft, hört man es." Doch wie ich bei meinen Recherchen festgestellt habe, reden viele Branchen von Zusammenarbeit, während sie gleichzeitig Wettbewerb praktizieren. Diese kognitive Dissonanz bremst den Fortschritt. Wenn wir einen systemischen Wandel anstreben, müssen wir den Worten Taten folgen lassen; auf Englisch formuliert, „walk the talk“ - sei es in der Stadtplanung oder in den Vorstandsetagen von Unternehmen.

Der Ausstellungsbereich auf der Pulse Ostrava 2025.
Der Ausstellungsbereich auf der Pulse Ostrava 2025.

Wer profitiert von "Integrierten Investitionsplänen"?

Auf der Konferenz wurde der verstärkte Einsatz von "integrierten Investitionsplänen" hervorgehoben - ein rechtlicher Rahmen, der es Investor*innen ermöglicht, die Stadtpolitik mitzugestalten. Doch dann stellt sich die Frage: Für wen sind diese Investitionen wirklich gedacht? Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Krise des bezahlbaren Wohnraums. Obwohl sich viele einig sind, dass mehr erschwinglicher Wohnraum benötigt wird, bleibt dieser Mangel bestehen, weil profitorientierte Modelle dominieren. Wenn wir aber die Wirtschaft als Lösung und nicht als Gewinnmaschine definieren, könnten Bauträger dann Wohnungen für Gemeinschaften und nicht nur für Portfolios bauen?

Die Natur als nachträglicher Gedanke?

In einem der Konferenzvorträge bemerkte der Architekt Maksymilian Sawick: "Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen Landschaft und Bau." Allzu oft scheint es, dass die Natur in verschiedenen Bereichen als Hindernis oder als etwas, das kontrolliert und verändert werden muss, und nicht als Partner betrachtet wird. Meine Forschung hat ergeben, dass die gleiche Trennung auch in der Wirtschaft besteht - wo Nachhaltigkeit nur noch ein PR-Instrument zur Förderung des Absatzes und kein Gestaltungsprinzip mehr ist. Aber was wäre, wenn Städte und Unternehmen Ökosysteme als Stakeholder behandeln würden? Was wäre, wenn die Wirtschaft darauf ausgerichtet wäre, den Gewinn nur als Instrument zur Schaffung von Wohlstand für alle zu nutzen und nicht nur als Key Performance Indicator zum Nachteil aller anderen? Was wäre, wenn der Erfolg von Unternehmen nicht an den Quartalseinnahmen gemessen würde, sondern daran, wie viele Leben sie zum Besseren verändert haben oder wie viel Natur während des Betriebs regeneriert wurde?

Zygmunt Borawski, Architekt, Dozent und Journalist, spricht über die Wiederverwendung alter Stühle an einer Gebäudefassade.
Zygmunt Borawski, Architekt, Dozent und Journalist, spricht über die Wiederverwendung alter Stühle an einer Gebäudefassade.

Von NIMBY zu YIMBY: Die Macht der Denkweise

Der Kulturmanager und Mitbegründer des Zentrums für Architektur und Stadtplanung (CAMP) in Prag, Štěpán Bärtl, und die Architektin, Urbanistin und Direktorin des ungarischen Zentrums für zeitgenössische Architektur KÉK, Eszter Dávida, diskutierten über Ansätze, wie man NIMBY ("Not In My Backyard") in YIMBY ("Yes In My Backyard") umwandeln kann, um die Menschen zu befähigen, sich für Veränderungen einzusetzen. Dies deckt sich sehr gut mit meinen bisherigen Untersuchungen und Beobachtungen. Es scheint, dass viele Menschen nur mit dem Finger auf andere zeigen und von ihnen erwarten, dass sie etwas tun oder sich ändern, ohne ihre eigene Rolle dabei zu sehen, Veränderungen zu ermöglichen. Der Wandel beginnt jedoch, wenn wir nicht mehr darauf warten, dass „andere“ handeln. Wenn jeder erwartet, dass jemand anderes die Führung übernimmt, wer bleibt dann noch übrig, um die Dinge tatsächlich anders zu machen?

Der rote Faden: Profit vs. Zweck

PULSE untersuchte diese Fragen aus der Perspektive der Architektur, aber sie sind universell. Unsere Städte sind - ebenso wie unsere Wirtschaft - von einem Profitstreben geprägt, das die Menschen und den Planeten in den Hintergrund drängt. Deshalb ist eine Neudefinition der Wirtschaft nicht nur theoretisch, sondern dringend notwendig. Wenn wir das Ziel von der Maximierung der Aktionärsrenditen auf die nachhaltige Lösung von Problemen verlagern, könnten wir unsere Zukunft neu gestalten - und zwar heute.

Was halten Sie davon? Können sich Wirtschaft und Design wirklich an den gesellschaftlichen Bedürfnissen orientieren? Teilen Sie Ihre Gedanken mit mir unter ade [at] gfz [dot] de.

Eva Jiřičná, Architektin und Gründerin von AI Design, spricht über die Zukunft des Designs.
Eva Jiřičná, Architektin und Gründerin von AI Design, spricht über die Zukunft des Designs.
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