Forschungsinstitut für
Nachhaltigkeit | am GFZ

Konzeption einer gerechten Governance von mariner Kohlenstoffentnahme

15.07.2025

Lina Röschel

Lina Röschel

lina [dot] roeschel [at] rifs-potsdam [dot] de
Ein Treffen der Vertragsparteien des Londoner Übereinkommens und des Londoner Protokolls im Oktober 2024.
Ein Treffen der Vertragsparteien des Londoner Übereinkommens und des Londoner Protokolls im Oktober 2024.

Der Ozean nimmt etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen auf und spielt eine zentrale Rolle als Puffer gegen weiterführende Folgen des Klimawandels. Damit steht er im Zentrum des globalen Klimasystems. Da wir uns der 1,5-Grad-Grenze immer weiter nähern, gibt es neue Vorschläge, den Ozean aktiver für den Klimaschutz zu nutzen, insbesondere durch technologische Ansätze zur Entfernung von Kohlendioxid aus dem Meer (mCDR), wie die Erhöhung der Alkalinität des Ozeans oder die Versenkung von Biomasse. Ziel dieser Ansätze ist es, die Bindung und Speicherung von atmosphärischem CO₂ in marinen Systemen zu verstärken. Die dadurch erzeugten sogenannten „negativen Emissionen“ könnten Staaten dabei helfen, bis zur Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität zu erreichen. Tatsächlich positioniert der Weltklimarat (IPCC) CO₂-Entnahme als zentrales Element auf dem Pfad zur Einhaltung der 1,5- und 2-Grad-Ziele des Pariser Abkommens.

Die geplanten mCDR-Aktivitäten werden bislang überwiegend im Globalen Norden erforscht und entwickelt. Neben potenziellen Klimavorteilen könnten sie jedoch unbeabsichtigte, grenzüberschreitende Auswirkungen auf die Meeresumwelt und damit verbundene Ökosystemleistungen haben. Bestehende Governance-Mechanismen haben mCDR bislang primär als ein technisches Problem des Umwelt- und Risikomanagements betrachtet. Diese Sichtweise kann jedoch tiefere Machtverhältnisse, historische Ungleichheiten sowie strukturelle Ausschlüsse, Einschlüsse und Polarisierungen verschleiern, welche die Beteiligung an der globalen Governance der Ozeane bereits prägen.

Die marine CO₂-Entnahme wirft grundlegende Fragen auf, wie wir bei der Governance Umweltgerechtigkeit gewährleisten können: Wer entscheidet darüber, ob, wo und wie wir in den Ozean eingreifen, um dem Klimawandel zu begegnen? Diese technologischen Ansätze könnten tiefgreifende Auswirkungen auf Meeresökosysteme und die von ihnen abhängigen Gemeinschaften haben, von denen viele im Globalen Süden angesiedelt und bereits unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind. Die Governance mariner Kohlenstoffentnahme ist in fragmentierte internationale Regelwerke eingebettet; das Londoner Übereinkommen und Protokoll ist eines der wenigen Instrumente, das explizit mit der Regulierung von „marinem Geoengineering“ beauftragt ist. Maßgeblich ist der Diskurs sehr technisch und risikobezogen. Eine solche Ausrichtung droht, breitere Gerechtigkeitsfragen zu marginalisieren – etwa: Wer nimmt an Entscheidungen teil? Wessen Wissen und Prioritäten werden anerkannt? Wer profitiert und wer trägt die Risiken?

Am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am GFZ hatte ich die Möglichkeit, ein transdisziplinäres Promotionsprojekt zu entwickeln, welches untersucht, wie Fragen der Gerechtigkeit im Zentrum der mCDR-Governance verankert werden können. Dabei wird ein analytischer Rahmen erarbeitet, der unterschiedliche Dimensionen von Gerechtigkeit – etwa ökologische, epistemische und intergenerationelle – zusammenführt und zugleich den gelebten Erfahrungen jener Menschen Aufmerksamkeit schenkt, die oft von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind.

Das Forschungsvorhaben verfolgt einen transdisziplinären Ansatz: Es bringt politische Akteure und Akteurinnen, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Vertreter und Vertreterinnen indigener Gruppen und des Globalen Südens zusammen, um gemeinsam zu entwickeln, wie gerechte Governance für mCDR aussehen könnte. Ziel ist es nicht nur, bestehende Governance-Prozesse kritisch zu analysieren, sondern auch Pfade in Richtung gerechterer und inklusiverer Praktiken aufzuzeigen.

Obwohl der Ozean völkerrechtlich fragmentiert ist, ist er ökologisch unteilbar. Entscheidungen über den Einsatz von Technologien im Ozean für die Bekämpfung des Klimawandels haben weitreichende Konsequenzen. Eine gerechte Governance ist daher nicht nur eine Frage des Prinzips – sie ist entscheidend für die Legitimität, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit ozeanbasierter Klimainterventionen.
 

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