Headline: Wie Kultur einer nordfranzösischen Bergbaustadt half, grün zu werden

Musiker spielen auf einem Markt in Loos-en-Gohelle.
Musiker spielen auf einem Markt in Loos-en-Gohelle. Loos-en-Gohelle/CC BY-SA 2.0 Deed

Mit Kultur den sozial-ökologischen Wandel schaffen: Wie kann das gehen? Die nordfranzösische Gemeinde Loos-en-Gohelle macht es vor. Für uns ist das Beispiel so spannend, dass wir den Prozess näher erforscht haben. Die Studie ist nun als RIFS Study erschienen.

Loos-en-Gohelle: eine Stadt im Wandel

Als Loos-en-Gohelle seine Kohlebergwerke in den 1980er-Jahren schloss, rutschte die französische Kleinstadt in eine strukturelle Krise. Heute steht die Gemeinde wirtschaftlich besser da als ihre Nachbarorte: weniger Arbeitslose, weniger Wohnungsleerstand. Gleichzeitig ist die Stadt zur Pilotstadt der nachhaltigen Entwicklung geworden, mit Photovoltaikanlagen auf Dächern, ökologischem Bauen und nachhaltigen Mobilitätangeboten. Wir vom Deutsch-Französischen Zukunftswerk, einem Projekt des RIFS, haben uns gefragt: Wie hat Loos-en-Gohelle das geschafft? Wie hat sich die Stadt von einer schwarzen (Kohle) zur grünen (nachhaltigen) Stadt entwickelt?

Inmitten der Krise setzte Loos-en-Gohelle partizipative Kulturarbeit auf die politische Agenda. Auf dem jährlich stattfindenden Festival Les Gohélliades konnten Einwohnerinnen und Einwohner ihre Geschichten erzählen, um die gemeinsame Bergbauvergangenheit trauern, gemeinsam in die Zukunft blicken. Das „Erzählen“ entwickelte sich zu einer Art Befreiungsakt, wie es uns Geoffrey Mathon, stellvertretender Bürgermeister von Loos-en-Gohelle, treffend beschreibt: „Die Menschen haben ein so starkes Bedürfnis, ihre Wut, ihr Gefühl der Ungerechtigkeit, ihren Schmerz auszudrücken! Es ist absolut notwendig, Räume für diesen Ausdruck zu schaffen. Wir müssen diese Energie nutzen, um Maßnahmen zu ergreifen und Innovationen zu wagen.“ Seither gestalten partizipative Kulturformate die lokale Politik mit. Gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelt die Gemeinde nachhaltige Projekte, vom biologischen Gemüseanbau bis zur Installation von Photovoltaikanlagen.

Kulturelle Teilhabe ist ein geeigneter Weg, ortsbezogene Stadtentwicklung umzusetzen, auch wenn ihre Methoden wie das Erzählen von Geschichten untypisch erscheinen.

Transformative Kraft partizipativer Kulturarbeit -Empfehlung des Deutsch-Französischen Zukunftswerks

Die Bedeutung von partizipativer Kulturarbeit wissenschaftlich untersucht

Wir wollten wissen: Inwiefern unterscheidet sich die kommunale Kulturarbeit in Loos-en-Gohelle von Kulturpolitik andernorts? Inwieweit hat sie einen Transformationsprozess angestoßen, der sich von der Entwicklung anderer Städte und Gemeinden im nordfranzösischen Kohlerevier unterscheidet? Und wie wird diese Kulturarbeit von der lokalen Bevölkerung wahrgenommen? Diese Fragen beantwortet die Studie „Loos-en-Gohelle und sein kulturelles Ökosystem“. Sie zeigt auf, wie die Einbindung der Bevölkerung in die Kulturarbeit eine starke transformative Kraft entfalten kann. Sie zeigt jedoch auch, dass kulturelle Teilhabe ständig neu erfunden werden muss, damit der Wandel in Loos-en-Gohelle nicht an Dynamik verliert.

Partizipative Kulturarbeit muss von der Politik unterstützt werden

Als Deutsch-Französisches Zukunftswerk haben wir die Aufgabe, für die Regierungen Frankreichs und Deutschlands sowie für die lokale Politik beider Länder konkrete Aktionsvorschläge zu entwickeln, um die sozial-ökologische Transformation auf kommunaler Ebene zu beschleunigen. Als Basis dienen uns dabei Erfahrungen wie die von Loos-en-Gohelle. 2021 und 2022 haben wir die nordfranzösische Gemeinde mit deutschen Kommunen, die ebenso mit dem Strukturwandel zu kämpfen haben, in einen Erfahrungsaustausch gebracht und in interdisziplinären Workshops mit weiteren Expertinnen und Experten Handlungsempfehlungen entwickelt.

So entstand als eine von sieben Empfehlungen die Aufforderung an nationale Regierungen, lokale partizipative Kulturarbeit als zentralen Hebel für sozio-ökologische Transformation zu begreifen und zu stärken. Denn nicht alle Kommunen können dies, so wie in Loos-en-Gohelle geschehen, aus eigener Kraft stemmen. Eine Beratungsstelle zum Nutzen partizipativer Kulturarbeit und zur Beratung von interessierten Kommunen könnte hier Abhilfe schaffen.

Link zur Studie (DE & FR):

  • Florentin, D., Veys, M., Robic, N., & Faltermeier, K. (2023). Loos-en-Gohelle und sein kulturelles Ökosystem: Partizipative Kulturarbeit als Grundlage für raum-bezogene Identifikation und gesellschaftlichen Zusammenhalt. RIFS Study, November 2023. https://doi.org/10.48481/rifs.2023.029
  • Florentin, D., Veys, M., Robic, N., & Faltermeier, K. (2023). Loos-en-Gohelle et son écosystème culturel. RIFS Study, Novembre 2023. RIFS Study, November 2023.

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