Overline: Die Zukunft ernähren
Headline: Die Geopolitik und Dekarbonisierung von Düngemittel-Lieferketten

Düngemittel sind ein Eckpfeiler der modernen Landwirtschaft, die täglich die Ernährung von acht Milliarden Menschen sichert.
Düngemittel sind ein Eckpfeiler der modernen Landwirtschaft, die täglich die Ernährung von acht Milliarden Menschen sichert. RIFS / Tassilo Scalera

Unter den globalen Rohstoffen spielen Düngemittel eine stille, aber grundlegende Rolle. Mit einem Marktwert von 207 Milliarden US-Dollar sind sie ein Eckpfeiler der modernen Landwirtschaft, die täglich die Ernährung von acht Milliarden Menschen sichert. Doch diese bedeutende Branche steht an einem Scheideweg, konfrontiert mit den enormen Herausforderungen der Dekarbonisierung, volatiler Geopolitik und der Notwendigkeit der Nahrungssicherheit. Das Forschungsprojekt „Geopolitik der Energiewende: Auswirkungen einer internationalen Wasserstoffwirtschaft“ des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit (RIFS) – Helmholtz-Zentrum Potsdam veranstaltete eine Webinar-Reihe über die „Geopolitik von Düngemittel-Lieferketten“, um sich mit den Komplexitäten der Düngemittelindustrie und den drängendsten Herausforderungen dieses entscheidenden Sektors zu beschäftigten. Während die erste Veranstaltung die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die globale Düngemittelindustrie erforschte, diskutierte das zweite Event die Dekarbonisierung der Düngemittelindustrie und ihre Auswirkungen auf den afrikanischen Kontinent. Dieser Blogbeitrag hebt die wichtigsten Erkenntnisse aus beiden Teilen hervor.

Ein verwundbarer Riese

Mit zwei Prozent des globalen Energieverbrauchs ist die Düngemittelindustrie untrennbar mit dem Energiesektor verbunden. Laura Cross von der International Fertilizer Association betont diese Verbindung: „Düngemittel sind wirklich das, was sich in der Mitte zwischen der Energie- und der Agrarindustrie trifft“. Geopolitische Schocks, wie der Krieg in der Ukraine, haben dabei die Fragilität dieser globalen Lieferketten aufgezeigt. Deren Unterbrechung führten zu einem Anstieg der Energiepreise und haben die Notwendigkeit eines widerstandsfähigeren Systems unterstrichen.

Dekarbonisierung: Das Versprechen von grünem Ammoniak

Synthetische Düngemittel emittieren große Mengen an Treibhausgasen, in der Größenordnung von europäischen Industrienationen, weshalb Rufe nach Dekarbonisierung dieses Sektors lauter werden. Während auf der Nachfrageseite die Reduktion und effiziente Nutzung essenziell sind, um die negativen Umweltauswirkungen von Düngemitteln zu verringern, hat sich auf der Produktionsseite grüner Ammoniak als Hoffnungsträger für die Industrie herausgestellt. Rupert Simons von Systemiq erklärt: „Grüner Ammoniak ist überwiegend die schnellste und in der Regel auch skalierbarste Methode zur Dekarbonisierung der Düngemittelproduktion.“ Dennoch bleiben erhebliche Hürden, wie die hohen Kosten und der Bedarf an politischen und investiven Interventionen.

Marokkos Sprung zur grünen Industrialisierung

Marokko und sein staatseigener Düngemittelriese OCP versuchen, diese Herausforderungen zu überwinden. Als einer der größten Ammoniakimporteure hat Marokko eine Wasserstoffstrategie entwickelt, um seine Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren und eine seiner größten Exportindustrien zu dekarbonisieren. Dieser Fall zeigt, wie die Sicherung von Lieferketten die grüne Industrialisierung vorantreiben kann. Laut Prof. Dr. Margarita Balmaceda von der Seton Hall University könnte Marokkos günstige geografische Lage es zu einem Schlüsselakteur in einer grüneren Zukunft für Düngemittel machen.

Die afrikanische Perspektive

Marokkos grüne Industrialisierungsstrategie wird auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, der auf der einen Seite mit schwerer Ernährungsunsicherheit und Düngemittelknappheit zu kämpfen hat und gleichzeitig ein riesiges Potenzial für erneuerbare Energien besitzt, genau beobachtet. Charlotte Hebebrand vom International Food Policy Research Institute erklärt, dass Afrikas kleiner Marktanteil es besonders anfällig für Schocks in den Lieferketten macht. Die Abhängigkeit von Importen verstärkt dies. Sebastian Nduva, Leiter von AfricaFertilizer.Org, beobachtete jedoch, dass Länder wie Nigeria ihre Exporte zunehmend auf innerafrikanische Ziele umleiten, was umfangreichere regionale Handels- und Produktionsnetzwerke verspricht. Dr. Kibrom Abay vom International Food Policy Research Institute (IFPRI) betont: „Ein zentraler Aspekt zur Gewährleistung langfristiger Ernährungssicherheit und zur Bewältigung von Krisen ist die Diversifizierung des Handels, Produktion und Verwendung von Düngemitteln.“ Ob grüne Industrialisierung hierfür eine geeignete Option ist, bleibt eine spannende Frage für die Zukunft.

Einen neuen Weg bahnen

Die Herausforderungen und Chancen in der Düngemittelindustrie spiegeln das breitere Narrativ im globalen Bestreben nach Nachhaltigkeit und Resilienz in der Weltwirtschaft wider. Die von RIFS-Forschern organisierte Webinar-Serie „Geopolitik von Düngemittel-Lieferketten“ hat Licht auf diese kritische Branche geworfen und das Zusammenspiel von Geopolitik, Dekarbonisierung und Ernährungssicherheit hervorgehoben. Die sich entwickelnden geopolitischen Implikationen dieses komplexen Bereichs erfordern eine Forschungsagenda, welche die miteinander verbundenen Faktoren adressiert, die die Branche umgestalten. Das Verständnis der bevorstehenden Entwicklungen ist entscheidend, um einen neuen Weg zu bahnen, der die Natur schützt und gleichzeitig die Zukunft ernährt.
 

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