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Headline: Umweltauswirkungen, Koalition der Hoffnung und die Kohlefrage

COP26
Das Klima-Gelöbnis-Theater: Den schönen Worten folgen nicht immer Taten. Die Vielzahl der parallelen Veranstaltungen macht es schwer, den Überblick zu behalten. Auf den ersten Blick sind die Klimaverhandlungen ein fast undurchdringliches Spektakel. IASS/ Lena Bendlin

Die UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow ist ein wichtiges Treffen aller Länder. Die am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) durchgeführten wissenschaftlichen Projekte befassen sich mit vielen der bei den Verhandlungen behandelten Themen. Einige unserer Forscherinnen und Forscher haben persönlich oder virtuell an der Klimakonferenz teilgenommen. Wir geben hier einige ihrer Beobachtungen wieder.

Eine Koalition der Hoffnung – Laima Eicke

Auf der COP26 wurden echte Fortschritte erzielt bei der Verlagerung der öffentlichen Finanzierung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien. Eine Koalition von Ländern verpflichtete sich, die öffentliche Finanzierung aller fossilen Brennstoffe zu beenden. Sowohl für inländische als auch für internationale Investitionen. Damit geht die Initiative über frühere Zusagen der G7-Staaten zum Beenden der Kohlefinanzierung hinaus. Sie befasst sich zudem mit dem Problem, dass die G20 trotz des Pariser Abkommens und Versprechens, den Klimawandel zu bekämpfen, in den vergangenen drei Jahren 2,5-mal mehr für internationale fossile Projekte als für erneuerbare Energien ausgegeben haben.

Um eine echte Wende herbeizuführen, muss diese Koalition wachsen. Seitdem die Initiative ins Leben gerufen wurde, sind fast täglich neue Länder hinzugekommen. Hoffentlich hält diese Dynamik auch nach Abschluss der COP26 an.

Impression
Trotz schwieriger Reisebedingungen und Corona-Anforderungen nutzten zahlreiche Vertreter indigener Gruppen die Klimakonferenz, um sich in der Welt Gehör zu verschaffen: Klimaerwärmung und Extraktivismus gefährden ihre Lebensgrundlagen; mit ihrer eigenen Lebensweise bieten sie auch eine Alternative. IASS/ Lena Bendlin

...bezüglich Beteiligung - Laima Eicke

COP26 in digitalen Zeiten - wie viele Beobachterinnen und Beobachter, die aufgrund der anhaltenden COVID-19-Pandemie nicht persönlich an der COP26 teilnehmen konnten, habe ich dieses Jahr "nur" virtuell teilgenommen. Die Hoffnungen waren groß, dass dies eine noch breitere Einbeziehung und Beteiligung ermöglichen und gleichzeitig Reiseemissionen einsparen würde.

Während sich die Teilnahme von Beobachtenden in den Verhandlungssälen vor Ort als sehr begrenzt herausstellte, stießen diejenigen, die sich digital einwählten, auch auf Herausforderungen, darunter Zusammenbrüche von Streams und Login-Probleme, insbesondere diejenigen, die außerhalb des Vereinigten Königreichs ansässig waren. Das Earth Negotiations Bulletin, die Twitter-Updates und die persönlichen Notizen von Vertreterinnen und Vertretern der Beobachterorganisationen trugen viel dazu bei, diese Defizite auszugleichen.

Aber die COP ist viel mehr als nur Verhandlungen! Unsere Nebenveranstaltung zum Thema "Shifting Public Support and Policies - Towards a Clean and Just Energy Transition in the Global South" war viel zugänglicher als in den vergangenen Jahren, da sie live in den sozialen Medien übertragen wurde und auch später noch auf YouTube angesehen werden kann.

Digitale Vernetzungsplattformen ermöglichten es uns, mit Menschen, die an ähnlichen Themen arbeiten, in Kontakt zu treten, konnten aber die Erfahrung eines Treffens vor Ort nicht ganz wiedergeben.

Dont choose extinction Dino
Protestaktionen im Konferenzgebäude sind zwar streng geregelt - aber möglich. IASS/ Lena Bendlin

Umweltauswirkungen des Besuchs der COP26 – Stefanie Kunkel

Beobachtende der diesjährigen COP26 werden sich vielleicht fragen, ob die Konferenz auf umweltverträgliche Weise geplant und durchgeführt wurde. Soweit ich sehen konnte, gibt es noch viel Raum für Verbesserungen.  

Der ökologische Fußabdruck der COP26 beginnt, wie üblich, mit den Tausenden von Kilometern, die Delegierte, Beobachtende, Freiwillige und andere zurücklegen. Am Bahnhof, auf den Flughäfen oder in den Hotels in Glasgow wurden Covid-Testkits für sieben Tage an die Besucherinnen und Besucher verteilt, zusammen mit Unmengen von Verpackung. Da die Teilnehmenden täglich Schnelltests durchführen mussten (an die 10.000?), verursachten die Covid-Maßnahmen enorme Mengen an Plastikmüll.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die auf dem Glasgower Messegelände ankamen, erhielten ein Starterset mit einer Gesichtsmaske, einem Desinfektionsmittel, einer Wasserflasche und weiteren Goodies, die alle von einer Desinfektionsmittelfirma gesponsert wurden, deren Logo auf den Paketen und überall auf dem Messegelände abgedruckt war. Viele der Wasserflaschen waren noch nicht abgeholt worden, als ich ankam, und ich fragte mich, was mit den Starter-Kits und den Flaschen eigentlich passiert, die am Ende der COP übrig bleiben?

Es gab zwar wiederverwendbare Kaffeebecher, aber viele wurden in Abfalleimern entsorgt - es sah so aus, als befänden sich in jedem Abfalleimer, an dem man vorbeikam, mindestens drei davon. Es gab viel Fast Food oder andere verpackte Lebensmittel in Einweg-Plastik- oder Pappkartons.

Abends wurden die Snacks für Empfänge auf großen Plastiktabletts serviert. Auch die Auswahl der Snacks schien nicht sehr nachhaltig zu sein. Lachs, Schweinefleisch, Wein und kleine Wraps - nichts deutete darauf hin, dass auf nachhaltige Lebensmittel geachtet worden war. Die abendlichen Empfänge schienen alle von einer einzigen (nicht-nachhaltig arbeitenden) Catering-Firma beliefert worden zu sein.

Diese Beobachtungen sind nur eine Auswahl dessen, was bei der COP als umweltschutzrelevant angesehen werden könnte. Was sollte passieren, um die COP umweltfreundlicher zu gestalten? Strengere Maßnahmen zur Vermeidung von (intrakontinentalen) Flügen wären notwendig, um die Umweltauswirkungen der Reisen zu verringern. Eine einfache Zugfahrt von London nach Glasgow kostet etwa 125€. Eine Verringerung der Preise für nachhaltigere Reisemöglichkeiten hätte eine Möglichkeit sein können, die Nutzung von Zugfahrten zu erhöhen.

Die Offenlegung des ökologischen Fußabdrucks der Konferenz gegenüber den Teilnehmern und der Öffentlichkeit würde ein Bewusstsein für das Problem schaffen. Noch besser wäre es, diese Auswirkungen auszugleichen. Nachhaltige Lebensmittelkonzepte, wie sie von NRO oder Verbänden vorgeschlagen werden, könnten bei der nächsten Konferenz umgesetzt werden. Anstelle von großen Plastikwasserspendern könnte den Teilnehmern gefiltertes Leitungswasser ausgeschenkt werden.

Unnötiges Werbematerial sollte auf Klimakonferenzen ein klares No-Go sein. Ich habe zum Beispiel mein Starterkit abgelehnt und meine eigene Flasche zum Nachfüllen mitgebracht oder die wiederverwendbaren Kaffeebecher zum Wassertrinken benutzt. Ich glaube, man sollte zeigen, dass manchmal weniger materielle Güter (jeglicher Art) die richtige Wahl sind, wenn es um die Bekämpfung von Umweltproblemen geht. Meiner Meinung nach sollte die COP das Ziel haben, den Idealen einer 1,5-Grad-Welt gerecht zu werden, mit allen (Schwierigkeiten und Chancen), die damit einhergehen.

Die Zugänglichkeit für alle weltweit ist ein Gewinn - Laura Nagel

Für uns im COBENEFITS-Projekt waren zwei Dinge relativ früh klar: Wir wollen aktiv an der COP26 teilnehmen. Aber wir wollen nicht nach Glasgow reisen. Das Infektionsrisiko ist noch zu hoch, die Bedingungen vor Ort zu unberechenbar. Also haben wir beschlossen, unser UNFCCC-Side-Event als Hybrid-Event zu organisieren: Einige Partner saßen vor Ort auf dem Podium, während mein Projektleiter Sebastian Helgenberger und ein weiterer Redner live per Bildschirm zugeschaltet waren.

Obwohl die technischen Rahmenbedingungen bis "kurz vorher" noch etwas unklar waren (eine gewisse Spontaneität gehört bei der COP-Planung immer dazu), hat alles gut geklappt. Ein weiterer positiver Effekt der "speed-digitized" COP26: Anders als in anderen Jahren sind die Side-Events sogar auf YouTube öffentlich zugänglich.

Zur Aufzeichnung: COP26-Nebenveranstaltung "Raising the bar for climate action: Neue Erkenntnisse darüber, wie Co-Benefits die NDC-Ambitionen fördern können":

COP26 side event 'Raising the bar for climate action"

Ein wichtiger Schritt für die globale Klimapolitik - Andreas Goldthau

Alok Sharma, der Vorsitzende der gerade zu Ende gegangenen COP26-Klimakonferenz in Glasgow, fasste das Ergebnis prägnant zusammen: Das 1,5 Grad-Ziel wurde am Leben gehalten. Über zwei Wochen hatten etwa 30.000 Delegierte aus fast 200 Ländern verhandelt. Am Ende stand der ‚Glasgow-Klimapakt‘ – kein perfektes Abkommen, aber eines das wichtige Weichenstellungen in der globalen Klimapolitik vornimmt.

Was wurde erreicht? Zum einen haben die Staaten über ihre Selbstverpflichtungen die geplanten Emissionen näher an das Ziel des Pariser Abkommens von 2015 gerückt. Statt eines Pfades gegen 2,7 Grad – der Stand der Dinge noch vor der CO26 – entwickelt sich die Erderwärmung nun eher in Richtung plus 2,4 Grad verglichen mit dem Vorindustriezeitalter. Das ist immer noch weit von den ‚deutlich unter zwei Grad‘, die Paris als Zielmarke vorgibt. Und auch nur, wenn alle Staaten auch wirklich das umsetzen, was die versprochen haben. Mit Blick auf eine zweite Neuerung allerdings besteht Grund zu Optimismus: Ab jetzt werden die Staaten jährlich ihre nationalen Klimapläne und Emissionsziele überarbeiten, statt wie bisher nur alle fünf Jahre. Bereits in Ägypten, zur COP27, können also weltweit Ambitionsziele weiter nach oben geschraubt werden. Dazu wurde das sogenannte Regelwerk verabschiedet, welches das Pariser Abkommen in nachvollziehbare und transparente Prozesse übersetzt, und um eine Komponente ergänzt, die nun den weltweiten Handel mit CO2-Emissionsreduktionen ermöglichen soll. Auch dies ist ein Fortschritt.

Am wichtigsten jedoch ist die Tatsache, dass in Glasgow zum ersten Mal der Hauptschuldige für den globalen Klimawandel benannt wird: die Kohle. Der Energieträger ist nicht nur am schmutzigsten, gemessen an seinen CO2-Emissionen. Er ist zudem weltweit weiterhin auf dem Vormarsch, allen Anstrengungen zum Trotz. Glasgow könnte hier ein Umdenken einleiten. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass etwa 40 Prozent der weltweit laufenden Kohlekraftwerke bis 2030 abgeschaltet werden müssen, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Neue dürfen nicht mehr gebaut werden. Dies ist angesichts des enormen wirtschaftlichen Nachholbedarfes der Schwellenländer ein sehr hoch gestecktes Ziel. Umso bemerkenswerter ist daher, dass angesichts des Einstimmigkeitsprinzips die Notwendigkeit einer Reduktion von fossilen Energieträgern Eingang in die Abschlusserklärung gefunden hat.

Bei der Kohlefrage jedoch offenbart sich auch gleichzeitig ein klarer Riss, der durch die COP26 ging. Denn statt den Kohleausstieg in den Blick zu nehmen, insistierten Indien und China auf ein ‚Herunterfahren‘ der Kohlenutzung. Beide Länder nehmen also für sich – und andere Nicht-Industrieländer – das Recht in Anspruch, Kohle weiterhin nutzen zu können. Ihr Argument ist, dass die historischen Emissionen, und damit der Klimawandel, von den Industrieländern verursacht wurden, die Kosten der Anpassung jedoch bei den Staaten liegen, welche die Industrialisierung noch vor sich haben. Den reichen Staaten werfen sie vor, sich nicht ausreichend an einer Kompensation dieser Kosten zu beteiligen.

Den gesamten Kommentar von Prof. Andreas Goldthau für "Nachgefragt", den Forschungsblog der Uni Erfurt hier lesen!

COP At the end of a long conference day
Am Ende eines langen Konferenztages machen sich die Teilnehmenden auf den Weg zum Bahnhof. Es war bereits klar, dass die Verhandlungsfortschritte kaum mit den Realitäten des Klimawandels mithalten können. Jeder und jede nimmt diese Dissonanz mit nach Hause. IASS/ Lena Bendlin

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