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Headline: Zusammenarbeit mit Politik: Empfehlungen an Forschende

Wissenschaft und Politik sind keine getrennten Welten – die beiden Bereiche haben zahlreiche Berührungspunkte und könnten enger zusammenarbeiten. Selten wurde das so deutlich wie in der Covid-19-Pandemie. Forscherinnen haben die Lücken auf Seiten der Wissenschaft untersucht und zeigen, wie es besser gehen kann.

Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine gute Wissenschaft-Politik-Interaktion ist.
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine gute Wissenschaft-Politik-Interaktion ist. Shutterstock/Janon Stock

Die globalen Herausforderungen und unsere Abhängigkeit von wissenschaftlichem Fortschritt erfordern eine intensive Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik, schreiben Erika von Schneidemesser (IASS), Megan Melamed (International Global Atmospheric Chemistry Project) und Julia Schmale (École Polytechnique Fédérale the Lausanne) in einem Kommentar für die Zeitschrift „Earth’s Future“.

Einerseits brauchen wir die Politik in der Wissenschaft. Politikerinnen und Politiker müssen die Forschung zu kontroversen Themen regulieren – beispielsweise zu technologischen Eingriffen ins Klima und zur Anwendung der Gentechnik am Menschen. Außerdem entscheidet die Politik, welche Bereiche der Forschung durch Fördergelder priorisiert werden.

Auf der anderen Seite brauchen wir mehr Wissenschaft in der Politik, schreiben die Autorinnen. Eine stärkere Zusammenarbeit beider Seiten könnte zu einer engeren Verbindung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Entscheidungen führen. „Die Wissenschaft ist nur eine Stimme von vielen in politischen Entscheidungsprozessen und oft nur eine schwache Stimme“, sagt Hauptautorin Erika von Schneidemesser. „Auf Seiten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fehlt häufig ein Verständnis darüber, was Wissenschaft-Politik-Interaktion eigentlich ist und welche Möglichkeiten sie haben, um sich einzubringen.“

Der Beitrag mit dem Titel „Prepare Scientists to Engage in Science‐Policy“ zeigt, an welchen Stellen die Lücken besonders groß sind und gibt vier Empfehlungen zur Verbesserung:

Wissenschaft-Politik-Interaktion sollte als ein System verstanden werden

Die Autorinnen möchten der Auffassung entgegenwirken, dass es sich bei Wissenschaft und Politik um zwei verschiedene Welten mit nur einer Schnittstelle handelt. „Dies würde das Bild erzeugen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschung machen, Päckchen mit ihren Ergebnissen zur Politik schicken und diese dort genutzt werden. So funktioniert das nicht. Besser bildet die Darstellung als System die Realität ab. Politik und Wissenschaft sind Prozesse, die sich ständig verändern und zahlreiche Berührungspunkte haben“, erläutert von Schneidemesser. Außerdem mache eine systemische Sichtweise deutlich, dass langfristige Beziehungen zwischen Akteuren aus beiden Bereichen notwendig sind.

Die Kenntnis von Wissenschaft-Politik-Interaktion sollte ein Bestandteil der wissenschaftlichen Ausbildung sein

Einblicke in die Wissenschaft-Politik-Interaktion sollten fest in der universitären Ausbildung verankert sein, fordern die Autorinnen. „Ob als kurzer Einstiegs-Kurs oder tiefergehendes Seminar: Wichtig ist, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden können, ob sie sich in das Thema weiter vertiefen möchten“, sagt von Schneidemesser. Persönliche Erfahrungen, Best-Practice-Beispiele, Erfolge und Misserfolge sollten dabei thematisiert werden.

Forschende sollten sich aktiver in die Zusammenarbeit mit der Politik einbringen

Die Möglichkeiten, sich an der Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft zu beteiligen, sind vielfältig. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können Berichte für Regierungen schreiben, Dialoge mit Ministerinnen und Ministern führen, Forschungsprojekte mit Akteuren aus der Politik voranbringen oder sich später selbst für eine politische Karriere entscheiden.

Wissenschaftliche Einrichtungen sollten Engagement in der Zusammenarbeit mit der Politik stärker wertschätzen

Wenn Forschende den Schritt in die Wissenschaft-Politik-Interaktion wagen, werde das bisher kaum wertgeschätzt, kritisieren die Autorinnen. Sie empfehlen, dass Forschungseinrichtungen dieses Engagement würdigen –  ähnlich wie wissenschaftliche Veröffentlichungen oder das Einwerben von Forschungsgeldern – und dafür neue Anreizsysteme schaffen.

Autorin: Veronika Fritz

Link:

von Schneidemesser, E., Melamed, M., & Schmale, J. (2020). Prepare Scientists to Engage in Science‐Policy. Earth's Future, 8(11): e2020EF001628. https://doi.org/10.1029/2020EF001628