Overline: Global Sustainability Strategy Forum
Headline: Wissenschaft und Wirtschaft: Gemeinsam für Nachhaltigkeit

Wie können Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam zur Nachhaltigkeit beitragen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des zweiten Global Sustainability Strategy Forum vom 22. bis 24. März. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde es nicht wie ursprünglich geplant in Bangkok, sondern virtuell abgehalten. 25 führende Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Nachhaltigkeitswissenschaften diskutierten, wie die beiden Sektoren besser zusammenarbeiten können.

Das zweite Global Sustainability Strategy Forum fand via Videokonferenz statt.
Das zweite Global Sustainability Strategy Forum fand via Videokonferenz statt. IASS

Die Gastgeber Ortwin Renn, Ilan Chabay, Solène Droy (alle IASS) und Sander van der Leeuw (Arizona State University) hatten vorab drei Leitfragen formuliert:

1. Wie kann die wissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung mit den umsetzungsorientierten Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen zusammengeführt werden? Was sind Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit und was können wir daraus lernen?

2. Auf welche gemeinsamen Prioritäten sollten sich Wissenschaft und  Wirtschaft für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren, aber auch längerfristig konzentrieren?

3. Welche institutionellen Rahmenbedingungen und Strukturen können auf lokaler bis regionaler Ebene die Zusammenarbeit von Nachhaltigkeitswissenschaft und Wirtschaft unterstützen?

Am Ende zweier Tage mit intensiven Diskussion standen folgende Erkenntnisse:

1. Es gibt drei miteinander verflochtene Konzepte für die Veränderungen, die auf dem Weg zur Nachhaltigkeit notwendig sind: Transition, Transformation und Transgression. Transition meint einen Übergang, der unabhängig vom Wollen und Handeln der Akteure entsteht. Transformation basiert auf der aktiven Gestaltung der Zukunft in Richtung Nachhaltigkeit. Mit Transgression ist eine disruptive Wende gemeint. Die Wirtschaft spielt bei Transformationen eine besonders bedeutsame Rolle, da sie ein mächtiger, global wirksamer Akteur bei der Gestaltung der Zukunft ist. Die Bedeutung der drei Konzepte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit muss jedoch noch besser erforscht werden.

2. Die Rolle der Wirtschaft für die nachhaltige Entwicklung lässt sich zu drei Paradigmen zusammenfassen:

- Wir halten die Art und Weise der Produktion und des Konsums aufrecht und versuchen, unter weitgehender Beibehaltung des Konsums die Kosten für Umwelt und Gesellschaft zu verringern (Beispiel: energieeffizientes Auto mit Verbrennungsmotor).
- Wir ändern die Produktionsweise erheblich, lassen aber die Nachfrage unangetastet (Beispiel: Elektroauto statt Verbrenner, Videokonferenzen statt Reisen).
- Wir ändern unsere Bedürfnisse und Wünsche und richten Güter und Dienstleistungen nach neuen Kriterien, veränderten Wertprioritäten und nachhaltig geprägten Lebensstilen aus (Beispiel: Änderung des Mobilitätsverhaltens, weniger Flugreisen, Nutzung von Fahrrädern und öffentlichen Verkehrsmitteln).

Welches der drei Paradigmen zur Anwendung kommt, kann von einem Sektor zum anderen, von einer Region zur anderen und von einer Kultur zur nächsten variieren. In jedem Fall aber sind neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren, Entscheidungsträgern in Unternehmen, Regulierungsbehörden, NGOs und der Gesellschaft gefordert.

3. Eine enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist entscheidend, damit Wirtschaftsakteure das beste verfügbare Wissen in komplexe Entscheidungen einbeziehen können. Ein Problem hierbei ist der unterschiedliche Zeithorizont. Die Wissenschaft braucht längere Zeitspannen, um zu robusten Erkenntnissen zu gelangen, Unternehmen dagegen müssen schnell auf neue Herausforderungen reagieren. Wenn Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter jedoch die benötigten wissenschaftlichen Erkenntnisse genau definieren, können Forscherinnen und Forscher zuverlässige und gleichzeitig zeitgerechte Analysen durchführen.

4. Die Interaktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kann nur dann effektiv sein, wenn sie auf gegenseitigem Lernen basiert.

- Das Lernen sollte mit einer ehrlichen und umfassenden Einschätzung der gegenwärtigen Situation beginnen und auf dieser Grundlage gemeinsame Ziele und Herausforderungen definieren.
- Es sollte Routinen und Praktiken, die nicht nachhaltig sind, in Frage stellen; d.h. es muss eine „Bereitschaft zum Verlernen“ geben.
- Es sollte auf dem gegenseitigen Vertrauen beruhen, dass jeder Akteur bereit ist, zum gemeinsamen Ziel beizutragen.
- Zum Lernen gehört das Bemühen, sich auf Fakten zu einigen, gemeinsame Werte und Ziele zu identifizieren und Respekt vor den Interessen und Präferenzen des anderen zu zeigen.
- Die Methoden des Lernens sollten auf den Prinzipien eines von gegenseitigem Respekt getragenen Dialogs basieren. Für diesen Dialog gilt es, Entscheidungen auf der Basis von Evidenz, aussagekräftigen Argumenten, gemeinsam ausgehandelten Werten und Zielen sowie Transparenz bei der Abwägung von Zielkonflikten  zu treffen (sog. Deliberative Diskursführung)
- Die Ergebnisse sollten von externen Gutachterinnen und Gutachtern ausgewertet und überwacht werden.

5. Zu einer effektiven Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft gehört das Streben nach Transparenz und Offenheit. Alle Maßnahmen sollten öffentlich gemacht werden, und Daten, die nicht urheberrechtlich geschützt sind, sollten von allen Akteuren gemeinsam genutzt werden. Transparenz ist eine wichtige Triebkraft für Veränderungen, da Unternehmen auch vom öffentlichen Ansehen abhängig sind.

6. Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist ein klares Verständnis der Rolle und Funktion des jeweils anderen. Die Wissenschaft kann Forschungserkenntnisse liefern, aber auch Beratung bei der Gestaltung von Prozessen der Entscheidungsfindung und Politikgestaltung leisten. Sie kann solche Prozesse auch konstruktiv kritisch begleiten. Die Wirtschaft kann Plattformen für die Erprobung neuer Ansätze (zum Beispiel Living Labs) anbieten, Daten für weitere Analysen bereitstellen und Erfahrungen darüber austauschen, was funktioniert oder nicht funktioniert. Darüber hinaus müssen alle Kooperationsvereinbarungen klären, wer von den angestrebten Veränderungen betroffen ist - auf positive und negative Weise. Wichtig ist es, die Implikationen für die Verteilung von Belastungen und Vorteilen zu thematisieren und Strategien auszuarbeiten, die einen fairen und sozial gerechten Ausgleich ermöglichen.

Die wichtigsten Ergebnisse dieses virtuellen 2. Global Sustainability Strategy Forum werden in einem Synthesebericht zusammengefasst. Im Oktober trifft sich die Kerngruppe des Forums in Hannover, um Nachhaltigkeitsstrategien auf regionaler Ebene zu entwerfen und vor allem die Rolle wissenschaftlicher Institutionen wie Universitäten oder Wissenschaftsakademien beim Transfer von Nachhaltigkeitswissen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft näher zu spezifizieren.

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