Overline: Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg
Headline: Wie gelingt Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene?

Kommunen sind ein Schlüssel zu einer nachhaltigeren Zukunft, denn erneuerbare Energien können besonders gut in ländlichen Räumen produziert werden. Daher spielen gerade Städte und Dörfer in einem Flächenland wie Brandenburg eine zentrale Rolle: Wie können sie sich resilient und nachhaltig aufstellen, um ihren Einwohnerinnen und Einwohnern eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen? Darum ging es bei der Tagung „Nachhaltige Kommunen in Brandenburg: Wie weiter?“ der Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg, die vom Institut für transformative Nachhaltigkeit (IASS) in Potsdam gemanagt wird.

Jugendforum Nachhaltigkeit Brandenburg
Frederike Timme und Jana Schelte vom Jugendforum Nachhaltigkeit Brandenburg (JuFoNa) präsentieren die Zukunftsideen ihres Verbands. IASS/ S. Letz

Bei der Tagung „Nachhaltige Kommunen in Brandenburg: Wie weiter?“ am 7. November 2022 am Seddiner See rückte Jan Korte vom Rat für nachhaltige Entwicklung in seinem Vortrag vor 63 Kommunalvertretern und -vertreterinnen aus dem Flächenland die wichtige Rolle der Kommunen beim Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele in den Fokus: „65 Prozent der SDGs sind ohne intensives Mitwirken der Kommunen nicht zu erreichen!“

Nach wie vor sei zudem der Wohnflächenverbrauch in Deutschland zu hoch: Er liege aktuell bei 47 Quadratmetern pro Kopf. Lägen wir noch bei der durchschnittlichen Wohnfläche von 1960 – nämlich bei 19 Quadratmetern pro Kopf - dann hätten wir Wohnraum für 200 Millionen Menschen, sagte Korte. Die durch Neubauten versiegelten Flächen von 54 Hektar pro Tag entsprächen rund 76 Fußballfeldern laut Statistischem Bundesamt. „Das 30-Hektar-Ziel der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie rückt so natürlich in weite Ferne“, sagte Korte.

Dass Kommunen, die eine Vorreiterrolle etwa beim Ausbau zu einer nachhaltigeren Energieversorgung oder einer Kreislaufwirtschaft einnehmen, immer einzelne treibende Köpfe hatten wie etwa einen Bürgermeister oder eine Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger, zeigte sich an den Beispielen, die bei der Tagung den Vertreterinnen und Vertretern aus Kommunen Brandenburgs präsentiert wurden. Allen war außerdem gemein, dass Gemeindemitglieder etwa an den Projekten der Energieerzeugung vor Ort beteiligt wurden.

Beispielhaft: Klimakommune Saerbeck

Die Kommune Saerbeck im Münsterland mit rund 7000 Einwohnerinnen und Einwohnern wurde von Guido Wallraven vorgestellt, der das Vorhaben auf dem Weg zur energieautarken Gemeinde über die vergangenen zwölf Jahre selbst erlebt hat. Ein ehemaliges Munitionsdepot wurde von der Gemeinde erstanden und eine Energiegenossenschaft gegründet mit rund 400 Genossinnen und Genossen aus der Kommune. Es entstand ein Windenergie-, Photovoltaik- und Biomassepark, mit dem CO2-Emissionen um 50 Prozent reduziert wurden. Bereits seit 2013 erzeugt die Gemeinde mit ihrem Energiepark mehr Strom aus erneuerbaren Quellen als im Ort verbraucht wird. Zugleich sind 80 Arbeitsplätze entstanden.

Das derzeit laufende Projekt ist ein Stoffstrommanagement und Bildungsangebote für Schülerinnen und Schüler, um das Wissen weiterzugeben. Die Klimakommune Saerbeck empfängt mittlerweile Delegationen aus der ganzen Welt und stellt die erreichten Veränderungen im Sinne des Know-how-Transfers vor. Das Zukunftsprojekt ab 2023 sagt Wallraven ist die Ansiedlung von Elektrolyseuren für die Herstellung von grünem Wasserstoff, wodurch 300 neue Stellen zusätzlich entstehen.

Beispielhaft: Uckerland in Brandenburg

Es wurde vorgestellt von Bürgermeister Matthias Schilling unter dem Motto: „Abgehängte Region oder nachhaltige Innovationsschmiede?“ Die nackten Zahlen sahen zunächst nicht gut aus: Die Bevölkerung nehme ab, die Arbeitslosenzahl läge bei 9,5 Prozent, es herrsche ein Mangel an Lehrkräften. Die Leerstandsquote läge bei 30 Prozent. Zudem gäbe es immer öfter extremen Wassermangel, der zum ausgetrockneten Dorfteich im Sommer führe. Aber Uckerland ist Energieexportgemeinde: 123.000 Haushalte können ein Jahr lang von Uckerland mit Energie versorgt werden. Derzeit können mit der auf dem Gemeindegebiet erzeugten Energie rund 187.000 Tonnen CO2 eingespart werden.
 
Doch damit nicht genug: An Windparks stören sich viele Anwohnerinnen und Anwohner oft an den leuchtenden roten Lichtern in der Nacht. Die Uckerländer Gemeindemitglieder haben bei ihren Anlagen deshalb die Bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung (BNK) von Dark Sky verbaut, die nächtliche Lichtemissionen um bis zu 95 Prozent reduziert, weil das Licht nur bei Notwendigkeit per Transponder aktiviert wird. Diese BNK-Systeme sollen laut EEG bei Onshore-Windanlagen, die nach 2005 in Betrieb gegangen sind, nun bis 31. Dezember 2023 angebracht werden.

Außerdem betreiben die Bürgerinnen und Bürger von Uckerland ein Pilotprojekt zum Vogelmonitoring, dabei geht die Windturbine aus, sobald Vögel anfliegen, die von einem Sensor erfasst werden. Ein weiteres Pilotprojekt erzeugt aus der überschüssigen Energie der Windparks in einem riesigen großen Behälter Warmwasser, welches bis zu 20 Tage warm bleibt und die umliegenden Haushalte versorgt. Bürgermeister Schilling umschreibt das System als „riesigen Tauchsieder“. „All das hat die Akzeptanz der Windenergie bei uns enorm erhöht“, sagt Schilling.

Wie sollen unsere Städte und Dörfer der Zukunft aussehen?

Einen Ausblick in die Zukunft und einen Einblick in die Wünsche der jungen Generationen wiederum boten Frederike Timme und Jana Schelte vom Jugendforum Nachhaltigkeit Brandenburg (JuFoNa) mit ihrer Präsentation. Von der Idee einer „Kommune der kurzen Wege“ über ein Mehr an Demokratie, ein Mehr an Gemeinschaft und solidarischem Miteinander, einem verringerten Energieverbrauch und Klimaneutralität bis zum Abbau von Möglichkeiten, Geld in politische Macht zu verwandeln.

Die Präsentation von Timme und Schelte zum Durchklicken
 
Die Veranstaltung wurde durch die Arbeitsgruppe Nachhaltige Kommune der Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg organisiert. Die Veranstaltung wurde durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) des Landes Brandenburg finanziert und fand in Kooperation mit Brandenburg 21 e.V., RENN.mitte, Forum ländlicher Raum - Netzwerk Brandenburg, Stadt Baruth/Mark und VENROB e.V. statt. Die Geschäftsstelle der Plattform befindet sich am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS).