Headline: Wie gelingt die Energiewende in Entwicklungsländern? Neues Projekt zur Überwindung von Ungleichheiten

Die internationale Energiewende schafft viele Vorteile, aber auch neue Ungleichheiten. Die Risiken betreffen vor allem die Entwicklungsländer, die weniger Zugang zu Technologien und Kapital haben. Wie kann die Energiewende auch in diesen Ländern gelingen? Diese Frage steht im Zentrum eines neuen Projektes zur Erforschung der systemischen Auswirkungen der globalen Energiewende. Es wird mit 1,5 Millionen Euro vom französisch-deutschen Fellowship-Programm für Klima-, Energie- und Erdsystemforschung im Rahmen der französischen Initiative „Make our planet great again“ finanziert. Diese wurde im Juni 2017 vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron ins Leben gerufen.

Auf einem Markt in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé verkaufen Händler Kohle, die unter anderem für Kochherde genutzt wird. Viele Entwicklungsländer haben nur wenig Zugang zu Energiewende-Zukunftstechnologien.
Auf einem Markt in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé verkaufen Händler Kohle, die auch für Kochherde genutzt wird. Viele Entwicklungsländer haben nur wenig Zugang zu Energiewende-Zukunftstechnologien. Ollivier Girard/CIFOR CC BY-NC-ND 2.0

Gemeinsam mit den Betroffenen nach Lösungen suchen

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird für das gesamte Programm 15 Millionen Euro, das französische Bildungsministerium 30 Millionen Euro bereitstellen, dazu kommen Beiträge der Forschungspartner. Von 13 ausgewählten Projekten ist das Projekt, das vom IASS federführend durchgeführt wird, das einzige sozialwissenschaftliche Forschungsvorhaben. Geleitet wird es von Andreas Goldthau, Professor für internationale Beziehungen am Royal Holloway College der University of London. Er wird ab Januar 2019 für vier Jahre in einem interdisziplinären Team mit vier wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am IASS Potsdam forschen.

Angesiedelt ist das Projekt beim IASS im Bereich der Energieforschung.  Der dafür zuständige wissenschaftliche Direktor, Ortwin Renn, ist sehr erfreut, dass mit diesem Projekt die internationale Dimension der Gerechtigkeitsforschung im Energiebereich am IASS gestärkt wird. „Neben unser nationales Nachhaltigkeitsbarometer für die sozialen Auswirkungen der Energiewende“, so Ortwin Renn, „tritt nun auch eine internationale Analyse über die Verteilungswirkungen der Energiewende. Wichtig für uns ist dabei, dass wir nicht bei der Situationsbeschreibung stehen bleiben, sondern gemeinsam mit den betroffenen Institutionen und Gruppen nach sozialverträglichen Lösungen suchen.“

Ungleicher Zugang zu Technologien und Kapital

Das Narrativ der Energiewende werde sehr positiv gesponnen, das sei aber „nicht die ganze Story“, erläutert Andreas Goldthau: „Gerade für den Globalen Süden ist die Energiewende mit systemischen Risiken verbunden, denn der Wandel trifft sie besonders: Investitionen in fossile Energieträger versprechen keine langfristige Rentabilität mehr, vorteilhaft sind hingegen Rechte an Zukunfts-Technologien für ein kohlenstoffarmes Wirtschaftssystem. Über die verfügen aber vor allem die OECD-Länder und China. Mit unserer Forschungsarbeit wollen wir deutlich machen, wo die Stellschrauben sind, an die wir ranmüssen, damit die Gewinne gerecht verteilt werden.“ Zu diesem Zweck entwickelt das Projektteam Vorschläge für Governance-Initiativen, die konfliktträchtige Politikziele in Einklang bringen. 

Zu Beginn befragt das Projektteam Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus der Finanz- und Versicherungsbranche sowie der Politik nach ihrer Einschätzung von systemischen Risiken der globalen Energiewende. Daran anschließend führt es – ausgehend von Variablen wie der relativen wirtschaftlichen Entwicklung, der Qualität der Institutionen und der Rolle von fossilen Ressourcen – Szenario-Analysen durch. An ihnen wird deutlich, welchen verschiedenen Arten von makro- und sozioökonomischen Risiken  vor allem Länder des Globalen Südens ausgesetzt sind.

Aus Interviews, Szenario-Analysen und Fallstudien gehen Politik-Empfehlungen hervor

Die Szenarien überprüfen die Forscherinnen und Forscher mithilfe von ausgewählten Fallstudien in verschiedenen Weltregionen. Sie befragen dort Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus der lokalen Wirtschaft und dem Corporate-Finance-Bereich sowie von  Entwicklungsagenturen und  -banken. Ziel ist es, die Wohlfahrtseffekte und die Folgen für Entwicklung, Verteilung sowie finanzielle und Handelsrisiken für verschiedene Szenarien zu ermitteln. Abschließend erarbeiten die Forscherinnen und Forscher politische Empfehlungen, wie die Herausforderungen für Entwicklungsländer bewältigt werden können. Mit Policy Briefs und Kommentaren in Medien wollen sie politische Debatten in Frankreich, Deutschland und Europa anregen.

In jeder Phase des Projekts sind Veröffentlichungen in Fachzeitschriften geplant. Zum Abschluss wird ein umfassender, an politischen Fragestellungen orientierter Bericht existierende globale und regionale Politikinitiativen im öffentlichen und privaten Sektor sowie in Public-Private Partnerships analysieren und eine Reihe von Politikvorschlägen unterbreiten.

Weitere Informationen:

Das Projekt Investigating the Systemic Impacts of the Global Energy Transition (ISIGET) wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Forschungsinitiative „Make our Planet Great Again – German Research Initiative“, Förderkennzeichen 57429628, die durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) umgesetzt wird.