Headline: UN-Verhandlungen zum Schutz der Hohen See: Policy Brief gibt Empfehlungen zur Nutzung regionaler Governance

Die UN-Seerechtskonvention regelt die Nutzung der Meeresgebiete außerhalb der Hoheitsgebiete von Küstenstaaten: Für Fangrechte, Schürfrechte und andere Nutzungen gilt internationales Recht. Wie die Arten und Lebensräume geschützt werden können, ist darin nicht ausreichend geregelt. Das soll sich künftig ändern: Im September 2018 haben die Verhandlungen über ein neues internationales Abkommen begonnen, das die biologische Vielfalt in den Meeren außerhalb der Hoheitsgebiete schützen und so auch die UN-Nachhaltigkeitsziele unterstützen soll. Forscherinnen und Forscher vom IASS und Partnern sind bei den Verhandlungen dabei und haben nun in einem Policy Brief Empfehlungen für ein solches Abkommen vorgelegt.

Überfischung und Plastikmüll bedrohen Meeresbewohner wie diese Wasserschildkröte. Ein neues Abkommen würde ihnen Schutz gewähren.
Überfischung und Plastikmüll bedrohen Meeresbewohner wie diese Wasserschildkröte. Ein neues Abkommen würde ihnen Schutz gewähren. Free Photos (863336)/Creative Commons Pixabay

„Die bestehenden internationalen Regeln sind  nicht ausreichend, um den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Hohen See sicherzustellen“, sagt Sebastian Unger, Projektleiter Ocean Governance am IASS. Zwar wird die Nutzung der Meere und ihrer Ressourcen über das international verbindliche Seerechtsübereinkommen geregelt. Staaten legen mit Hilfe dieses Abkommens unter anderem ihre Hoheitsgewässer fest, die bis zu 200 Seemeilen von den Küsten ins Meer hinausreichen und in denen die Küstenstaaten die ausschließen Nutzungsrechte an den Meeresressourcen haben. Über 60 Prozent der Meeresgebiete liegen jedoch als Hohe See außerhalb nationaler Hoheitsgewalt. Hier gibt es bisher keinen internationalen Mechanismus, der beispielsweise die Schaffung und Verwaltung von Meeresschutzgebieten ermöglichen würde. Zudem gibt es momentan keine rechtliche Verpflichtung, vor Aktivitäten in diesen Gebieten Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen. Auch der Zugang zu genetischen Ressourcen in den Meeren und deren Nutzung sind nicht reguliert. Ein solides internationales Übereinkommen und eine stärkere regionale Regulierung sind somit unverzichtbar für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Artenvielfalt in den Hochseegebieten.
Gerade jetzt bietet sich dafür eine gute Gelegenheit: Mit Beschluss der Generalversammlung haben die UN-Staaten im September die Verhandlungen über ein internationales, rechtlich bindendes Instrument zur Erhaltung der biologischen Vielfalt der Meere in den Gebieten außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit aufgenommen. Innerhalb von zwei Jahren sollen die Verhandlungen zum Abschluss gebracht werden. Am Ende soll es erstmals einen rechtlich verbindlichen Rahmen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung  der Hohen See geben.

Es mangelt an Abstimmung zwischen den Meeresschutz-Akteuren

Eine wichtige Lücke im Hochseeschutz besteht zudem in der Zusammenarbeit der verschiedenen Sektoren, wie der Schifffahrt und der Fischerei. Sowohl regionale als auch sektorale Organisationen und Instrumente spielen eine wichtige Rolle, arbeiten bisher jedoch kaum zusammen. Eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit zwischen internationalen, regionalen und sektoralen Institutionen und Akteuren wird eine Voraussetzung für den Erfolg eines zukünftigen Abkommens sein. „Es ist deshalb wichtig, dass auch die bestehenden sektoralen und regionalen Abkommen und Institutionen das neue Hochsee-Abkommen unterstützen“, sagt Carole Durussel, Co-Leiterin des Forschungsprojektes „Stärkung der regionalen Governance für die Hohe See“ (STRONG High Seas), das von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) finanziert und vom IASS koordiniert wird. In dem Projekt arbeiten Wissenschaftler, Entscheidungsträger und zivilgesellschaftliche Akteure  in den Meeresregionen im Südostatlantik und Südostpazifik zusammen, um neue regionale Ansätze für den Schutz der Hohen See zu entwickeln. Sie verbinden große Hoffnungen mit dem neuen Abkommen. Wenn es gelingt, das Zusammenspiel der verschiedenen globalen und regionalen Entscheidungsebenen und Institutionen in einem international verbindlichen Abkommen festzuschreiben, verbessert das die Chancen, das Ökosystem der Meere zu schützen und einen gesunden Ozean für die gegenwärtigen und künftigen Generationen zu sichern. „Regionale Organisationen in den Staaten am Südostatlantik und Südostpazifik haben die Notwendigkeit erkannt, die Meerespolitik zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt, auch auf Hoher See, zu stärken“, sagt Ben Boteler, Co-Leiter des Projektes STRONG High Seas.
Im aktuellen Policy Brief identifizieren und empfehlen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Projektes als Argumentationshilfe für die Verhandlungspartner  konkrete Möglichkeiten, wie allgemeinverbindliche Standards eingeführt werden können und die internationale Kooperation verbessert werden kann.

Kernbotschaften

1.    Regionale Meeresorganisationen, Prozesse und Koordinationsmechanismen sollten eine wichtige Rolle bei der Annäherung an den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der marinen Biodiversität spielen und dieses Potenzial sollte für globales Handeln genutzt werden.

2.    Erfolgreiche sektorübergreifende Zusammenarbeit zum Erhalt der Biodiversität in den Ozeanen benötigt ein gemeinsames, von allen geteiltes Ziel sowie ein Prinzipienwerk, das die verschiedenen Ebenen und Verwaltungseinheiten umfasst, aber auch transparente, partizipatorische und inklusive Entscheidungsfindungen und die Zuständigkeiten zwischen den globalen und den regionalen/sektoralen Ebenen festschreibt. Solche Elemente sollten im neuen Abkommen enthalten sein.

3.    Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten der regionalen und sektoralen Akteure sollten unbedingt genutzt werden und können zu einer realitätsnahen und praktikablen Umsetzung führen.  

4.    Die regionalen und sektoralen Ebenen können globale Standards, die mit dem neuen Abkommen eingeführt werden, mit zusätzlichen Vereinbarungen untermauern. Auf diese Weise können sie den Besonderheiten der jeweiligen Region, ihren Herausforderungen und Bedürfnissen gerecht werden und auch über die Standards hinausgehen.

Gjerde, K., Boteler, B., Durussel, C., Rochette, J., Unger, S., Wright‚ G., Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction: Options for Underpinning a Strong Global BBNJ Agreement through Regional  and Sectoral Governance’, STRONG High Seas Project, 2018.