Headline: Gibt es ein Modell für den Kohleausstieg? Internationale Erfahrungen in der Diskussion

Kanada hat im November seinen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2030 angekündigt, in Großbritannien soll das letzte Kohlekraftwerk sogar schon 2025 vom Stromnetz gehen, und Dänemark will seine Strom- und Wärmeversorgung bis 2030 ganz auf erneuerbare Energien umstellen. Wie kamen diese Beschlüsse zustande? Welche politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen haben sie unterstützt? Wie wurden Konflikte gelöst? Lassen sich Gemeinsamkeiten der „Vorreiter-Länder“ feststellen? Diese Fragen waren Thema des Workshops „Is there a blueprint for coal phase-outs?“, der am 22. und 23. November am IASS stattfand.

Wissenschaftler sowie Vertreter von Ministerien, staatlichen Behörden und Thinktanks berichteten über Erfahrungen aus Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark, Deutschland sowie den kanadischen Provinzen Alberta und Ontario. „Wir haben gezielt Experten aus Regierung und Wissenschaft der Ländern einladen, bei denen es bereits Erfahrungen mit einem Kohleausstieg gibt. Wir wollen den internationalen Austausch zu diesem Thema zu fördern und sehen, inwieweit Erfahrungen nutzbar gemacht werden können“, erläutert Dominik Schäuble vom IASS.

Großbritannien: Profilierung durch Kohleausstieg

In Großbritannien bestätigte Energieministerin Amber Rudd 2015 den Willen, die Abhängigkeit von den „umweltschädlichen, kohlenstoffintensiven, 50 Jahre alten Kohlekraftwerken“ zu beenden. Gleichzeitig fördert die Regierung Gas- und Atomkraftwerke und hat Subventionen für Erneuerbare gekürzt. Begünstigend für den britischen Kohleausstieg ist das hohe Alter der Kraftwerke. Der CO2-Mindestpreis beeinträchtigt deren Wirtschaftlichkeit zunehmend.

Die Niederlande betreiben weiter Kohlekraftwerke, Dänemark stellt auf Windenergie um

In den Niederlanden hat das Energieabkommen von 2013 zur Schließung von fünf der zehn Kohlekraftwerke geführt, die alle in den 1980er Jahren gebaut wurden. Nach einem Antrag im Parlament wird auch in der Öffentlichkeit über einen Kohleausstieg debattiert. Die niederländischen Kohlekraftwerke sind vergleichsweise neu und effizient. Zurzeit wird untersucht, ob ein Kohleausstieg, der die CO2-Emissionen in den Niederlanden senken würde, auch zu einer Emissionsminderung auf europäischer Ebene führen würde.

In Dänemark werden die verbleibenden Kohlemeiler immer öfter heruntergefahren, damit das Netz mehr Windstrom aufnehmen kann. Bis 2050 soll der Anteil auf 50 Prozent steigen. Alle konventionellen Kraftwerke nutzen Kraft-Wärme-Kopplung und produzieren so zum Beispiel Fernwärme. Das erhöht ihre Effizienz beträchtlich. Darüber hinaus wird die Umstellung der Kohlekraftwerke auf Biomasseverbrennung als Lösung gesehen.

Kanada: Klima- und Gesundheitsschutz als Argumente für den Kohleausstieg

In der kanadischen Debatte über den Kohleausstieg spielte neben dem Klimaschutz auch der Schutz der Gesundheit eine wichtige Rolle, wie Ivetta Gerasimchuk vom International Institute for Sustainable Development und eine Vertreterin des Thinktanks Pembina Institute am Beispiel der Provinzen Ontario und Alberta deutlich machten. Ärzteverbände wie die Canadian Association of Physicians for the Environment wurden von der Regierung in die Pläne für den Kohleausstieg eingebunden. Doch sind die Wege, die die beiden kanadischen Provinzen Ontario und Alberta beim Ausstieg aus der Kohlenutzung beschreiten, sehr unterschiedlich, unter anderem auch wegen der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen im Kohlesektor. In Ontario wird keine Kohle gefördert und die Provinz hat eine starke Atomindustrie. Alberta versucht durch den Kohleausstieg den Druck zur Emissionsminderung in der Öl- und Gasindustrie zu senken. Diese Faktoren begünstigten die Entscheidungen zum Kohleausstieg.

„Die Rahmenbedingungen für einen Kohleausstieg sind von Land zu Land sehr unterschiedlich, eine Blaupause kann es daher nicht geben. Dennoch bringt uns ein verstärkter Austausch weiter, weil Erfahrungen mit verschiedenen Ansätzen und Instrumenten durchaus hilfreich für andere Länder sein können“, zog Daniela Setton vom IASS Bilanz. Die Ergebnisse des Workshops fließen in eine Studie ein, die Setton und Schäuble im kommenden Jahr veröffentlichen werden.