Overline: UN-Klimakonferenzen
Headline: Ehrgeiziger Klimaschutz braucht neue Denkweisen

Der Klimawandel schreitet voran und die Ergebnisse der UN-Klimakonferenzen bleiben regelmäßig hinter dem Notwendigen zurück. Liegt dies auch an der Art und Weise, wie diese internationalen Konferenzen organisiert sind? Könnten wir mit einer neuen Geisteshaltung größere Fortschritte im Klimaschutz erzielen? Welche innere Haltung und Denkweisen ermöglichen neue Wege in der Kommunikation und Zusammenarbeit? Um diesen Fragen nachzugehen, hat ein Forschungsteam während der UN-Klimakonferenz 2019 (COP25) in Madrid einen Dialograum konzipiert, 20 Workshops organisiert und Interviews geführt. Die wissenschaftliche Auswertung des Dialograumes und der Interviews mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der COP25 zeigen, dass ein Mentalitätswandel notwendig ist, um die gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der Zeitschrift „Environmental Science and Policy“ erschienen.

COP25 letzter Tag im Reflection & Dialogue Space des IASS
Visitors to the Reflection and Dialogue Space at COP25 discussed the potential for improving the current COP culture IASS/ D. Stasiak

Bei der COP25 bot das IASS in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Chalmers in Göteborg, der Universität in Lund und der University of East Anglia einen „Ko-kreativen Reflexions- und Dialograum“ an. Besucherinnen und Besucher sprachen dort darüber, wie sie die aktuelle „COP-Kultur“ wahrnehmen, welche innere Haltung und Denkweisen kultiviert werden müssen, um eine für den Klimaschutz förderlichere Gesprächs- und Verhandlungskultur zu unterstützen, und wie dies ermöglicht werden könnte. Ziel war es, eine Forschungslücke zu füllen: Zwar gibt es im Bereich der Nachhaltigkeit immer mehr Forschungsarbeiten, die eine stärkere Berücksichtigung auch der inneren Dimensionen zum Gegenstand haben, doch ist nur sehr wenig darüber bekannt, auf welche Weise dieses Wissen das Handeln tatsächlich verändern kann. Die Ergebnisse der Studie können unter den folgenden Punkten zusammengefasst werden:

  • In verschiedenen Sektoren und Kontexten zeichnet sich bereits eine Änderung der Denkweise ab.
  • Die Denkweise bezieht sich auf neue, relationale – also auf Beziehungen konzentrierte - Arten des Wissens, Seins und Handelns.
  • Auf kollektiver Ebene ist noch kein Paradigmenwechsel eingetreten.
  • Sichere Räume können als sichtbare Manifestation und Katalysator dieser neuen Denkweisen fungieren.

Des Weiteren identifizieren die Forscherinnen und Forscher in der Studie fünf Cluster von Merkmalen einer Geisteshaltung, die bei Nachhaltigkeitstransformationen eine besondere Rolle spielen:

  • Offenheit, Selbsterkenntnis und Reflexion: Die Fähigkeit, Situationen, Menschen, anderen und sich selbst mit Offenheit, Präsenz und Akzeptanz zu begegnen.
  • Mitgefühl und Empathie: Die Fähigkeit und der Wunsch, sich selbst, anderen und der Welt mit Sorgfalt, Demut und Integrität zu begegnen.
  • Denken in Perspektiven und Bezügen: Die Fähigkeit, mehr Perspektiven für ein breiteres, relationales Verständnis des eigenen Selbst, anderer und des Ganzen zu sehen und einzubringen (z. B. in Bezug auf das Verständnis des Zustands des Planeten und der Art und Weise, wie Informationen verarbeitet werden).
  • Handlungsfähigkeit, Empowerment und Sinnstiftung: Die Fähigkeit, breitere und tiefere Muster zu sehen, zu verstehen und unsere eigene Rolle in der Welt entsprechend einzuordnen. Dies bezieht sich auch auf optimistische, hoffnungsvolle Gefühle und Einstellungen.
  • Wertebasierter Mut und Engagement: Die Fähigkeit, sich auf der Grundlage von Einsichten in das, was wichtig ist (innere Werte und Ethik), selbst durch die Welt zu navigieren und den Mut zu haben, danach zu handeln. Dies bezieht sich auf grundlegende, handlungsorientierte Einstellungen.

Die Ergebnisse können viel zu einer nachhaltigen Klimapolitik beitragen und werden von IASS-Forscherinnen und -Forschern in aktuelle Diskurse um notwendige inhaltliche und strukturelle Veränderungen der COP eingebracht, die derzeit unter anderem vom Wuppertal Institut und dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik vorangetrieben werden.

Am 24. Juni präsentierten IASS-Forscherinnen und -Forscher in dem Workshop „It´s the End of the COP …as We Know it“ erste Ergebnisse der Studie.

Publikation

Wamsler, C; Schäpke, N.; Fraude, C., Stasiak, D.; Bruhn, T.; Lawrence, M.; Schroeder, H.; Mundaca, L.;: Enabling new mindsets  and transformative skills for negotiating and activating climate action: Lessons from UNFCCC conferences of the parties; Enviromental Science and Policy; https://doi.org/10.1016/j.envsci.2020.06.005