Vernetzte Zukunft: Von Yekîtî bis Ubuntu
16.10.2025

Was haben die Worte Yekîtî, Mitákuye Oyás’iŋ und Ubuntu mit nachhaltiger Entwicklung zu tun? Diese Frage entfachte eine lebhafte Diskussion während eines Abenddialogs mit Schüler:innen und den Teilnehmenden der Potsdam Summer School 2025 unter dem Motto „Jenseits von 2030 – Wege und Prioritäten für eine nachhaltige Zukunft“.
Gemeinsam organisiert vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am GFZ, dem Alfred-Wegener-Institut (AWI), dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) und der Universität Potsdam, brachte die Sommerschule 29 Forscher:innen und Praktiker:innen zusammen, die sich für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz einsetzen. Die Teilnehmenden kamen aus 18 Ländern und unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen – von Bachelorstudierenden bis hin zu Postdocs und Expert:innen. Sie nutzten die Gelegenheit für intensiven Austausch, Diskussionen und gemeinsame Erlebnisse.
“Für mich war der eindrucksvollste Moment die Erkenntnis, wie schnell Vertrauen und Gemeinschaft entstanden sind. Am ersten Tag waren wir 29 Fremde aus 18 Ländern. Am Ende fühlte es sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Besonders die abendlichen Reflexionen haben mir gefallen – ehrliche Gedanken und sogar ein paar Witze schufen einen sicheren Raum, um nicht nur Ideen, sondern auch Zweifel zu teilen.”
Die Sommerschule war eine intensive und eindringliche Reise zu der Frage, was es wirklich bedeutet, über das Jahr 2030 hinauszudenken – im Kontext der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung. Wir beleuchteten die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik, reflektierten über bisherige Erfolge und diskutierten bestehende Lücken und Herausforderungen. Die Diskussion zu Ozeanen und Küstenregionen verdeutlichte die Verletzlichkeit unseres blauen Planeten, während der Fokus auf Landwirtschaft und dem One Health-Konzept die tiefen Verbindungen zwischen menschlicher, tierischer und planetarer Gesundheit hervorhob. Ein zentrales Thema war die Kooperation durch Verhandlung und Zusammenarbeit. In einem „Living Lab“-Format schlüpften wir in die Rollen verschiedener Interessengruppen mit dem gemeinsamen Ziel, die Eckernförder Bucht vor Umweltgefahren wie Plastikverschmutzung und Nährstoffeinträgen zu schützen. Die Sessions zu Digitalisierung und KI lösten ebenfalls leidenschaftliche Debatten aus: Sind diese Technologien der Weg zu sinnvollen Lösungen – oder öffnen sie eine neue Büchse der Pandora? Die Vorstellung der Data Workers' Inquiry, einer globalen partizipativen Forschungsinitiative von Datenarbeiter:innen, regte dazu an, die versteckten Kosten der Technologien, die wir täglich nutzen, zu hinterfragen und die Bedeutung von ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit neu zu denken. Über alle Themen hinweg forderten uns Vortragende und Teilnehmende dazu auf, disziplinäre Grenzen zu überwinden und unterschiedliche Perspektiven zu verbinden – ein Spiegelbild der Komplexität und Verflechtung nachhaltiger Entwicklung.
“Ich verstand es als einen Aufruf, Wissenschaftsjournalismus über die reine Berichterstattung hinaus zu denken: Wissenschaft sollte in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext eingebettet werden, inklusive Menschenrechte, Wirtschaft, Gerechtigkeit, Governance und Geopolitik. So wie Forschende zunehmend aufgefordert werden, ihre disziplinären ‚Blasen‘ zu verlassen und transdisziplinär zu arbeiten, stehen auch Wissenschaftsjournalist:innen vor der Herausforderung, ihren Blick zu weiten.”
Einige Momente bleiben unvergesslich: Die Führung am Telegrafenberg, benannt nach der historischen optischen Telegrafenstation, ließ uns in die Fußstapfen wissenschaftlicher Pioniere treten. Der Besuch beim Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) zeigte, wie agrartechnische Innovationen Forschung in greifbare Lösungen für die Bioökonomie übersetzen können. Auch die Abende waren bereichernd: Der Dialog mit Schüler:innen brachte eine erfrischende Ehrlichkeit (und manchmal brutal direkte Fragen), die uns daran erinnerte, warum uns diese Themen am Herzen liegen. Und natürlich war unsere Session zur Wissenschaftskommunikation ein Crashkurs darin, PowerPoint hinter sich zu lassen und Nachhaltigkeit spannend und alltagsnah zu vermitteln. Was viele überraschte: Wie schnell Fremde aus aller Welt zu einer Gemeinschaft wurden. Von sonnenverwöhnten gemeinsamen Mahlzeiten auf der Dachterrasse bis zu Frühstückspläuschen und nächtlichen Brainstormings – es ging weniger um Vorträge als um Menschen.
"Was wir brauchen: Akademiker:innen und Journalist:innen, die gemeinsam die ethischen und gesellschaftlichen Implikationen neuer Forschung und Innovation kritisch untersuchen, das öffentliche Verständnis mitgestalten, Wissenschaft und Kommunikation dekolonisieren und gerechte gesellschaftliche Transformationen ermöglichen."
Und was ist mit Yekîtî, Mitákuye Oyás’iŋ und Ubuntu? Wenig überraschend stehen sie für Konzepte wie Verbundenheit, Gemeinschaft, Zusammenhalt und Solidarität. Die Sommerschule war ein lebendiges Beispiel dafür: Menschen unterschiedlicher Altersgruppen, Kulturen und beruflicher Hintergründe kamen zusammen und erlebten ein starkes Gefühl von Einheit und Selbstwirksamkeit – etwas, das oft fehlt, wenn man isoliert arbeitet. Diese Begegnungen förderten Empathie und erweiterten Perspektiven – entscheidend, um komplexe Nachhaltigkeitsherausforderungen zu bewältigen. Wenn Menschen aus verschiedenen Kontexten tief miteinander in Verbindung treten, stärken sie den sozialen Zusammenhalt und ermöglichen kollektives Handeln. Würden mehr Menschen solche Erfahrungen machen – mit kritischer Reflexion, respektvollem Dialog und offener Neugier – könnten Gesellschaften dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung für Mensch und Umwelt deutlich näherkommen.
“Als jemand, der sich oft vom internationalen akademischen Umfeld entfernt fühlt, hat mich das Treffen mit Forschenden aus aller Welt inspiriert und motiviert, meine Arbeit fortzusetzen – und vielleicht eines Tages zu promovieren. Die Freundlichkeit und Wärme aller haben mir geholfen, mich verbunden zu fühlen, und ich bin mit mehr Hoffnung für eine bessere Zukunft gegangen.”
Yekîtî (Kurdisch: یەکیتی) bedeutet „Einheit“ oder „Zusammenhalt“ und steht in der kurdischen Kultur für kollektive Stärke und Solidarität.
Mitákuye Oyás’iŋ aus der Lakota-Sprache bedeutet „Alle meine Verwandten“ und steht für die spirituelle Anerkennung der Verbundenheit mit allen Wesen – Menschen, Tieren, Pflanzen, Gewässern, Böden, Steinen, Winden, Himmelskörpern und mehr.
Ubuntu stammt aus dem Xhosa und bedeutet „Ich bin, weil du bist“.
“Ich kam als Fremde zur Potsdam Summer School – und am Ende fühlte es sich wie Zuhause an. Diese Transformation verdanke ich vor allem der hervorragenden Koordination der Organisator:innen, insbesondere Angela Borowski für ihre großartige Unterstützung. Die Vielfalt der Präsentationen und die kollaborative Gruppenarbeit ermöglichten mir eine tiefe Auseinandersetzung mit dem diesjährigen Thema und erweiterten mein Wissen und meine Perspektive. Was das Erlebnis besonders machte, war die unglaubliche Diversität der Teilnehmenden – ein einzigartiges Element, das diese Sommerschule wirklich besonders gemacht hat.”
Dieser Blogbeitrag wurde von folgenden Teilnehmenden der Potsdam Summer School 2025 verfasst: Lena Rölfer, Mariam Bedir, Lum Sonita Awah, Orlando Timmerman, Anna Sperber, Frances Varty Bayar, Dedar Salam Khoshnaw, Christine Li, Betty A. Antwi, Nataliia Miroshnyk, Priscilla Badaweh Coffie & Sahana Ghosh.