Gemüse genießen und auf dem Acker mit anpacken? Was die Beteiligung in der Solidarischen Landwirtschaft stärkt
30.09.2025

Von Hannah-Charlotte Schwering und Armin-Laszlo Halbach
Kennen Sie den Hof, auf dem das Gemüse wächst, das Sie essen? Und wissen Sie, unter welchen Bedingungen dieses Gemüse angebaut wird? Falls nicht, geht es Ihnen wie vielen Menschen. Bei Menschen, die Mitglied in einer Solidarischen Landwirtschaft (SoLawi) sind, ist das anders. Sie unterstützen durch einen monatlichen Betrag einen Hof oder eine Gärtnerei in der Umgebung und erhalten regelmäßig einen Anteil des dort angebauten und geernteten Gemüses. So wird regionale und nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln möglich, während die Risiken und Kosten landwirtschaftlicher Produktion von allen gemeinsam getragen werden – den Produzierenden und den Konsumierenden. Aktuell gibt es in Deutschland knapp 500 SoLawi-Initiativen, mit unterschiedlich vielen Mitgliedern und auf unterschiedliche Weise organisiert.
Was macht das SoLawi-Konzept eigentlich solidarisch?
Laut dem Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. gehören vor allem drei Dinge zur Solidarität in der SoLawi: die Verteilung der Produktionskosten auf mehrere Schultern, das solidarische Miteinander unter den Mitgliedern und die freiwillige Mithilfe bei Anbau, Ernte, Verteilung und Koordination. Mit der Beteiligung der Mitglieder in der SoLawi haben wir uns im [pane]-Projekt während des Praktikums von Hannah Schwering am RIFS genauer beschäftigt. In diesem Projekt untersuchen wir die sozialen, ökonomischen und ökologischen Effekte von SoLawi in ländlichen Regionen Ostdeutschlands.
Im [pane]-Projekt betreute Armin-Laszlo Halbach die Masterarbeit von Şaziye Aksungur, einer Studentin der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Sie führte eine deutschlandweite Umfrage zum sozialen Zusammenhalt in SoLawi-Initiativen durch und erfragte dabei unter anderem die aktuellen Mitgliederzahlen und den Anteil der Mitglieder, die sich regelmäßig in ihrer SoLawi beteiligen. Auf Basis dieser Angaben konnten wir für 84 SoLawi-Höfe in Deutschland näher untersuchen, wie verschiedene Merkmale der SoLawi-Initiative mit der Beteiligung ihrer Mitglieder zusammenhängen. Als Psycholog*innen interessierte uns dabei insbesondere die Rolle sozialer Strukturen, beispielsweise, ob informelle gemeinschaftliche Aktivitäten wie Hoffeste oder Bildungsveranstaltungen organisiert werden. Die Ergebnisse unserer Auswertung möchten wir in diesem Blogartikel vorstellen.
Auf welchen SoLawi-Höfen packen die meisten Mitglieder mit an?
Eine erste – wenig überraschende – Erkenntnis war, dass SoLawi-Initiativen mit Standort in Städten hinsichtlich der Mitgliederzahl deutlich größer sind als Initiativen in eher oder sehr ländlichen Regionen. Für uns neu war jedoch: Der Anteil sich beteiligender Mitglieder, der in unserer Stichprobe durchschnittlich bei etwa 28 % lag, hängt weder von der Größe noch vom Standort der SoLawi ab. Dies deutet an, dass es SoLawi-Initiativen in ländlichen Regionen einerseits schwer haben könnten, besonders viele Mitglieder zu finden, sie andererseits unabhängig von ihrer Größe aber mit einer konstanten Quote an helfenden Händen rechnen können.
Für den Anteil beteiligter Mitglieder scheint es vielmehr einen Unterschied zu machen, ob die Beteiligung auf freiwilliger Basis erfolgt oder verpflichtend ist. Zwar gehört die freiwillige Mithilfe zum Solidaritätsprinzip des SoLawi-Konzepts, in den Daten zeigten sich jedoch um etwa 18 % höhere Beteiligungsraten bei den zehn SoLawi-Initiativen, die ihre Mitglieder zu einem gewissen Grad an Mitwirkung verpflichten.
Beteiligung bedeutet nicht nur, bei den landwirtschaftlichen und gärtnerischen Tätigkeiten auf dem Feld zu helfen. Sie umfasst auch, an Versammlungen teilzunehmen, über Anbaupläne mitzuentscheiden oder die Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen. Viele SoLawi-Initiativen bieten darüber hinaus auch Hoffeste, Workshops und informelle Treffen an. In den von uns untersuchten SoLawi-Initiativen, in denen solche sozialen Aktivitäten angeboten werden, fällt die Beteiligungsrate bedeutsam höher aus, nämlich um etwa 13 %. Eine mögliche Erklärung liefert die Theorie der sozialen Identität, nach der die Identität und das Verhalten von Menschen durch ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppengeprägt ist. So fühlen sich Menschen stärker mit einer Gruppe verbunden, wenn sie positive gemeinsame Erlebnisse haben, und sind motivierter, sich für diese Gruppe zu engagieren.
Zudem unterscheiden sich SoLawi-Initiativen in der Art, wie miteinander kommuniziert wird. Oft kommen relativ einseitige und/oder virtuelle Kommunikationskanäle zum Einsatz, zum Beispiel E-Mail-Newsletter, Aushänge am Schwarzen Brett oder Messenger-Gruppen. In manchen SoLawi-Initiativen bieten sich den Mitgliedern aber Gelegenheiten für persönliche Interaktion vor Ort, beispielsweise bei Mitgliedertreffen an Abholorten oder bei Gesprächen mit dem Hof-Team. In den untersuchten Umfrage-Daten zeigten sich keine bedeutsamen Auswirkungen der verwendeten Kommunikationskanäle auf die Mitgliederbeteiligung. Virtueller Austausch scheint Vor-Ort-Interaktionen nicht unterlegen zu sein, um Mitglieder für die Mithilfe zu aktivieren.
Was lernen wir über die Organisation einer SoLawi?
Die hier vorgestellten Ergebnisse beruhen auf einem relativ kleinen Datensatz, in dem wiederum manche der untersuchten Merkmale nur bei wenigen SoLawi-Initiativen vorkamen. Außerdem stellten wir fest, dass die Anzahl der Mitglieder je nach SoLawi unterschiedlich erfasst wird: Manche rechnen mit Gemüsekisten, manche zählen versorgte Haushalte, andere führen Personenlisten. Daher entspricht die Anzahl (sich beteiligender) Mitglieder immer einer Annäherung.
Dennoch gewähren die Ergebnisse aufschlussreiche Einblicke in die Beteiligung von SoLawi-Mitgliedern. So möchten wir SoLawi-Initiativen in Städten und auf dem Land gleichermaßen ans Herz legen, ihren Mitgliedern abwechslungsreiche Gruppenerfahrungen zu ermöglichen. Dies könnte die Identifikation mit der SoLawi und dadurch das Engagement für die SoLawi stärken. Brauchen die Produzierenden dennoch mehr Unterstützung, können verbindlichere Regelungen der Mithilfe in Erwägung gezogen werden. So kann letztlich die Solidarität in der SoLawi – neben den geteilten Kosten und dem solidarischen Miteinander – auch durch die Mithilfe der Mitglieder mit Leben gefüllt werden.