Forschungsinstitut für
Nachhaltigkeit | am GFZ

Ist ein Konsens in Reichweite? Die Verhandlungen zum globalen Plastikabkommen gehen in die nächste Runde

12.08.2025

Paul Einhäupl

Dr. Paul Einhäupl

paul [dot] einhaeupl [at] rifs-potsdam [dot] de
Linda Del Savio

Linda Del Savio

linda [dot] del [dot] savio [at] rifs-potsdam [dot] de
Delegierte und Beobachter:innen im Plenarsaal der Vereinten Nationen in Genf.
Delegierte und Beobachter:innen im Plenarsaal der Vereinten Nationen in Genf.

Es wird verhandelt: diplomatisch, höflich, gleichberechtigt. Doch es geht um geopolitische Interessen. Im Fokus stehen regionale Unterschiede, nationale Industrien und globaler Handel. Hinzu kommen wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch Ökosysteme, Traditionen und Gerechtigkeit. Wer zahlt die Rechnung? Und vor allem: Was steht auf der Rechnung?

Die zweite Halbzeit des zweiten Teils der fünften Runde der UN-Verhandlungen zu einem internationalen, rechtsverbindlichen Instrument gegen Plastikverschmutzung und Müll im Meer hat begonnen (INC 5.2). In Genf treffen sich vom 5. bis 14. August Delegationen aus mehr als 180 Ländern und verhandeln über ihre Positionen. Gegenstand der Verhandlungen ist der vorläufige Vertragsentwurf des Vorsitzenden des Intergovernmental Negotiating Committee (INC), Luis Vayas Valdivieso aus Ecuador. Der Entwurf umfasst Vorschläge zu Produktionsgrenzen, Chemikalienregulierung, Produktdesign und Finanzierung sowie zum Umgang mit Kunststoffabfällen und Plastikverschmutzung in der (Meeres-)Umwelt. Ziel ist, einen finalen Vertragstext zu vereinbaren, dem alle Delegationen zustimmen können. 

Nun ist die erste Woche der Verhandlungsrunde verstrichen. Am vergangenen Samstag, 9. August, fand, nach der Eröffnung der Verhandlungsrunde am 5. August, die zweite Plenarsitzung statt. Hier wurde der Zwischenstand der Verhandlungen in einem zusammengeführten Text präsentiert. Dieser Text bildet die neue Grundlage für weitere Verhandlungen in der zweiten Woche.

Bisher sind geringe Fortschritte zu verzeichnen: Zwar liegt inzwischen der zusammengeführte Text mit teils überarbeiteten Artikeln vor, jedoch wurden kritische Bestandteile des Vertrags bisher nicht bearbeitet. Das betrifft vor allem den Geltungsbereich des Abkommens, also die Frage, ob der gesamte Lebenszyklus von Plastikprodukten betrachtet werden soll oder lediglich das Lebensende. Zudem haben die Delegationen mehr als 1400 Änderungswünsche in den zusammengeführten Text eingebracht.

Die altbekannten Differenzen zwischen den Verhandlungsblöcken scheinen unüberwindbar. So spricht sich die High Ambition Coalition, die mehr als 100 Staaten zählt, darunter auch die Länder der Europäischen Union, für ein rechtsverbindliches und ambitioniertes Abkommen aus. Dieses sollte die Auswirkungen der Plastikverschmutzung über den gesamten Lebenszyklus, einschließlich der Produktion bedenklicher Plastikprodukte und Chemikalien, umfassen. Dem stehen die Like Minded Countries gegenüber: ein Zusammenschluss von überwiegend ölproduzierenden Ländern. Sie setzen sich für ein Abkommen ein, das sich auf die Kunststoffabfallwirtschaft beschränkt, und sehen durch ein zu breit gefasstes Abkommen ihre nationalen Industrien bedroht. Darüber hinaus gibt es Verhandlungsblöcke, die die besonderen Interessen von Inselstaaten und bestimmten Regionen, wie Asien-Pazifik oder Lateinamerika, vertreten.

Vertreter:innen Indigener Völker und Müllsammler:innen bei der Veranstaltung „Affected Groups Aligned for Justice”.
Vertreter Indigener Völker und Müllsammler bei der Veranstaltung „Affected Groups Aligned for Justice”.

Während es für die Delegationen um die oben genannten Grundsatzfragen geht, geht es für andere um den konkreten Schutz ihrer Lebensräume und Existenzgrundlagen. Bezeichnenderweise fällt der Tag der Bestandsaufnahme auf den ebenfalls am 9. August 2025 stattfindenden Internationalen Tag der Indigenen Völker, an den der INC-Vorsitzende während der Plenarsitzung erinnerte. Vereinzelt setzen sich Staaten, vor allem (aber nicht nur) aus dem lateinamerikanischen Raum, bei den Verhandlungen für die Rechte Indigener Völker ein. Unter den 2000 registrierten Beobachter:innen der Verhandlungen befinden sich auch verschiedene Vertreter:innen Indigener Völker. Sie begleiten die Verhandlungen seit ihrem Beginn 2022 in Uruguay. Indigene Völker sind oft in besonderem Maße von Plastikverschmutzung betroffen. Viele Indigene Gemeinschaften leben in ökologisch sensiblen Regionen wie Küsten, Inseln, arktischen Gebieten oder tropischen Regenwäldern – Lebensräume, die oft Durchlaufzonen oder Endpunkte für Plastikmüll darstellen. Verstärkt wird dieser Umstand durch den geringen politischen Einfluss vieler Indigener Völker in nationalen und internationalen Entscheidungsprozessen, wodurch ihre Interessen im Umgang mit Plastikverschmutzung wenig berücksichtigt werden. Bei den Verhandlungen in Genf sind sie präsent und werden von manchen auch gehört. Es wird sich zeigen, wie deutlich sie gehört werden.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Verhandlungen erneut in die Verlängerung gehen. Vielseitige Interessen und sich teilweise diametral gegenüberstehende Positionen müssen überwunden werden – und das in sehr kurzer Zeit. Wenn sich die Delegierten spät abends nach einem langen und zähen Verhandlungstag, zusammenraffen und gemeinsam einen Weg aus der Zwickmühle erarbeiten, gibt das Applaus von den Beobachter:innen im Raum. Und das gibt allen Hoffnung.

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