Umkämpfte Wärmewende: Diskursstränge gegen das Gebäudeenergiegesetz
25.06.2025
Von Tobias Haas (RIFS), Hendrik Sander (Bauhaus-Universität Weimar), Anna Fünfgeld (Universität Hamburg) und Franziska Mey (RIFS)
Im Deutschen Klimaschutzgesetz ist das Netto-Null-Klimaziel bis 2045 verankert. Das heißt, dass nur noch so viele Emissionen freigesetzt werden dürfen, wie zugleich der Atmosphäre wieder entnommen werden. Da sehr unklar ist, in welchem Maß es überhaupt möglich sein wird, CO2 der Atmosphäre zu entziehen, führt an drastischen Emissionsminderungen kein Weg vorbei. Ein Sektor, der dabei zusehends in den Fokus rückt, ist der Wärmesektor.
Wie ist der Stand der Wärmeversorgung bislang?
Während im Stromsektor etwas mehr als die Hälfte des Verbrauchs auf erneuerbaren Energien basiert, ist der Anteil regenerativer Energieträger im Wärmebereich bei weniger als 20 Prozent – und das sind oft wenig nachhaltige biogene Brennstoffe.
Geheizt wird vorwiegend mit Gas und auch Öl. Pro Jahr werden in Deutschland ca. 100 Millionen Tonnen CO2 in diesem Bereich ausgestoßen. Der Expertenrat für Klimafragen, der im Zuge des Klimaschutzgesetzes eingesetzt wurde, bemängelt immer wieder die zu geringen Fortschritte im Gebäudesektor.
Zudem wurde im Jahr 2022 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Verwundbarkeit im Bereich der Energieimporte deutlich. Durch massive Einsparungen konnte eine Gasmangellage abgewendet werden. Doch steigende Energiepreise heizten die Inflation an und sorgten vor allem in finanziell prekären Haushalten für starke Verunsicherung.

Der Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz
Also eigentlich eine ideale Ausgangslage für eine ambitionierte Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)? Weit gefehlt. Anfang 2023 entwickelten sich heftige Proteste, als Robert Habeck, der grüne Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Klimaschutz der Ampelregierung, einen Entwurf für ein sogenanntes Heizungsgesetz vorlegte. Dieser sah ein baldiges Verbot für neue fossile Heizungen vor.
Wir haben in einem kurzen Perspektiven-Beitrag für die Zeitschrift Energy Research & Social Science analysiert, welche typischen Argumentationsmuster von den Gegner:innen des GEG aus dem konservativen bis rechtsextremen Spektrum entwickelt wurden. Es lassen sich fünf solcher Diskursstränge identifizieren. Wir beschränken uns hier auf die Beiträge der CDU/CSU und der AfD.
Fünf Diskursstränge gegen das GEG
Enteignung: Erstens wurde argumentiert, dass das neue GEG eine Form der Enteignung darstelle, da sich viele Eigentümer:innen einen Heizungswechsel nicht leisten können. So argumentierte etwa Jens Spahn (CDU) in einem Interview mit dem Tagesspiegel, die Ampel ziele mit der Novelle des GEG auf eine „Enteignung durch die Hintertür“. Sehr ähnlich argumentierte die AfD im Rahmen ihrer Kampagne „Heizhammer stoppen!“.
Entmündigung: Ein zweiter Diskursstrang verwies darauf, dass das GEG eine Entmündigung und eine Form staatlicher Gängelung darstelle. Dabei wurde auch vor Stasi-Vergleichen nicht zurückgeschreckt. So postete die CSU ein Bild mit Robert Habeck, der durch ein Fenster späht. Der Titel dazu: „Nein zu staatlicher Heizungsspionage“. Mario Voigt (CDU), inzwischen Ministerpräsident in Thüringen, warf der Ampel vor, eine „Energie-Stasi“ aufbauen zu wollen.
Ideologie: Drittens wurde kritisiert, dass das GEG ideologisch motiviert sei. So wurde aus der Union heraus eine sogenannte „technologie-offene“ Ausgestaltung des Wärmegesetzes gefordert. Im Klartext heißt das, dass auch überteuerte Energieträger für das Heizen eingesetzt werden können – wie etwa Wasserstoff. Die AfD monierte, dass das GEG durch eine „abstruse Klima-Ideologie“ motiviert sei, die einen Angriff auf den Wohlstand Deutschlands darstelle.
Eigeninteressen: Viertens wurde argumentiert, dass ein grünes Eliten-Netzwerk das GEG entwickele, dem es vor allem um sich selbst gehe. In den Worten der AfD in ihrer „Heizhammer stoppen!“-Kampagne: „Die Unterstützer dieses grünen Netzwerks behaupten, es gehe ihnen um das Klima und die Zukunft des Planeten. In Wahrheit geht es ihnen um sich selbst. Die Hauptverantwortlichen schieben einander die lukrativsten Posten zu und bestärken sich gegenseitig in ihrem ideologischen Wahn.“
„Alle mitnehmen“: Diese vier Diskursstränge werden in einem fünften Strang zusammengeführt, nämlich der Forderung, alle mitzunehmen. So startete die CDU die Kampagne „Fair heizen“ und forderte, alle Menschen in der Wärmewende mitzunehmen und keine Klimapolitik gegen die Menschen zu machen.
Fazit: „Bevölkerung“ gegen die „Eliten“
Die Gegner:innen des neuen GEG haben einen starken Gegensatz konstruiert zwischen den (vermeintlichen) Interessen der Bevölkerung und den (grünen) Eliten, die mit dem (ideologisch motivierten) Heizungsgesetz zu einer Enteignung und Entmündigung der Hauseigentümer:innen (und Mieter:innen) beitragen und dabei nur ihre eigenen Interessen im Blick haben würden.
Insofern lässt sich festhalten, dass die Argumentation gegen das GEG eine populistische Stoßrichtung aufweist: Der Kern des Populismus ist eine Gegenüberstellung zwischen dem einfachen Volk und Eliten, die gegen die Interessen des Volkes handeln. Was dabei leider auf der Strecke geblieben ist, ist eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem GEG, die die Realitäten der Klimaerwärmung anerkennt und darauf orientiert, das Gesetz sinnvoll weiter zu entwickeln.
Doch immerhin wurde eine abgeschwächte Form des Gesetzes im Herbst 2023 verabschiedet und kommunale Wärmepläne werden vielerorts entwickelt. Dennoch gibt es wenig Anlass zur Hoffnung, dass der nächste Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen einen ausreichenden Fortschritt im Gebäude-/Wärmebereich feststellen wird, zumal die neue Regierung nicht den Eindruck erweckt, als sei Klimaschutz ein prioritäres Anliegen.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 25. Juni 2025 auf dem "Transforming Economies"-Blog der Bertelsmann-Stiftung.