Headline: Methan: Ein kurzlebiges Gas mit weitreichender Wirkung

Die Methan-Konzentration in der Atmosphäre steigt seit Jahren kontinuierlich an.
Die Methan-Konzentration in der Atmosphäre steigt seit Jahren kontinuierlich an. Shutterstock/Vaclav Volrab

Im März 2024 versammelten sich führende Politiker*innen und Branchenexpert*innen aus der Industrie in Genf, um eine der brennendsten Herausforderungen unserer Zeit anzugehen: die Reduktion der Methanemissionen. Die Teilnehmer*innen sprachen über reproduzierbare Methoden, die Methanemissionen im Einklang mit dem Global Methane Pledge zu reduzieren. Dessen Ziel ist es, die weltweiten Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 2020 zu senken. Warum ist das wichtig? Darüber gibt dieser Blogbeitrag einen Überblick.

Der Klimawandel und seine Folgen fordern die Menschheit heraus, die Wechselwirkungen zwischen menschlichen Aktivitäten und der Atmosphäre besser zu verstehen. Ein zentrales Element in diesem Zusammenhang ist Methan (CH₄), ein Treibhausgas, dessen Erwärmungspotenzial das von Kohlenstoffdioxid (CO₂) bei weitem übertrifft. Diese Wirkung wird durch das Global Warming Potential (GWP) quantifiziert, das die Klimawirksamkeit eines Gases im Vergleich zu CO₂ über einen bestimmten Zeitraum angibt. Besonders relevant ist dabei, dass Methan mit einer Verweildauer von etwa zwölf Jahren ein kurzlebiges Treibhausgas ist. Während das GWP von Methan über 100 Jahre (GWP100) bei 27,9 liegt, liegt das GWP über 20 Jahre (GWP20) bei 81,2, was seine immense Erwärmungswirkung in kurzer Zeit unterstreicht. Insgesamt wird Methan ein Anteil von ca. 30 Prozent der derzeitigen Erderwärmung zugeschrieben.

Die kritische Betrachtung des GWP: Eine Frage der Perspektive

Die Wahl des Bewertungsmaßstabs für Treibhausgase hat weitreichende Implikationen für Klimaschutzstrategien und die Priorisierung von Maßnahmen zur Emissionsreduktion. Ein zentraler Diskussionspunkt in diesem Kontext ist die Frage, ob der Fokus primär auf den kurzfristigen Effekten in den kommenden Jahrzehnten liegen sollte oder ob die langfristigen Auswirkungen, die sich über ein Jahrhundert erstrecken, im Vordergrund stehen sollen. 

Abbildung 1: CO2- und CH4-Emissionen als CO2-Äquivalente. Unterteilt nach Global Warming Potentials (GWP) 20 (Mitte) und 100 (rechts).

Beide Betrachtungszeiträume bieten wichtige Einsichten, doch in der politischen und wissenschaftlichen Debatte hat sich der GWP100-Wert etabliert. Diese Langzeitperspektive birgt jedoch die Gefahr, die unmittelbaren Auswirkungen bestimmter Gase, wie Methan, zu vernachlässigen.
Das GWP20 liefert einen dringend benötigten Fokus auf die kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen von Treibhausgasen und ist für kurzlebige Treibhausgase wie Methan relevant. Diese Perspektive legt nahe, dass schnelle, gezielte Maßnahmen zur Reduktion von Methanemissionen erheblich zur Verlangsamung der globalen Erwärmung beitragen könnten. Das ist besonders im Hinblick auf die Ziele des Pariser Abkommens von Bedeutung. 

Die Pariser Klimaziele und Methan

Im Zeitraum von 2011 bis 2020 lag die durchschnittliche Temperatur der Erdoberfläche um 1,1 °C über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900. Es wird prognostiziert, dass die globale Erwärmung die Schwelle von 1,5 °C zwischen 2030 und 2052 überschreiten könnte, sofern die derzeitige Rate der Temperaturzunahme anhält. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die von Menschen verursachte globale Erwärmung pro Dekade um etwa 0,2 °C zunimmt. Zukunftsmodelle zeigen, dass zur Einhaltung des 1,5 °C-Ziels die weltweiten menschengemachten CO₂-Emissionen bis zum Jahr 2030 um ungefähr 45 Prozent im Vergleich zu 2010 gesenkt werden müssen, mit dem Ziel, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Zusätzlich zu seiner Rolle als Treibhausgas ist Methan ein Vorläufer für Ozon, welches wiederum als Reizgas fungiert und signifikante negative Effekte auf die Gesundheit von Menschen, Tieren sowie auf die Vitalität von Pflanzen hat. Forschungen legen nahe, dass eine Reduktion von Methanemissionen um 45 Prozent das Potential besitzt, bis zu 255.000 vorzeitige Todesfälle jährlich zu vermeiden, sowie 775.000 asthmabedingte Krankenhausaufenthalte zu reduzieren und gleichzeitig die globalen Ernteerträge um etwa 26 Millionen Tonnen pro Jahr zu steigern. Ein Bericht der Global Methane Alliance hebt hervor, dass ein beachtlicher Anteil dieser Reduktion durch bereits verfügbare Technologien erreicht werden könnte, wobei 60 Prozent dieser Interventionen als kosteneffizient gelten. Insbesondere würden 50 Prozent dieser Maßnahmen durch die Einsparungen, die den Aufwand übersteigen, zu einem finanziellen Gewinn führen.

Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, ist es unerlässlich, alle Treibhausgase, einschließlich Methan, in die Überlegungen einzubeziehen. Die Betonung des GWP20 könnte jedoch eine strategische Neuausrichtung der Klimapolitik bedeuten, die kurzfristige Maßnahmen zur Reduzierung von Methanemissionen priorisiert.

Aktuelle Entwicklungen und die Rolle der Landwirtschaft

Aktuelle Klimaschutzszenarien prognostizieren einen Anstieg der globalen Methanemissionen um 8 Prozent im Zeitraum von 2020 bis 2030. Methanemissionen stammen weltweit hauptsächlich aus drei Bereichen: fossile Brennstoffe (~35 Prozent), Landwirtschaft (~ 40 Prozent) und Abfall (~ 20 Prozent). Innerhalb der Landwirtschaft ist die Viehhaltung, insbesondere durch die Verdauung bei Rindern, die bedeutendste Quelle für Methanemissionen. In Deutschland ist der landwirtschaftliche Sektor sogar für etwa 75 Prozent der Methanemissionen verantwortlich, wobei sich die Zahlen auf die inländische Produktion beziehen und importierte Güter deshalb eine geringere Rolle spielen.

 

Methan-Emissionen nach Sektoren

Effektive Strategien zur Minderung von Emissionen kurzlebiger Treibhausgase in der Landwirtschaft erfordern sowohl den Einsatz technischer Lösungen als auch die Anpassung von Verhaltensmustern. Hierzu zählt insbesondere die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung sowie die Förderung eines nachhaltigeren Konsums tierischer Produkte. Die Herausforderung liegt in der Umsetzung solcher Maßnahmen. Während eine erzwungene Änderung des gesellschaftlichen Verhaltens nicht praktikabel erscheint, lassen sich durch intelligente Anreizsysteme und transparente Produktinformationen bewusstere Kaufentscheidungen unterstützen. Der „Bürgerrat Ernährung“ empfiehlt in diesem Zusammenhang die Einführung eines staatlichen Labels für alle in der EU vertriebenen Produkte, um klimaschädliche und gesundheitlich bedenkliche Produkte leichter identifizierbar zu machen. Weiterhin wird eine steuerliche Neuausrichtung vorgeschlagen, bei der unverarbeitete, gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Wasser von der Mehrwertsteuer befreit werden, während für Produkte mit hohem Zuckeranteil sowie für Fleisch aus weniger tierfreundlichen Haltungsformen (Stufen 1 und 2) eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent angeregt wird.

Fazit: Ein Aufruf zur Neubewertung

Die Betrachtung von Methanemissionen unter Berücksichtigung ihres kurzfristigen Erwärmungspotenzials (GWP20) ist entscheidend für die Entwicklung realistischer Klimaschutzstrategien. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse betonen die dringende Notwendigkeit, die Emissionen von Methan signifikant zu verringern. Dies ist nicht nur essenziell, um die ambitionierten Ziele des Pariser Abkommens zu erfüllen, sondern auch um gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Maßnahmen zur Reduktion von Methanemissionen führen zu einer Minderung des bodennahen Ozons, welches negative Effekte auf die menschliche Gesundheit hat, und unterstützen darüber hinaus die Transition hin zu einer gesünderen Ernährungsweise. Diese Erkenntnisse sollten Anlass geben Initiativen zur Verringerung von Methanemissionen zu implementieren, um sowohl ökologische als auch gesundheitliche Ziele zu adressieren.

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