Overline: Krisenbewältigung
Headline: Auf die Kommunikation kommt es an

Zerstörte Brücke im Ahrtal: Die Bewältigung von Krisen wie einer Flutkatastrophe steht und fällt auch mit der richtigen Krisenkommunikation.
Zerstörte Brücke im Ahrtal: Die Bewältigung von Krisen wie einer Flutkatastrophe steht und fällt auch mit der richtigen Krisenkommunikation. Shutterstock/SSKH-Pictures

Die Bewältigung von Krisen wie der Corona-Pandemie oder einer Flutkatastrophe steht und fällt auch mit der richtigen Krisenkommunikation. Krisenkommunikation kann nur gelingen, wenn man sich erstmal mit den menschlichen Reaktionsmustern vertraut macht, die im Krisenfall beobachtet werden können. Zum zweiten ist es wichtig, existierende Unsicherheiten sowie die Implikationen der Krise für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft so genau wie möglich offenzulegen. Verschweigen von negativen Konsequenzen oder von Unsicherheiten verspielt Vertrauen.

Wie reagieren Menschen auf Krisensituationen?

Obwohl stark vereinfachend, hat es sich in der Krisenforschung bewährt, zwischen drei anthropologisch vorgegebenen Reaktionsformen zu unterscheiden: Totstellen (Freeze), Flucht (Flight) und Kampf (Fight).

Die Personen, die in einer Krise dem Reaktionsmuster „Totstellen“ oder „Ignorieren“ folgen, neigen dazu, Informationen über die Bedrohungslage abzuwehren oder sogar zu verdrängen, sich nicht von ihren normalen Routinen abbringen zu lassen und darauf zu hoffen, dass die Krise möglichst schnell vorübergeht.

Das zweite Muster der Flucht verführt dazu, sich im eigenen Heim einzuigeln, Kontakte zu anderen zu minimieren und jeder Begegnung mit Personen oder Gegenständen, die mit der Bedrohungslage in Verbindung stehen, auszuweichen.

Beim dritten Muster des Kampfes will man sich beherzt und bewusst gegen die Bedrohung wehren. Gerade bei Flutkatastrophen erlebt man, dass viele Menschen die Kraft von Gewässern oder anderen Naturgefahren unterschätzen und sich teilweise in der Vorstellung sonnen, sie könnten sich mutig der Gefahr entgegenstellen und anderen Menschen helfen.

Die Krisenkommunikation muss alle drei Verhaltensmuster (Ignorieren, Flucht, Kampf) parallel ansprechen. Diejenigen, die zum Ignorieren neigen, kann man durch einen Appell an ihren Altruismus erreichen (Maßnahmen dienen dem Schutz aller) oder indem man deutlich macht, dass auch sie wegen veränderter Randbedingungen (etwa Klimawandel) in der Zukunft betroffen sein können.

Diejenigen, die zum Fluchtmuster neigen, können in ihrem Verhalten bestärkt werden, es sei denn, sie müssten aufgrund der Gefahrensituation zu eigenständigen Aktionen motiviert werden, denn eine starke Abkapselung im eigenen Haus kann bei bestimmten Gefahrensituationen nicht angemessen sein.

Besonders schwierig ist die Kommunikation mit Menschen, die zum Kampfmuster neigen. Für diese Gruppe sind konstruktive und zur Krisenbewältigung adäquate Handlungsregeln hilfreich, etwa Hinweise zur Versiegelung von tiefliegenden Fenstern oder Türen, zum Anbringen von Sandsäcken, Kommunikation mit Nachbarn über mögliche Hilfsleistungen und anderes mehr.

In Krisensituationen, selbst in extremen Bedrohungssituationen, beobachtet man selten flächendeckende Panik. Panik tritt allenfalls dann auf, wenn die Bedrohung höchst unsicher ist, aber für die meisten Menschen fühlbar nahekommt. Die gebetsmühlenartige Versicherung, dass Panik nicht angebracht sei, ist eher kontraproduktiv. Gerade das kann Menschen dazu bringen, Panik als Reaktionsmuster in Betracht zu ziehen.

Falsche Einschätzung von Risiken

Risiken werden leicht überschätzt, wenn man a) höchst unsicher oder verunsichert über die Folgen und Implikationen ist und/oder b) die Folgen der Risiken in besonders drastischer Weise vor Augen geführt bekommt (etwa Bilder von überfüllten Krankenhäusern oder abgerutschten Häusern). Dagegen fließt die statistische Wahrscheinlichkeit häufig zu wenig in die eigene Urteilsbildung ein. Ebenso werden exponentiell wachsende Bedrohungen unterschätzt, weil die meisten Menschen in der Alltagserfahrung mit linear wachsenden oder fallenden Phänomenen zu tun haben.

Bedrohungen, deren Auswirkungen statistisch gesehen der Normalverteilung folgen (Glockenkurve), führen häufig zu polarisierten Verhaltensweisen.   Manche sind fest davon überzeugt, die berühmten Ausnahmen zu sein, die gegenüber der Bedrohung immun sind. Personen, die sich als besonders gefährdet einstufen, sind hingegen davon überzeugt, besonders sensibel und verwundbar zu sein. Sie wollen stets optimal geschützt werden (häufig beim Fluchtmuster) und neigen zu Überreaktionen.

Diese beiden entgegengesetzten Reaktionsmuster können zu erbitterten Konflikten zwischen beiden Gruppen führen: Das Problem ist dabei weniger ein Wissensdefizit (beide beziehen sich --möglicherweise unbewusst-- auf die gleiche, statistisch korrekte Normalverteilung), als vielmehr die Selbstverortung auf dieser Kurve (links: mich wird es schon nicht erwischen, ich komme gut alleine zurecht; rechts: Ich bin immer der Erste, den es trifft; wo bleibt die Hilfe?).

In dieser Polarität ist Kommunikation extrem schwierig und es kommt zentral auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kommunikatoren und den Rezipienten an. Bei Naturgefahren erhöht zu wenig Vertrauen die Wahrscheinlichkeit von Fehlverhalten im Krisenfall, weil die offiziellen Warnungen in den Wind geschlagen werden. Aber auch zu viel Vertrauen schafft Probleme, weil die Personen felsenfest davon ausgehen, dass Feuerwehr, Rettungsdienste etc. alle Gefahren abwehren werden. Die erste Gruppe handelt dann auf eigene Faust, die zweite Gruppe handelt dagegen gar nicht. Ideal ist ein mittleres Vertrauensniveau, bei dem man die Anweisungen als glaubwürdig einstuft, aber selber Verantwortung für die eigene Sicherheit übernimmt.

Schlussfolgerungen für eine gelingende Krisenkommunikation

Die Aufgabe der Kommunikation sollte zentral koordiniert und organisiert werden. Die Botschaften müssen konsistent, kohärent und leicht nachvollziehbar sein und im Zeitverlauf muss eine klare Kommunikationslinie erkennbar sein. Bei jeder Entscheidung muss deutlich werden, dass alle Argumente abgewogen wurden und es eine einzige Patentlösung nicht gibt. Auch mögliche Zielkonflikte (etwa Pros und Cons einer Evakuierung) können und sollen offen angesprochen werden. Aber an der Gültigkeit der getroffenen Entscheidungen darf kein Zweifel aufkommen.

Wichtig ist eine zentrale Kommunikationsinstanz, die verlässlich und kontinuierlich die Botschaften der Behörden nach außen vertritt und erläutert. Natürlich werden auch andere Organisationen oder gesellschaftliche Gruppen eigene Botschaften formulieren und weitergeben (das ist in der pluralistischen Demokratie gut und richtig), aber die für die Krisenbewältigung zuständigen Behörden sollten stets mit einer Stimme sprechen. Das gelingt nur, wenn alle zuständigen Stellen eine schon vor der Krise zusammengestellte Krisenkommunikationsstelle geschaffen haben, damit diese im Krisenfall sofort einsatzfähig und handlungsbereit ist. Dazu sind Übungen und Simulationen auch unter Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung sehr sinnvoll und hilfreich.

Darüber hinaus ist es ratsam, mehre Kanäle parallel zu nutzen. Sirenen sind sinnvolle Instrumente, um Menschen auf Gefahrenlagen hinzuweisen (selbst wenn sie unspezifisch bleiben). Besonders wichtig sind aber digitale Formen der Kommunikation, um Menschen gezielt Informationen über die aktuelle Gefahrenlage zu vermitteln und entsprechend Handlungsregeln vorzuschlagen. Gerade Apps, die gezielte Diagnosen für die Lage vor Ort vermitteln, sind hier besonders wirksam, wie viele internationale Studien belegen.

Neben den Inhalten (eindeutig, ehrlich, verständlich, kohärent) kommt es auch bei der Krisenkommunikation auf die Semantik an: Kommunikation sollte Angst auslösende Begriffe möglichst vermeiden und die Einhaltung von Regeln (Compliance) weniger durch Negativbeispiele (Übertretungen) als vielmehr durch Positivbeispiele (85% halten sich an die Regeln: Warum dann nicht auch Du?) illustrieren. Der Begriff der Panik sollte möglichst vermieden werden, auch Begriffe wie Hysterie oder Irrationalität sollten zur Kennzeichnung von übertrieben Reaktionen nicht verwandt werden.

Außerdem sollte man sich vor Bezeichnungen wie Jahrhundertkatastrophe, Mega-Desaster oder existentielle Krise hüten: Sie lähmen die Handlungsbereitschaft und führen zum Fatalismus, nicht zur höheren Compliance. Krise oder Naturkatastrophe reichen zur Charakterisierung einer Gefährdungslage aus. Gleiches gilt für andere emotional hoch besetzte Ausdrücke: In der Pandemie sollte man anstelle von sozialer Distanzierung lieber von räumlicher Trennung sprechen (man will ja soziale Kontakte zumindest virtuell fördern).

Unsicherheiten und Folgen der Krise kommunizieren

In der Krisenkommunikation geht es nicht allein darum, adäquate Verhaltensregeln im Umgang mit Naturkatastrophen zu vermitteln. Mit Unsicherheiten sollte offen umgegangen werden, um die nötige Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden. Allerdings kann Unsicherheit zu mehr Angst und Untergangsstimmungen führen. Deswegen müssen die verbleibenden Unsicherheiten so genau wie möglich beschrieben werden, um gleichzeitig deutlich zu machen, wie man sich angesichts der verbleibenden Unsicherheiten am besten verhält. Informationen über den aktuellen Krisenzustand sollten möglichst in der Sache eindeutig, wissenschaftlich validiert und ohne weitere parteipolitische oder interessengebundene Hintergedanken sein.

Es sollte nichts schöngeredet und nichts Kritisches ausgeschlossen werden. Grundlegend sollte aber die Einsicht vermittelt werden, dass die verschiedenen Institutionen und Organisationen zum Katastrophenschutz und zur Krisenbewältigung in Deutschland die Mittel und die Expertise haben, um mit diesen Herausforderungen auch in der Nachfolge der Krise (etwa des Klimawandels) fertig zu werden. Natürlich ist es notwendig darauf hinzuweisen, dass Rückschläge und wirtschaftliche Einbußen möglich sind. Aber eine zuversichtliche Perspektive über den weiteren Umgang mit dem Krisenfolgen gehört auch zur Krisenkommunikation.

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