Headline: Wind- und Solarstrom: Ende der Förderung bremst den Ausbau

Fördermaßnahmen waren für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von zentraler Bedeutung. Trotz sinkender Preise für Erneuerbare bleiben sie notwendig.
Fördermaßnahmen waren für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von zentraler Bedeutung. Trotz sinkender Preise für Erneuerbare bleiben sie notwendig. Shutterstock/Kampan

Von Marc Melliger (IASS) und Emile Chappin (TU Delft)

Fallende Preise für Erneuerbare wie Wind und Solar veranlassen die europäische und nationale Politik, über das Auslaufen von Förderungsmechanismen nachzudenken. In einer neuen wissenschaftlichen Studie zeigen wir, dass ein Ende dieser Instrumente negative Auswirkungen auf den Ausbau haben kann. Zu dieser Schlussfolgerung gelangen wir mithilfe eines Modells, in das wir erstmals empirische Präferenzen von Investoren integriert haben.

Preise für neue Wind und Solarkraftwerke im Sturzflug

Neue Wind- und Solarkraftwerke werden weltweit immer günstiger. Noch vor wenigen Jahren war der Strom aus erneuerbaren Quellen jedoch wesentlich teurer als zum Beispiel Kohlestrom. Investitionen in Erneuerbare waren ohne staatliche Subventionen kaum denkbar. Förderinstrumente, in Deutschland in Form der Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), half den noch jungen Technologien zum Durchbruch.

Die Förderung von Wind- und Solarstrom ist im Jahr 2021 zwar nicht verschwunden, doch mittlerweile werden aufgrund der EU-Gesetzgebung Auktionen zur Vergabe von Förderprämien durchgeführt. Auch fordern einige Bieter keine Förderung mehr[1].

Solche subventionsfreien Gebote legen nun nahe, dass Auktionen eingestellt und der Ausbau der Erneuerbaren völlig dem Markt überlassen werden könne. Dies scheint aus neoliberaler Sicht zwar erstrebenswert, jedoch ergeben sich aus dem Ende der Förderung einige Nachteile.

Obwohl es immer weniger Förderung im Sinne von zusätzlichem Geld für erneuerbare Energien brauchen wird, bietet das aktuelle Förderregime Vorteile im Bereich der Risikoabfederung (siehe dazu auch unsere Meinung zum EEG). Daher haben wir befürchtet (und in der Studie auch gezeigt), dass EU-Länder ihre in den Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECPs) festgelegten Emissionsziele ohne fördernde Politiken verfehlen würden. Diese Ziele zu verfehlen, wäre keine gute Neuigkeit fürs Klima.

Förderung für Erneuerbare weiterhin notwendig

Mit einer neuen Studie [2] beteiligen wir uns an der aktuellen Debatte um die Fördermechanismen. Darin gehen wir der Frage nach, welche Auswirkungen ein Ende der Auktionen für Wind- und Solarstrom in der kommenden Dekade haben kann. Um dies zu beurteilen, simulierten wir Strompreise und den Ausbau nach einer solchen Politikänderung mit einem agentenbasierten Modell (siehe unten).

Für die zwei Fallbeispiele Deutschland und die Niederlande konnten wir zeigen, dass das Auslaufen der Auktionen den Ausbau der Wind- und Solarenergie um bis zu ∼60% bzw. ∼35% verlangsamt. Dies wäre keine gute Nachricht! Davon betroffen wären insbesondere Onshore-Wind- und Photovoltaikprojekte in Deutschland sowie Offshore-Windprojekte in beiden Ländern. Wir erklären diese Ergebnisse mit niedrigen Renditeerwartungen (der simulierten Investoren) in Zeiten hoher erneuerbarer Stromerzeugung.

Außerdem haben wir Interaktionen zwischen den zwei Ländern feststellen können. Diese sind zum Beispiel [3] dann von Bedeutung, wenn nur Deutschland seine Politik ändern würde. Wegen der Koppelung der Stromnetze über die Grenzen beeinflussen solche Änderungen die (Großhandels-)Strompreise in den (kleineren) Niederlanden.

Aus den Ergebnissen unserer Studie haben wir den Schluss gezogen, dass Auktionen zur Förderung von marktreifen Erneuerbaren weiterhin notwendig sind. EU-Staaten sollten sich zudem untereinander koordinieren, um besser auf unerwartete und kontraintuitive Preisänderungen reagieren zu können. Dies kann auch die Planung und das Design von zukünftigen Förderinstrumenten optimieren.

Modell erweitert Modellier-Toolbox um sozioökonomische Aspekte

Unsere Ergebnisse beruhen auf Szenarien [4], welche wir im agentenbasierten Modell EMLab Generation 2 simuliert haben. Ein solches Modell ermöglicht es, vom Verhalten einzelner Akteure auf ganze Systeme zu schließen [5]. So simuliert unser Modell Investitionsentscheidungen von Stromproduzenten auf einem vernetzten Strommarkt. In früheren Modellversionen fußten solche Entscheidungen auf rein ökonomischen Kriterien. Jedoch haben Studien gezeigt, dass Investoren auch nicht-ökonomische Präferenzen besitzen, z.B. für gewisse Technologien oder Länder.

Wir haben daher erstmals empirische Präferenzen aus einer früheren IASS-Studie in EMLab Generation integriert. Wir zeigen, dass dies die Investitionsalgorithmen und Ergebnisse bedeutend beeinflusst. Zukünftige Studien sollten solche Präferenzen ebenfalls berücksichtigen. Dies kann die empirische Grundlage von Modellergebnissen verbessern und die Toolbox des Modellierens um sozioökonomische Aspekte erweitern (ein Thema, das am IASS in der Gruppe Dynamik der Energiewende erforscht wird).

Im Blog vom Emile Chappin werden die Modellieraspekte dieser Studie genauer erläutert.

Finanzierung
Diese Arbeit wurde vom Europäischen Forschungsrat im Rahmen des TRIPOD-Projekts (Vertrag Nr. 715132) gefördert.

[1] D.h. sie bieten auf eine €0 Prämie. Die Bieter nehmen trotzdem an den Auktionen teil, um z.B. einen Netzzugang zu erhalten.
[2] Der Artikel ist bis 25. November 2021 öffentlich zugänglich. Eine Preprint-Version wird ab dem 8. Oktober 2023 auf dem IASS Preprint Server verfügbar sein.
[3] Wie wir zeigen, treten solche Effekte auch ein, wenn beide Länder ihre Politiken ändern.
[4] In den Szenarien lassen Länder ihre Auktionen für Wind und Solar einzeln oder gemeinsam auslaufen.
[5] Da die Agenten nur über unvollständige Informationen (z.B. über das Verhalten anderer) verfügen, können agentenbasierte Modelle die Konsequenzen einzelner Politiken umfassender und realistischer beurteilen. Im Gegensatz dazu liefern Optimierungsmodelle Ergebnisse nur für einen perfekt funktionierenden Markt, d.h. wenn alle Akteure vollständig informiert sind. Dies ist jedoch selten der Fall.

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