Headline: Das EEG als zentrales Instrument der deutschen Klimapolitik

Geldscheine Windrad Erneuerbare
Rein marktorientierte erneuerbare Energien sind noch nicht vollständig realisierbar, womit Politikänderungen wie die EEG-Umlage abzuschaffen den ohnehin schleppenden Ausbau der Erneuerbaren weiter verlangsamen. Shutterstock/ Tunedin by Westend61

Eine Meinung von Marc Melliger, Johan Lilliestam, Richard Thonig, Léonore Hälg und Sebastian Sewerin

Einige deutsche Parteien und Ökonomen schlagen vor, die EEG-Umlage abzuschaffen und stattdessen die erneuerbaren Energien über die CO2-Steuer zu finanzieren. Während sich die jüngste Debatte über die CO2-Bepreisung auf die Gerechtigkeit und die politische Machbarkeit fokussierte, wurde das Problem vernachlässigt: Wie würde sich diese Änderung auf die Erreichbarkeit der Klimaziele 2030 auswirken? Wir zeigen hier, dass die vorgeschlagene Refinanzierung die Klimaziele in Gefahr bringt. Rein marktorientierte, erneuerbare Energien sind noch nicht vollständig realisierbar, womit solche Politikänderungen den ohnehin schleppenden Ausbau der Erneuerbaren weiter verlangsamen. Wir argumentieren, dass das EEG das zentrale Instrument der deutschen Klimapolitik im kommenden Jahrzehnt bleiben muss.

Eine hitzige Debatte um die Klimaschutzmaßnahmen

Während der Wahlkampf der deutschen Parteien für die Bundestagswahl 2021 an Fahrt gewinnt, rücken Fragen des Klimawandels und der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt der Debatte. Eine Frage dreht sich um die CO2-Steuer auf Kraftstoffe und Wärme. Die meisten Parteien haben geplant, diese zu erhöhen. Doch um ihre Wählbarkeit zu gewährleisten, müssen die Parteien einen guten finanziellen Umverteilungsmechanismus präsentieren. Ein populärer Vorschlag ist daher die vollständige Abschaffung der EEG-Umlage in der deutschen Stromrechnung. Bestehende und künftige EEG-Projekte würden dann allein durch die Einnahmen aus der CO2-Steuer finanziert werden. 

Während dieser Vorschlag von einigen Ökonomen, Politikern und Beratern unterstützt wird [1][2], kritisieren andere seine sozialen und ökologischen Auswirkungen [3][4]. Auch wird argumentiert, dass die resultierenden Anreize für Klimaschutzinvestitionen indirekt seien und nur einen Teil der Unternehmen betreffen würden [3]. Wir sind daher auch der Meinung, dass direkte Ausgaben für industriepolitische Maßnahmen zielführender wären.

Instrumente wie Auktionsprämien oder Einspeisevergütungen, die durch das EEG ermöglicht wurden, waren für den Ausbau der erneuerbaren Energien von entscheidender Bedeutung. Doch wenn Deutschland die Finanzierung des EEG-Gesetzes im vorgeschlagenen Sinne ändert, hängt die künftige Förderung von den Verhandlungen über den Bundeshaushalt und den Entscheidungen der EU über staatliche Beihilfen ab. So könnten die EEG-Förderinstrumente vorzeitig auslaufen. Und dies ist ein bedeutendes Risiko für die Erreichung der Klimaziele.

Das Problem der Erneuerbaren im Markt

Aber warum ist es ein Risiko, diese Förderung zu beenden? Die erneuerbaren Technologien werden immer billiger - und einige Projekte sind bereits subventionsfrei. Ist es da nicht an der Zeit, die Förderung zu beenden? Das glauben wir nicht. Während die Förderung im Sinne von "zusätzlichem Geld" an Bedeutung verlieren wird, gehen die Förderinstrumente einige grundlegende Probleme an.

Zum einen sind die Erneuerbaren nicht für den bestehenden Strommarkt - den Großhandelsmarkt - ausgelegt. Marktpreissignale sind für Wind- und Photovoltaikanlagen wenig hilfreich. Da ihre Stromproduktion von den Wetterbedingungen abhängt, sind diese unflexibel und können ihre Produktion nicht als Reaktion auf die Preise erhöhen. Noch wichtiger ist, dass die erneuerbaren Energien derzeit ihre eigenen Einnahmen "kannibalisieren". Dies ist der Fall, wenn ausschließlich Erneuerbare die Stromnachfrage decken und somit den Strompreis bestimmen. Da dieser Preis auf den kurzfristigen Betriebskosten beruht, die bei Sonnenschein und Wind praktisch gleich Null sind, fallen die Markteinnahmen sehr gering aus. Die Frage ist also nicht, ob die Förderung beendet werden soll, sondern womit sie ersetzt werden muss.

Das Risiko des marktbasierten Ausbaus

Ein marktbasierter Ausbau der erneuerbaren Energien müsste sich vollständig auf den CO2-Preis und eine flexible Nachfrage stützen. Erstens, dank eines hohen CO2-Preises erzielen die Erzeuger von CO2-neutralem Strom ein höheres Einkommen. Zweitens wenn Unternehmen und Haushalte ihre Stromnachfrage ausreichend flexibel steuern könnten, würden diese ihren Stromverbrauch auf Zeiten verlagern, in denen die erneuerbare Erzeugung hoch und die Preise niedrig sind. Dies würde den Preis dann wieder in die Höhe treiben.

Theoretisch ermöglichen diese Punkte rentable Projekte für Erneuerbare. Allerdings ist die Nachfrage derzeit noch sehr unflexibel und die Bereitschaft der Verbraucher zur Anpassung unklar. Deutschland benötigt zunächst bessere technische und institutionelle Lösungen, um das volle Potenzial der flexiblen Nachfrage auszuschöpfen. Außerdem sind die europäischen CO2-Preise schwer vorhersehbar und volatil. Vor allem können sie den Preis nur beeinflussen, wenn überhaupt Kohlenstoff im System vorhanden ist. Mit einem zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien wird es jedoch immer weniger Stunden geben, in denen fossile Energieträger eingesetzt werden.

Wenn schlussendlich das Ziel eines hundert Prozent erneuerbaren Systems erreicht ist - vielleicht schon in den 2030er Jahren -, wird kein Kohlenstoff mehr im Stromsystem vorhanden sein und der Kohlenstoffpreis wird sich nicht mehr auf den Strompreis auswirken. Diese Ungewissheit wirkt sich bereits jetzt auf Projekte aus, da deren Laufzeiten in der Regel 25 Jahre oder länger betragen.

Demnach mag die Marktlösung aktuell Anreize für Investitionen bieten, aber ihre kurzfristige Wirkung ist ungewiss und langfristig fragwürdig. Selbst wenn der Markt den Kraftwerkseinsatz so organisieren könnte, dass sich die Strompreise über Null halten [5], kann es schwierig sein, die Preise genügend hoch zu halten. Damit wird die Deckung der Investitionskosten für die Investoren sehr unsicher.

Den Markt für die Bedürfnisse der Erneuerbaren überdenken

Mit der EEG-Lösung schlagen wir vor, die Auktionen von einem reinen Förderinstrument zum zentralen Marktmechanismus zu machen. Solch ein "Markt" wird die Strompreise regulieren können und besser an die Bedürfnisse der erneuerbaren Energien angepasst sein. Da die Preise nach wie vor durch wettbewerbliche Auktionen bestimmt werden, können Investoren ausreichende Einnahmen erzielen, um ihre Technologie- und Kapitalkosten zu decken. Dabei würden sie wegen des Wettbewerbs aber keine (oder nur geringe) ungerechtfertigten Gewinne erzielen (sogenannte Mitnahmeeffekte).

Darüber hinaus sind Auktionen ein praktisches Instrument zur Verteilung des Netzzugangs. Untersuchungen zeigen, dass ein garantierter Zugang zum Stromnetz und vorhersehbare Preise die Investitionsrisiken senken [6][7][8]. Dies wiederum senkt die Kapitalkosten und die Gebote bei Auktionen, wodurch die Kosten der Energiewende sinken. Eine stabile und gesicherte Finanzierung für EEG-Projekte wird auch die politischen Risiken von Politikänderungen senken. Wir meinen daher, dass die EEG-Lösung trotz der direkten staatlichen Finanzierung kosteneffizient ist.

Ein zügiger Ausbau der Erneuerbaren ist die wichtigste Aufgabe der Politik

Probleme der Variabilität und Integration von Erneuerbaren sind noch weitgehend ungelöst, die Stabilität hängt immer noch von der konventionellen Erzeugung ab, die Nachfrageflexibilität ist noch lange nicht gegeben und die Tragfähigkeit der CO2-Preise in einem erneuerbaren Stromsystem ist fraglich. Die Märkte schaffen also noch kein ideales Investitionsumfeld für erneuerbare Energien. Hingegen bieten die EEG-Auktionen derzeit einen risikomindernden, kosteneffizienten und stabilen Rahmen für den Ausbau der erneuerbaren Kapazitäten.

Bis 2030 (und darüber hinaus) muss Deutschland diese Kapazitäten rasch ausbauen. Um einen ausreichenden Zubau zu gewährleisten, sollte die deutsche Politik die Auktionen als Hauptinstrument beibehalten. Wenn die Bundesregierung die EEG-Projekte auf wacklige Füße stellt, wenn diese über Steuern finanziert würden, wäre die Zukunft des EEG und damit die Zukunft des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland unsicher.

Soziale Gerechtigkeit ist bedeutend, aber es gibt andere Mittel, um ein gerechtes System zu erhalten [3][4][9]. Es ist nun an der Zeit, die Debatte auf die Frage zu lenken: Wie wird Deutschland bis 2030 genügend erneuerbare Kapazitäten aufbauen können? Dies ist nach wie vor die Schlüsselfrage jeder Klimapolitik - und das EEG ist das wichtigste Instrument, um sie zu erreichen.

Danksagung

Dieser Text basiert auf den Erkenntnissen eines Workshops, der im Frühling 2021 am IASS stattfand. Wir danken Rainer Quitzow, Pablo Del Río, Jenny Winkler, Carl-Philipp Anke, Léonore Hälg und Sebastian Sewerin für ihre Teilnahme. Die Arbeit wurde vom Europäischen Forschungsrat im Rahmen des TRIPOD-Projekts (Vertrag Nr. 715132) gefördert.

Referenzen

  • [1] Sachverständigenrat. Jahresgutachten. 2020.
  • [2] dena, FiFo, Umweltenergierecht S. Vorschlag für die Senkung der EEG-Umlage auf null. 2020.
  • [3] Lehmann P. Zweifel am Sozialausgleich durch Abschaffung der EEG-Umlage. Tagesspiegel Background 2021. https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/zweifel-am-sozialausgl… (accessed June 28, 2021).
  • [4] FÖS FÖSM e.V. Soziale und Ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage. 2021.
  • [5] Brown T, Reichenberg L. Decreasing market value of variable renewables can be avoided by policy action. Energ Econ 2020;100:105354. https://doi.org/10.1016/j.eneco.2021.105354.
  • [6] Melliger M, Lilliestam J. Effects of coordinating support policy changes on renewable power in-vestor choices in Europe. Energy Policy 2021;148:111993. https://doi.org/10.1016/j.enpol.2020.111993.
  • [7] Held A, Ragwitz M, Río P del, Resch G, Klessmann C, Hassel A, et al. Do Almost Mature Renewa-ble Energy Technologies Still Need Dedicated Support Towards 2030? Economics of Energy & Envi-ronmental Policy 2019;8:1–18. https://doi.org/10.5547/2160-5890.8.2.ahel.
  • [8] Braunholtz-Speight T, Sharmina M, Manderson E, McLachlan C, Hannon M, Hardy J, et al. Price support allows communities to raise low-cost citizen finance for renewable energy projects. Nat Energy 2020;5:127–8. https://doi.org/10.1038/s41560-020-0556-2.
  • [9] Frondel M. CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Wärme: Optionen für eine sozial aus-gewogene Ausgestaltung. Zeitschrift Für Energiewirtschaft 2020;44:1–14. https://doi.org/10.1007/s12398-020-00272-y.

Kommentare

Mark am 01.11.2021 - 00:14

"Hence, the question is not whether to end support, but what to replace it with."

Or we just stop this madness supporting renewables. After billions of subsidies payed by German private households we should focus on energy sources which create a supply when it is needed.

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