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Headline: Todesfälle durch Luftverschmutzung: Wo bleibt die Reaktion der Politik?

Kopenhagen gilt nicht nur in Sachen Luftqualität als Vorreiter, sondern wird auch regelmäßig zu einer der Städte mit der höchsten Lebensqualität gewählt.
Kopenhagen gilt nicht nur in Sachen Luftqualität als Vorreiter, sondern wird auch regelmäßig zu einer der Städte mit der höchsten Lebensqualität gewählt. Shutterstock/olgagorovenko

Die Zahl der Todesopfer von Covid-19 liegt derzeit bei etwas mehr als 800.000 Menschen weltweit. Das ist wahrscheinlich eine vorsichtige Schätzung. Um die Zahl etwas einzuordnen: Im Jahr 2017 starben rund 56 Millionen Menschen, wobei Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit etwa 32% der Todesfälle die häufigste Todesursache waren. 4,2 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen von Luftverschmutzung im Freien. Luftverschmutzung ist somit der viertgrößte Risikofaktor für Todesfälle. Platz 4!! Warum bringe ich plötzlich die Luftverschmutzung ins Spiel? Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Covid-19-Fällen gibt. Eine höhere Belastung durch Luftverschmutzung ist mit höheren Fallzahlen, Krankenhauseinweisungen und Todesfällen verbunden. Da es sich bei Covid-19 um eine Infektionskrankheit handelt, die primär die Atemwege betrifft, ist dies keine Überraschung.

Hier in Deutschland und Europa besteht ein ausdrücklicher Konsens bezüglich der Notwendigkeit, unsere Städte zu verändern, damit sie resilienter und nachhaltiger werden. Wie die Pandemie gezeigt hat, sind zur Bewältigung einer solchen Herausforderung neben der Infrastruktur, wie z.B. Krankenhäuser, auch weniger greifbare Aspekte wichtig. Dazu gehört saubere Luft, die die Schwere des Krankheitsverlaufs mindern kann. Maßnahmen zur Luftreinhaltung tragen darüber hinaus dazu bei, unser Ziel von resilienten, nachhaltigen Städten und Gemeinden zu erreichen. Denn sie haben unzählige positive Auswirkungen, wie die Verringerung von Lärm und Verkehrsstaus, und verbessern ganz allgemein die Lebensqualität in Städten.

Reaktion auf Pandemie ist teurer als Prävention

Die Kosten einer Reaktion auf eine Pandemie, auf die wir nicht vorbereitet sind, sind viel höher als die Kosten von Pandemieprävention. Darüber hinaus führen, wie in einem Artikel der Weltbank dargelegt, die Shutdowns der Covid-19-Pandemie zu einer der größten Rezessionen seit dem Zweiten Weltkrieg und zu den gravierendsten Änderungen der globalen Wachstumsprognosen, die jemals verzeichnet wurden. Mit dieser Bemerkung möchte ich jedoch in keiner Weise die Maßnahmen der Regierungen in Frage stellen, die darauf abzielen, die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen und einzudämmen.

Was ich aber sowohl im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie als auch auf künftige Krisen in Frage stelle, ist der Mangel an Maßnahmen zur Luftreinhaltung. Luftverschmutzung ist ein Problem, das uns seit Jahrzehnten bekannt ist, und obwohl Fortschritte erzielt wurden – die Emissionen vieler Luftschadstoffe sind in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen – ist es noch lange nicht gelöst. In städtischen Gebieten in ganz Europa sind rund 90% der Bevölkerung Luftschadstoffkonzentrationen ausgesetzt, die über den gesundheitlich begründeten Grenz- und Zielwerten liegen.

Und das Fehlen von Maßnahmen in Deutschland (und Europa), um beispielsweise die problematischen Überschreitungen der Stickstoffdioxid-Grenzwerte in städtischen Gebieten in ganz Deutschland und Europa anzugehen, zeigt deutlich, dass wir bei der Luftverschmutzung die Gewinne der Autoindustrie über die menschliche Gesundheit stellen und dem ineffizienten, umweltbelastenden motorisierten Individualverkehr Vorrang vor lebenswerten städtischen Gebieten einräumen - mit enormen wirtschaftlichen Kosten.

Bessere Gesundheit, lebenswertere Städte: die Vorteile von Maßnahmen zur Luftreinhaltung

Wenn unsere mangelnde Krisenprophylaxe, unsere mangelnde Resilienz die Zahl der Todesfälle steigen lässt und zu einer weltweiten Rezession epischen Ausmaßes führt, warum können wir dann nicht den Wert gemeinsamer Ressourcen wie saubere Luft erkennen und in sie investieren? Paradoxerweise haben die pandemiebedingten Shutdowns wahrscheinlich Tausende von Menschenleben gerettet, weil die Emissionen drastisch zurückgingen und die Luft dadurch sauberer wurde. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien hat gezeigt, dass die Kosten für Luftreinhaltungsmaßnahmen durch den Nutzen (Senkung der Gesundheitskosten, Produktivitätsgewinne usw.) mehr als kompensiert werden. Wo sind die politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der durch schlechte Luftqualität verursachten Todesfälle? Die Zahl der Todesopfer infolge von Luftverschmutzung im Freien geht jedes Jahr in die Millionen. Angemessene Maßnahmen zur Verbesserung unserer Luftqualität – wie z.B. eine Mobilitätswende hin zu weniger Autoverkehr und mehr nachhaltiger Mobilität, besonders in den Städten – würden nicht nur Leben retten, sondern auch die Lebensqualität in den Städten verbessern und zu unserer Resilienz gegenüber möglichen zukünftigen Pandemien beitragen.

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