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Headline: Die Maske in der Coronakrise: ein Symbol von Risiko-Wahrnehmung, Höflichkeit und Gemeinschaftssinn

Viele Menschen haben sich schnell daran gewöhnt, beim Einkaufen eine Maske zu tragen.
Viele Menschen haben sich schnell daran gewöhnt, beim Einkaufen eine Maske zu tragen. Shutterstock/Wellnhofer Designs

Neben der Zahl der Coronavirus-Infizierten hat sich in Deutschland in den letzten Wochen vielleicht nichts so gravierend verändert wie die Risiko-Wahrnehmung. Ein gutes Symbol dafür ist die Maske. Die Einschätzung  ihres Nutzens hat sich sehr dynamisch entwickelt, nicht nur im Medizinbereich, sondern auch bei den Politikern und Bürgern. Ein kleines Stück Stoff repräsentiert daher etwas Größeres, was für die künftige Forschung in verschiedenen Fachbereichen, z.B. Medizin, Jura und Sozialwissenschaften, interessante Fragen aufwerfen wird.

Ich habe die Entwicklung der Risiko-Wahrnehmung und die Veränderung der Einstellung gegenüber der Maske im öffentlichen Raum in Deutschland auch persönlich beobachtet. Eine Kollegin von mir, die aus Hongkong stammt, trug schon im Februar während unseres gemeinsamen Deutsch-Abendkurses eine Maske. Unser Lehrer, der aus Österreich kommt, fand ihr vorsichtiges Handeln überraschend und faszinierend. Aber als wir Ende März nach einer längeren Pause den Kurs wieder aufnahmen, sagte er zu ihr: „Du hattest die ganze Zeit Recht!“

Die Wirksamkeit der Masken gegen das Virus und die Maskenpflicht

Das Robert Koch-Institut hat lange empfohlen, dass nur Menschen mit einer Atemwegserkrankung eine Maske tragen sollten. Im April änderte es seine Einschätzung. Nun hieß es, dass eine einfache Maske das Ansteckungsrisiko verringern könne.
Interessanterweise hielt Gesundheitsminister Jens Spahn noch im März das Tragen einfacher Masken für unnötig. Nach Ostern empfahl Bundeskanzlerin Angela Merkel dann „dringend“, Alltagsmasken im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel zu tragen. Bis Ende April wurde eine Maskenpflicht in allen Bundesländern in Deutschland durchgesetzt.

Die Maskenpflicht, Recht und persönliche Freiheit

Das Kontaktverbot bedeutet natürlich eine Beschränkung der persönlichen Freiheit. Weil diese Regelung zu Beginn des Frühlings eingeführt wurde, schien sie noch anstrengender. Innerhalb kurzer Zeit war allerdings zu beobachten, wie die Deutschen einen Teil ihrer persönlichen Freiheiten gegen einen ausgesprochen vorsichtigen Ansatz hinsichtlich der Pandemie eingetauscht haben.

Auf der einen Seite hörten wir Mitte März von unverantwortlichen „Corona-Partys“ in Berlin, auf der anderen Seite stimmten Ende April 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner einer Maskenpflicht beim Einkaufen zu – zu einem Zeitpunkt, als der Senat in dieser Frage noch unentschlossen war.  

Das Wechselspiel zwischen dem schrittweisen Entscheidungsprozess, das Tragen von Masken zur Pflicht zu machen, und der gleichzeitig steigenden Zahl freiwilliger Maskenträger könnte sicherlich ein spannendes Thema für das Studium des Zusammenspiels von Recht und Verhalten im 21. Jahrhunderts sein. Es könnte auch interessante Ergebnisse für Gesetzgebungsverfahren in anderen rechtlichen Bereichen anbieten.

Nach meiner Auffassung wird unsere gesellschaftliche Beschäftigung mit der Pandemie in der einen oder anderen Form auf einem Kompromiss mit persönlichen Freiheiten basieren, bis es einen Impfstoff gibt. Dieser Kompromiss kann unterschiedliche Formen annehmen: z.B. das Sammeln persönlicher Daten von Coronavirus-Tracking-Apps, den Verzicht auf Sport und Freiluftaktivitäten, die Reduzierung von Sozialkontakten oder das Tragen von Masken. Angesichts der anderen Optionen scheint das Maskentragen letztendlich eines der kleinsten Opfer und ist deshalb am leichtesten anzunehmen. Abgesehen von gesundheitlichen Erwägungen ist das vielleicht auch ein Grund, warum so viele die Maske freiwillig angenommen haben.

Die Masken in der Gesellschaft

Vor der Coronakrise galt das Tragen der Masken in Deutschland als kulturell fremdartig und wurde mit Asien assoziiert. Trotz dieser Fremdheit wurde die aktuelle Akzeptanz der Masken in Deutschland ziemlich schnell erreicht.

Ein wichtiger Punkt ist die Eigenschaft der Masken, andere vor einer möglichen Ansteckung zu schützen. Christian Drosten, einer der führenden Virologen Deutschlands, nennt das Maskentragen eine „Höflichkeitsgeste“, mit der jede Person die Absicht zeigen kann, andere vor einer möglichen Infektion zu schützen, obwohl noch überhaupt keine Symptome vorhanden sind.
 
Die Ausweitung des Maskentragens ermöglicht Menschen, sich auf persönliche Weise sinnvoll mit den Herausforderungen der Krise zu beschäftigen. Überall in Deutschland sehen wir viele Beispiele von Leuten, die für ihre Mitmenschen freiwillig und oft kostenlos Masken nähen. Zum anderen ist diese Situation auch eine Gelegenheit, Menschen zu unterstützen, die wegen des Coronavirus gerade arbeitslos sind und mit diesem Masken-Verkauf Geld verdienen können.

Insgesamt spiegeln die Masken eine Art von Verantwortlichkeit und die Einheit der Gesellschaft während einer der größten Krisen unseres bisherigen Lebens wider.

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