Headline: Die Lausitz vor den Wahlen: Gesellschaftliches Engagement akut bedroht

Die Spinnerei e.V. ist in der Lausitz tätig und macht Angebote zu Naturbildung und Kultur. Das Team berichtet von regelmäßigen verbalen und in jüngster Zeit auch körperlichen Angriffen.
Die Spinnerei e.V. ist in der Lausitz tätig und macht Angebote zu Naturbildung und Kultur. Das Team berichtet von regelmäßigen verbalen und in jüngster Zeit auch körperlichen Angriffen. IASS/Sophia Schimd

Kohleregionen erhalten umfangreiche Finanzhilfen für den Strukturwandel. Damit Neues entstehen kann, braucht es aber auch eine aktive Zivilgesellschaft. In der Lausitz klagen Initiativen über Anfeindungen und mangelnde Unterstützung von der lokalen Politik.

In Brandenburg und Sachsen ist 2019 das Superwahljahr: Am 26. Mai ist nicht nur die Europawahl, sondern auch die Kommunalwahl in den beiden Bundesländern. Im Herbst stehen die Landtagswahlen an. Der AfD werden in beiden Ländern deutliche Zuwächse prognostiziert, besonders in den ländlichen Räumen.

Unabhängig von den Wahlen stehen zahlreiche Umbrüche in der Lausitz an – insbesondere der Kohleausstieg in den nächsten 19 Jahren. Das ist jedenfalls der Vorschlag, den die Kohlekommission im Februar ausgearbeitet hat. Momentan wird um die gesetzliche Fixierung der Ergebnisse gerungen. Damit der klimapolitisch notwendige Ausstieg aus der Kohle sozial flankiert wird, gibt es umfassende Finanzhilfen für die Lausitz und die anderen Reviere. Zugleich wird im Bericht der Kohlekommission gefordert, dass die demokratische Gestaltung und Partizipation der lokalen Bevölkerung gestärkt und gefördert werden soll.

So weit, so gut. Damit Neues entstehen kann, braucht es allerdings eine aktive Zivilgesellschaft. Und die gute Nachricht ist, dass es in der Lausitz eine nicht zu unterschätzende Zahl an Initiativen und Ideen gibt, um den Strukturwandel zu gestalten und ein Leitbild für eine lebenswerte Lausitz ohne den Bergbau zu entwickeln. Hierzu zählen zum Beispiel lokale Vereine und Bündnisse, die kulturelle und sportliche Angebote machen, das demokratische Zusammenleben mit Veranstaltungen und Initiativen voranbringen, Minderheiten und Neuankömmlinge fördern und sich für Bildung und den lokalen Umweltschutz einsetzen, aber auch innovative Geschäftsideen für eine lokal verankerte Wirtschaft. Wie vielfältig und kreativ die Ansätze für die Weiterentwicklung der Lausitz sind, zeigte sich in jüngster Zeit etwa bei den Anträgen für die “Sächsischen Mitmach-Fonds”. Trotz einer recht kurzen Antragsphase wurden für 2019 zahlreiche Anträge eingereicht, von denen nun, aufgrund begrenzter Finanzmittel, einige wenige ausgewählt werden müssen.

In Gesprächen mit Initiativen vor Ort zeigt sich aber auch, wie schwierig das Umfeld für zivilgesellschaftliche Projekte ist. Geld spielt dabei meist nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr scheinen Strukturen und Verfahren vor Ort noch nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der aktiven Zivilgesellschaft einzugehen, die Bürokratie oft nicht auf die neuen Akteure eingestellt zu sein.

Die besonders schlechte Nachricht aber ist, dass die Lausitz zumindest in Teilen eine fragile Demokratie darstellt. Das zeigt sich beispielsweise in Neustadt. Dort existiert seit 2013 der Verein "Eine Spinnerei - vom nachhaltigen Leben e.V. Naturbildung und Kulturangebote", aus dem heraus zahlreiche Initiativen entwickelt wurden. Die Träger_innen des Vereins sahen sich allerdings diverser Anfeindungen ausgesetzt, unter anderem wurde im Jahr 2013 ihr Briefkasten gesprengt. In jüngster Zeit haben sich die Übergriffe intensiviert, da – so die Vermutung – die Bewohner_innen der Spinnerei eine Liste für den Gemeinderat initiiert haben und selbst kandidieren. Das repressive und aufgeheizte Klima, mit dem sie sich konfrontiert sehen, und die mangelnde Unterstützung von der lokalen Politik werfen ein Schlaglicht darauf, dass eine freie Meinungsbildung in der Lausitz keinesfalls selbstverständlich ist. Nichtsdestotrotz ist sie eine Grundvoraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. Insofern wird sich auch bei den anstehenden Wahlen zeigen, inwieweit eine demokratische Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz möglich ist.   

 

Interview Friederike Böttcher von "Eine Spinnerei – vom nachhaltigen Leben e.V." in der Lausitz

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