Headline: Tanz und Bewegung als Werkzeug für Nachhaltigkeit

Tanz und Bewegung können nonverbale Verbindungen ermöglichen.
Tanz und Bewegung können nonverbale Verbindungen ermöglichen. IASS/Carolin Fraude

Was kann Kunst zur Nachhaltigkeit beitragen? Wie kann sie angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, eine neue Haltung und Herangehensweise herbeiführen? In mehreren Workshops am IASS geht es darum, Brücken zu bauen zwischen Nachhaltigkeit und verschiedenen Formen des künstlerischen Ausdrucks. Beim letzten Workshop standen Tanz und Bewegung im Mittelpunkt. Angeleitet wurden wir dabei von Martina Piff, Tanz- und Ausdruckstherapeutin und Vorsitzende des Berufsverbands TanztherapeutInnen Deutschlands (BTD). Sie ermunterte die Teilnehmer, nonverbale Kommunikation innerhalb der Gruppe zu erleben und zu beobachten, welche Rolle Bewegung für Selbsterforschung, Kommunikation und Zusammenarbeit spielt.

Unsere Körperwahrnehmung bewegt sich ständig zwischen dem Selbst, den anderen und unserer Umwelt. Nach dem anfänglichen Warm-up forderte Piff die Teilnehmer nacheinander auf, ihr emotionales und physisches Befinden durch Körpersprache auszudrücken. Die anderen Teilnehmer spiegelten dann diese Gesten in einer Art empathischen Erwiderung. Auf diese Weise wurden nonverbale Beziehungen geknüpft.

Als die Teilnehmer später gebeten wurden, durch entsprechende Bewegungen in die Rolle des Anführers oder des Anhängers zu schlüpfen, wurde sofort klar, der wer welche Rolle spielte. Für Wissenschaftler, die es gewohnt sind, sich über Sprache auszudrücken, war das eine gute Übung in nonverbaler Kommunikation. Der Workshop ermutigte sie, eine Absicht mittels Körpersprache in eine Handlung umzuwandeln. Die „Anführer“ bei diesem Spiel wurden aufgefordert, ihren „Anhängern“ auf freundliche, inklusive Weise zu zeigen, und nicht zu sagen, was sie wollten. Und die Reaktionen der Anhänger auf physische Gesten kann als Form der Kooperation gesehen werden.

Nonverbale Kommunikation mit Akteuren

Sensibel auf die Präferenzen und den persönlichen Freiraum von Menschen zu reagieren ist wichtig, wenn wir Beziehungen zu Akteuren aufbauen. Durch nonverbale Kommunikation mit Workshop-Teilnehmern, lernten wir, wie Körpersprache

  • unser körperliches Erscheinungsbild und unsere Gesten prägt;
  • unsere Aussagen über Umwelt- oder Menschenrechtsfragen verstärken kann;
  • uns hilft, erfolgreicher Botschaften zu vermitteln und anderen Reaktionen zu entlocken.
Die „Erforschung des persönlichen Freiraums“ war eine der Aufgaben.
Die „Erforschung des persönlichen Freiraums“ war eine der Aufgaben. IASS/Carolin Fraude

Eine kreative und biologische Lösung für Konflikte

Körperliches Handeln löst auf sehr direkte, spontane Weise Reaktionen aus – seien sie freundlich oder abwehrend. Das wurde in einer anderen Etappe des Workshops deutlich, als die Teilnehmer paarweise aufgeteilt und gebeten wurden, einander nonverbal „Anweisungen“ zu erteilen und sie auszuführen. Als ich meiner Partnerin bedeutete, zu mir zu kommen, ging sie zunächst in die entgegengesetzte Richtung, und dies enthüllte ihre besonderen Kommunikationspräferenzen als eine Art „Körpererinnerung“.

Die Workshop-Teilnehmer experimentierten auch mit „leichter körperlicher Berührung“ und „Erforschung des persönlichen Freiraums“. Leichte körperliche Berührung und das Feedback aus dieser Berührung zeigten den Zusammenhang zwischen Vertrauen und Intimität oder Konflikt auf. Es wurde klar, dass die Wahrnehmung des eigenen Körpers in der Bewegung eine Möglichkeit darstellt, die Verbundenheit des Selbst mit den anderen und der Umwelt zu erleben. Sie ermöglicht es auch, auf nonverbaler Ebene Vertrauen wiederaufzubauen: eine Hand auf der Schulter eines Gesprächspartners oder der Akt des Händeschüttelns kommunizieren die Absicht, eine nachhaltigere Verbindung mit dieser Person einzugehen.

Als Kommunikationskanal kann Bewegung helfen, unter verschiedenen Akteuren Vertrauen aufzubauen. Bei dem Workshop war die nonverbale Kommunikation zwischen Teilnehmern mit unterschiedlichem kulturellem oder fachlichem Hintergrund nicht immer frei von Spannungen und bot durchaus Raum für Fehlinterpretationen. Zum Beispiel waren Teilnehmer asiatischer Herkunft allgemein zögernder und vorsichtiger. Aber selbst wenn es zu Beginn einer Interaktion Zögern oder Unsicherheit gab, erwies sich die Verschiedenartigkeit letztlich als nützliche Ressource für die Lösung von Konflikten. Die natürliche Entwicklung der Interaktion durch Körpersprache half, den Kommunikationsprozess eindeutig, sichtbar und aufrichtig zu gestalten, förderte Konzentration und Empathie und steigerte das Engagement der Teilnehmer.

„Es ist keine Tanzdarbietung“

Der American Dance Therapy Association zufolge ist die „Tanz/Bewegungstherapie die psychotherapeutische Nutzung von Bewegung zur Förderung der emotionalen, sozialen, kognitiven und physischen Integration des Individuums“. Sie ist die Methode, die Körpersprache und nonverbale Kommunikation – eine angeborene, urtümliche Eigenschaft, die jedem Lebewesen zueigen ist – nutzt, um die Existenz eines Individuums anzuerkennen sowie Veränderung und Wachstum zu unterstützen.

Man muss weder Tänzer oder Tänzerin sein noch tanzen können, um an einem Tanz- und Bewegungsworkshop teilzunehmen und davon zu profitieren. Einzige Voraussetzung ist, dass Herz und Lunge mitmachen und die Bereitschaft zur Erforschung des Selbst vorhanden ist.

Auf den Punkt gebracht: Kommentare von Teilnehmern:

Von Inaiê:

„Zunächst würde ich die Relevanz des gestrigen Workshops für Kommunikationszwecke betonen und das mit einem wesentlichen Aspekt der transdisziplinären Forschung (TDR) in Verbindung bringen. Wir kommunizieren nicht nur mit Worten. In der TDR sind sowohl kognitive als auch nicht-kognitive Faktoren wichtig, so weit ich das verstehe.

Wir gehen häufig davon aus, dass Integration auf verschiedenen Ebenen (Fachrichtungen, Wissenssysteme, Arbeitsgruppen, Theorie-Praxis usw.) von selbst passiert. Die Quintessenz des Workshops ist für mich die Möglichkeit, durch Tanz und Bewegung Vertrauen und solide Beziehungen aufzubauen, nicht nur unter Wissenschaftlern, sondern auch zwischen Wissenschaftlern und Akteuren außerhalb der Wissenschaft, und das ist entscheidend für den gesellschaftlichen Wandel. Die Übungen und Diskussionen haben mir sehr gut gefallen!“

Von Jyoti:

„Obwohl ich nicht während des ganzen Workshops dabei sein konnte, war er für mich wohltuend, weil er mir half, mich auf physischer, mentaler und emotionaler Ebene zu entspannen. Nach meinem arbeitsreichen Alltag war das eine Zeit, in der ich im Fluss mit beruhigender Musik und Tanzbewegungen wieder Kraft schöpfen konnte. Insgesamt ist für mich die Quintessenz aus der Veranstaltung, die ich besuchte, dass Tanz als Körperbewegung Kommunikation, Zufriedenheit, Verbundenheit, Stärkung, Heilung und Entspannung fördern kann.

Von Man:

Absolut inspirierend finde ich den Ausspruch, dass es nicht um unsere unterschiedlichen beruflichen Identitäten geht, sondern nur um uns als Menschen. Einfach den Körper und die Verhaltensänderung wahrzunehmen kann unser Handeln direkt beeinflussen, was bedeutet, dass Transformation ohne Sprache möglich ist.
Körpersprache ist sehr direkt und offen, und sie wird zu einer sichtbaren Form des Ausdrucks, wenn wir sie bewusst wahrnehmen. Das erinnert mich daran, wie wir die Teilnahme von Akteuren effizient vorbereiten und dabei unterschiedliche persönliche Freiräume und automatischen Widerstand bei unerwartetem Eindringen berücksichtigen können. Die Praxis von Tanz und Bewegung macht all unsere Verhaltensmuster für andere sichtbar.
Bei diesem Workshop entwickelten sich kreative Formen von Kommunikation/Diskurs ganz natürlich aus der Interaktion durch Bewegung, und ich hoffe, dass ich diese Erfahrung in der praktischen Kommunikation mit Akteuren zur Anwendung bringen kann.

Workshop-Moderation:

Martina Piff ist Tanz- und Ausdruckstherapeutin, Vorsitzende des Berufsverbands TanztherapeutInnen Deutschlands (BTD) und pädagogische Leiterin der Langen Institute School of Dance and Expression Therapy. Außerdem ist sie an verschiedenen Orten in China und Indien als Lehrerin für Tanztherapie tätig.

 

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