Headline: Das Scheit und die Flamme: Was uns das Feuer über den Wandel zur Nachhaltigkeit lehrt

Das Scheit und die Flamme - Was uns das Feuer über den Wandel zur Nachhaltigkeit lehrt
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In regelmäßigen Abständen findet an verschiedenen Orten der Welt das „Green Me Global Festival for Sustainability“ statt. In den letzten Jahren inspirierte jeweils eines der Elemente Erde – Wasser – Luft das Motto, das die dort gezeigten Filme, Initiativen und Diskussionen verband. Auch das IASS war mit verschiedenen seiner Projekte beteiligt. Die 11. Ausgabe des Festivals wird im Oktober 2018 in Berlin stattfinden unter dem Titel „Action, Passion, Fire“. Das Element FEUER diente denn auch als Überschrift und Thema einer Dinner Speech, die ich am 3. Mai bei einer Veranstaltung für Sponsoren und Unterstützer des Festivals gehalten habe. Aus dieser Rede stammen die folgenden Gedanken zum Thema Feuer und Nachhaltigkeit.

Im Unterschied zu den drei vorigen Festivals hat das Green-me-Festival dieses Jahr mit dem Feuer ein „Element“ zum Motto, das keine Substanz bezeichnet (wie Wasser, Erde und Luft) sondern einen Prozess bzw. das Indiz eines solchen – eines in der Regel sehr intensiven, umwandelnden, einen Zustand in einen anderen transformierenden Prozesses. Ein mir liebes Theaterstück des deutschen Symbolismus, Hofmannsthals „Der Abenteurer und die Sängerin“, endet mit optimistischen, prometheischen Versen des Aufbruchs, in einer Metapher über das Feuer: „Was gilt das Scheit, daran es sich entzündet: Die Flamme ist dem höchsten Gott verbündet!“

Als Nachhaltigkeitswissenschaftler habe ich anders über diese Sätze denken gelernt, aber nicht wegen der Waldbrände, die wir vor allem aus den Medien kennen: großflächige Brände außer Kontrolle, Tiere tötend, Menschen vertreibend. Bei der Betrachtung erschreckender Fernsehbilder aus Australien, Portugal oder Kalifornien entsteht der Eindruck, diese Phänomene nähmen zu. Dafür gibt es aber keinen wirklichen Beleg. Im Gegenteil sieht es so aus, dass allein in den letzten zwanzig Jahren Wald- und Buschbrände vermutlich um bis zu einem Viertel abgenommen haben, wenn man es von der Flächenausdehnung her betrachtet. Großbrände werden, in diesem Sinne wie Flugzeugabstürze, als Risiko eher überschätzt – womit ich nichts gegen die Sinnhaftigkeit von Prävention  sagen will, sondern nur über das relative Gewicht des Themas in der massenmedialen Aufmerksamkeit.

Der Brand, der den Planeten verzehrt, sind wir selber

Das Interessante ist nämlich erstens genau diese Aufmerksamkeit – das „Starren ins Feuer“ – und zweitens der Umstand, dass diese Brände ursächlich und per Analogie mit Phänomenen zusammenhängen, die nun wirklich große, systemische Risiken darstellen. Zu letzteren zählen Süßwasserknappheit, der Klimawandel und großflächige Veränderungen in der Landnutzung, drei der neun sogenannten planetaren Grenzen. Ich möchte vor allem auf die Ressourcen eingehen, auf die eben erwähnte Landnutzung – und auf gewollte und ungewollte Transformationen, die mit Feuer zusammenhängen, und zwar sowohl mit dem wirklichen wie dem sprichwörtlichen.

Der metaphorische Brand, der den Planeten verzehrt, sind wir selber. Wir sind es jedenfalls mit einer bestimmten ressourcenverschlingenden Lebensweise. Genauer gesagt: einer immer rascher diese Ressourcen verstoffwechselnden, und das heißt natürlich durch Verbrennungsprozesse verstoffwechselnden, Lebensweise. Die entsprechenden Innovationsdynamiken und die wirtschaftlichen und sozialen Transformationen, die mit ihnen in Wechselwirkung standen, wurden als „Entfesselung der Produktivkräfte“ bereits von Karl Marx gefeiert; sie dauern nun bereits seit über 200 Jahren an, haben aber nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal Fahrt aufgenommen – durch Elektronik und Plastik zum Beispiel, aber auch durch die schiere Materialität eines Städtebaus, der in China in zehn Jahren so viel Baustoffe benötigt hat wie das gesamte 20. Jahrhundert in den USA.

Innovation statt Ressourcenschonung – dann kam die planetare Krise

In der Forschung spricht man hier auch von der „Großen Beschleunigung“. Gegen diese Beschleunigung versucht man einerseits eine Art Bremse zu setzen, die „nachhaltige Entwicklung“. Deren Idee liegt erst einmal zum Produktivitätsparadigma gar nicht besonders quer. Der Sachse Hans Carl von Carlowitz, der in Deutschland als wichtiger Ahnherr der nachhaltigen Entwicklung gilt, wollte um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert nicht etwa die Bäume um ihrer selbst willen erhalten – er war zunächst mal kein Ökologe und er war auch Forstwirt nur, insofern er Berghauptmann war; er wollte, dass es in Sachsen auch morgen und übermorgen noch Holz gibt, das verbrannt werden kann, um Metalle zu schmelzen.

Die Holzkrise als Ressourcenkrise, die ihm so viel Sorge bereitet hatte, wurde dann bald nach seinem Tod erst einmal hinfällig, aber nicht durch die nachhaltige Entwicklung, die er vorgeschlagen hatte – nicht mehr Holz schlagen, als nachwachsen kann – sondern durch Innovation: Gefunden wurden die Möglichkeiten, in großem Maßstab Kohle zu fördern und zu verbrennen. Damit kam dann die Spirale, deren Folgeprobleme wir heute als planetare Krise diskutieren – und damit rede ich nicht nur von der unmittelbaren Folge des Anstiegs von CO2-Konzentration in der Atmosphäre um bisher 40 Prozent, sondern vor allem auch von der immensen Steigerung des Materialdurchsatzes, dem Flächenverbrauch, dem Artenverlust – erst richtig in Gang. Sie machte aber auch möglich, dass die Bevölkerung sich versiebenfachte, und dass die Lebenserwartung sich weltweit – weltweit! nicht nur im sogenannten Globalen Norden – mehr als verdoppelte.

Weniger Feuer, größere Verwundbarkeit

Heute leben allein in Städten an die vier Milliarden Menschen, viermal so viele, wie im Jahr 1800 auf dem ganzen Planeten lebten. Wälder sind drastisch weniger, Landwirtschaftsflächen deutlich mehr geworden. Das allein zeigt übrigens, dass das mit der Zunahme der wilden Feuer nicht ganz stimmen kann. Versteppungs- und Wüstenbildungsprozesse sind allenthalben zu beobachten, stehen aber weniger im Zusammenhang mit offen brennenden Feuern als mit Auslaugungsprozessen, die ihrerseits mit unserem Bedarf nach Tierfutter, nach Öl für Motoren und Plastik, nach Zement zusammenhängen. Allerdings ist es wahr, dass durch solche Feuer öfter nun deutlich mehr Menschen an Leib und Leben bedroht sind als früher. Das ist ähnlich wie mit dem Wärmeinseleffekt in Städten, der die Folgen von Hitzewellen schlimmer macht für die dort konzentrierten Menschenmassen und natürlich besonders für die Schwachen unter ihnen, alte Menschen und Kinder: Was sich erhöht, ist die menschliche Verwundbarkeit, eben auch durch das Feuer.

Es geht nicht um die Knappheit von Ressourcen, sondern um Schutzlosigkeit, um den Verlust von Widerstandsfähigkeit. Das trifft in der Regel – aber auch nicht immer – die Ärmeren unmittelbarer und härter. Der moderne, politische Begriff der Nachhaltigkeit, der seit gut 30 Jahren im Schwange ist, zielt vor allem auf diesen Aspekt ab: Gerechtigkeit soll hergestellt werden, in der Verteilung von Nutzen und Risiken.

Wärmen, nicht verbrennen

Eine bessere Verteilung kann aber nicht bedeuten, mehr und Neues zu produzieren. Im Gegenteil müssen wir uns fragen, was wir eigentlich noch können außer produzieren und konsumieren, außer verstoffwechseln, außer verbrennen. Eine Transformation zur Nachhaltigkeit muss heißen: nicht mehr nur nach dem Holz als Ressource fragen, sondern auch nach dem Wald als Lebensraum. Denn das „Scheit“, an dem sich die Flamme entzündet: Es gilt. Es muss uns weiterhin wärmen, ohne dass wir daran verbrennen.

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