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Nachhaltigkeit | am GFZ

Eine Just Transition für wen?

Der Konflikt um die Just Transition reflektiert unterschiedliche Vorstellungen von Entwicklung, Gerechtigkeit und Zukunft.
Der Konflikt um die Just Transition reflektiert unterschiedliche Vorstellungen von Entwicklung, Gerechtigkeit und Zukunft.

Die Umsetzung der Pariser Klimaziele erfordert tiefgreifende wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Veränderungen. Wie dieser Wandel gerecht gestaltet werden kann, diskutieren Politik, Wissenschaft und soziale Bewegungen unter dem Konzept der „Just Transition“ – des gerechten Übergangs. Doch die Frage, was eine global gerechte Just Transition ausmacht, bleibt umstritten.

Auf internationaler Ebene ist die Just Transition seit einigen Jahren ein etabliertes Konzept. So wurde beispielswiese auf der COP27 in Sharm-el-Sheikh das Just Transition Work Programme (JTWP) ins Leben gerufen. Ziel dieser Initiative ist es, Wege aufzuzeigen, wie die Klimaziele sozial gerecht umgesetzt werden können. Im Zentrum stehen vor allem Arbeitnehmer*innen, die vom Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien betroffen sind. Sozialer Schutz, Umschulungen und die Förderung grüner Arbeitsplätze bilden den Kern der Maßnahmen.

Doch die Umsetzung stößt auf Grenzen. So scheiterten auf der COP29 in Baku die Verhandlungen über die nächsten Schritte des JTWP an tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten, unter anderem darüber, ob Menschenrechte und die Rechte Indigener Völker in den Text aufgenommen werden sollten. Auch die vorbereitenden Klimaverhandlungen im Juni 2025 in Bonn brachten nur eine informelle Note hervor, die zwar erstmals die Bedeutung Indigener Rechte betonte, aber keine konkrete Einigung erzielte. Die COP30 in Belém soll einen Aktionsplan mit den zukünftigen Schritten des JTWP beschließen, bevor das Programm im kommenden Jahr ausläuft. Die Erfolgschancen dafür stehen allerdings aktuell eher schlecht.

Forderungen nach einer globalen Just Transition

Ein Grund für diese Schwierigkeiten liegt in den unterschiedlichen Auffassungen einer Just Transition. Das Konzept stammt ursprünglich aus der US-amerikanischen Gewerkschaftsbewegung der 1970er Jahre, die die Rechte von Beschäftigten der Öl-, Chemie- und Atomindustrie im Kontext neuer Umweltregulierungen schützen wollte. Heute wird der Begriff von verschiedenen Akteuren mit teilweise konkurrierenden Definitionen und Schwerpunkten verwendet. Die Interpretation des JTWP ist beispielsweise stark arbeitsmarktorientiert und technokratisch. Sie setzt etablierte Wohlfahrtsstaaten und organisierte Gewerkschaften voraus – Voraussetzungen, die in vielen Ländern des Globalen Südens nicht gegeben sind. Eurozentrische Perspektiven auf eine Just Transition blenden somit die Realitäten des Globalen Südens, wie hohe Verschuldung, informelle Arbeitsverhältnisse und postkoloniale Staatsstrukturen, aus.

Wissenschaftler*innen fordern deshalb eine globale und holistische Auffassung einer Just Transition, die die politischen, wirtschaftlichen und historischen Machtungleichheiten zwischen dem Globalem Norden und Süden reflektiert.  Zum Beispiel erzeugt die voranschreitende Energiewende des Globalen Nordens einen massiven Bedarf an „kritischen Rohstoffen“ wie Lithium, Kobalt oder Kupfer. Allein in Lateinamerika führen Projekte wie Lithiumabbau im chilenischen Salar de Atacama, Kupferminen in Ecuador, aber auch Wind- und Solarprojekte in Kolumbien und Brasilien zu Landnahme, Vertreibung und sozialen Konflikten. Die grüne Transformation läuft somit Gefahr, bestehende Ungleichheiten zu verschärfen und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen unter neuem Deckmantel zu reproduzieren.

Alternative Visionen aus dem Globalen Süden

Im Gegensatz dazu zeichnen soziale Bewegungen alternative Visionen eines gerechten Übergangs.  Die Koalition „Securing Indigenous Peoples’ Rights in the Green Economy“ (SIRGE) oder der „Öko-Soziale und Interkulturelle Pakt des Südens“ formulieren Ansätze für eine Just Transition aus und für den Globalen Süden. Und auch der “Gipfel der Völker”, bei dem hunderte NGOs und soziale Bewegungen im Rahmen der COP30 in Belém für Klimagerechtigkeit protestieren, benennt in seinem Manifesto die Bedeutung einer Just Transition für alle. Der Fokus der Bewegungen liegt dabei auf Landreformen, der Legalisierung von Indigenen Territorien, der Förderung von Indigenen, solidarischen und feministischen Ökonomien, der Anerkennung der Natur als Rechtssubjekt, Ernährungssouveränität und Agroökologie, faire Klimafinanzierung jenseits von Kohlenstoffmärkten und Verschuldung, sowie die Förderung von sozialer Gerechtigkeit durch progressive Steuerreformen. Was diese Ansätze vereint, ist die Ablehnung technokratischer Scheinlösungen, die Forderung nach Dekolonialisierung und Reparation, die Sicherung Indigener Souveränität und die Kritik an globalen Wirtschafts- und Verschuldungsstrukturen.

Just Transition in der Diskussion

Die Aushandlung einer Just Transition bewegt sich in einem Spannungsfeld. Einerseits zeigen soziale Bewegungen Wege für eine sozial-ökologische Transformation auf. Andererseits werden in internationalen Foren Maßnahmen diskutiert, die weit von den Lebensrealitäten der am stärksten betroffenen Menschen entfernt sind. Der Konflikt um die Just Transition ist somit mehr als eine technische Debatte: Er reflektiert unterschiedliche Vorstellungen von Entwicklung, Gerechtigkeit und Zukunft.

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