Headline: Bundesregierung legt den Energiesektor wieder in die Hand von Energiekonzernen

Die von der Bundespolitik vorangebrachte Energiewende geht auf eine Graswurzelbewegung zurück. Noch vor wenigen Jahren spiegelten die Investitionen in diesem Sektor ganz klar seine Ursprünge. Aber die Neufassung des EEG von 2014 führte zu drastischen Veränderungen im Investoren-Mix. Wenn die Bundesregierung das Problem nicht bald angeht, kann man nur annehmen, dass dieses Ergebnis beabsichtigt ist.

Ein beliebtes von German Energy Transition erstelltes Diagramm (unten) zeigt, dass sich fast die Hälfte der Erzeugungskapazitäten für erneuerbare Energien in Bürgerhand befand.

Grafik energytransition

Aber man beachte das Jahr: 2012. Was ist seitdem passiert?

Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht; diese Studie für 2012 wurde nicht wiederholt, und ich wüsste nicht, dass derzeit Daten dazu erhoben werden. Allerdings hat es 2015 enorme Verlagerungen gegeben. Um das zu verdeutlichen, habe ich die Maßeinheit gewechselt – statt von GW (Gigawatt: die Größe der Generatoren) spreche ich nun von TWh (Terawattstunden: die erzeugte Energiemenge). Im Wesentlichen bedeutet das, wir konzentrieren uns nicht mehr darauf, wer die Investitionen getätigt hat (Investoren zahlen für GW), sondern darauf, wer daran verdient (bezahlt werden TWh).

Die Ergebnisse sprechen für sich.

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Links sehen wir die Energie in Bürgerhand (Bürger und Genossenschaften einschließlich Minderheitsbeteiligungen) bei 47 Prozent, während sie rechts nur noch bei 25 Prozent liegt. Der Anteil der Bürgerenergie wurde praktisch halbiert. Gleichzeitig hat sich der Anteil der konventionellen Energieunternehmen mehr als verdreifacht – von 13 auf 40 Prozent. Betrachtet man die Energiequellen, ist die Entwicklung ebenfalls eindeutig. Deutschland hat statt auf Photovoltaik und Biomasse (die etwa zur Hälfte in Bürgerhand waren) vermehrt auf Offshore-Wind gesetzt (an dem Bürger in Deutschland nicht beteiligt sind). Die große Unbekannte ist der Onshore-Wind, der immer noch rund 40 Prozent der Erneuerbaren Energieversorgung ohne Wasserkraft liefert; weil genauere Informationen fehlen, habe ich einfach angenommen, dass die Eigentümerstruktur unverändert geblieben ist, aber auch hier können sich die Besitzverhältnisse verschoben haben.

Methodik

Die Zahlen zur Energieerzeugung für 2015 sind Projektionen, also nicht die tatsächlichen Daten für dieses Jahr. Zum Beispiel erzeugte ein Windrad, das ab Anfang Juli 2015 Energie liefert, letztes Jahr die Hälfte seines Potenzials; eines, das Ende September ans Netz geht, etwa ein Viertel. Um diese Effekte zu berücksichtigen, habe ich ein theoretisches Durchschnittsjahr der Energieerzeugung berechnet, basierend auf durchschnittlichen Volllaststunden (unten in Prozent angegeben als „capacity factors“) für jede Technologie in diesem Jahr in Deutschland (Datenquelle, PDF auf Deutsch):

  • Offshore-Wind: 49%
  • Onshore-Wind: 25%
  • Photovoltaik: 11%
  • Biomasse: 79%

Auch die Zahlen für 2012 sind eine Generalisierung, basierend auf folgenden Kapazitätsfaktoren pro Technologie in dem Zeitraum (der Zuwachs bei Onshore-Wind aufgrund von Innovationen seit dieser Zeit ist umfassend und dramatisch):

  • Offshore-Wind: 49%
  • Onshore-Wind: 19%
  • Photovoltaik: 10%
  • Biomasse: 80%

Man kann es sich so vorstellen: Der linke Teil der Grafik zeigt, wie viel Strom die bis Ende des Jahres 2012 installierten Anlagen in diesem Jahr voraussichtlich erzeugen würden, während der rechte Teil zeigt, wie viel Strom dieses Jahr voraussichtlich von den letztes Jahr installierten Anlagen geliefert wird.

Überdies fließen in den linken Teil der Grafik oben alle Jahre bis einschließlich 2012 ein, während der rechte Teil nur die Energie aus den 2015 neu installierten Anlagen berücksichtigt. Von der Eigentümerstruktur im Jahr 2012 habe ich eine klare Vorstellung, aber ich habe keine Ahnung, wie sie 2015 aussah. Die rechte Hälfte der Grafik überträgt lediglich die frühere Eigentümerstruktur auf die Gegenwart.

Die Methodik ist so schludrig, dass ich beinahe auf die Grafik verzichtet hätte. Aber dann erkannte ich, dass man ein Update der Studie zu 2012 benötigt, um diese Zahlen ernsthaft zu widerlegen, und genau das wünsche ich mir: eine echte Prüfung dieser Frage. Höchstwahrscheinlich würde sie ergeben, dass ich um ein paar Prozentpunkte danebenliege, aber ob nach unten oder nach oben, ist schwer zu sagen. Die Botschaft wäre jedoch die gleiche: Die Politik der Bundesregierung drängt die Verfechter der Bürgerenergie zurück, die die Energiewende in Gang gebracht haben, und legt den Energiesektor wieder in die Hand der Energiekonzerne, die nicht daran geglaubt haben, dass die Energiewende funktionieren würde.

2009 tätigten die Großen Vier unter den Energieunternehmen in Deutschland nur ein Prozent der Investitionen in Erneuerbare. Damals planten sie noch Dutzende Kohlekraftwerke. Natürlich ist es eine gute Nachricht, dass deutsche Energieversorger ihre Investitionen aus der Kohle abziehen und stattdessen auf Erneuerbare Energien setzen. Dass aber die Regierungspolitik die Basisbewegung daran hindert, sich weiterhin zu engagieren, ist weniger erfreulich. Aber nur zu, liebes Wirtschaftsministerium, widerlege meine Zahlen. Der Ball liegt nun bei dir.

Foto oben: IASS/Norbert Michalke

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